http://www.br.de/nachrichten/perkovic-pr...urteil-100.html
Urteil im Perkovic-Prozess
Richter entscheiden auf lebenslang
Das Münchner Oberlandesgericht hat die beiden angeklagten Ex-Geheimdienstoffiziere Zdravko Mustac und Josip Perkovic zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie seien mitschuldig am Tod eines kroatischen Dissidenten im Juli 1983.
Stand: 03.08.2016
Das Gericht hatte nicht viele Möglichkeiten: Es galt zu entscheiden zwischen schuldig oder nicht, zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes oder aber Freispruch. Der Vorsitzende Richter Manfred Dauster folgte dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Sie hatte auf lebenslang plädiert. Auch Dauster sah es als erwiesen an, dass die ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstoffiziere Zdravko Mustac und Josip Perkovic mitverantworlich sind für den gewaltsamen Tod des kroatischen Regimegegners Stjepan Durekovic im Juli 1983 in Wolfratshausen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ein Urteil ohne handfeste Beweise
Den Mord an Durekovic sollen sie zwar nicht selbst ausgeführt, wohl aber beide bewusst angeordnet haben. Handfeste Beweise dafür gibt es nicht, wohl aber ein reichhaltiges Mosaik aus den Aussagen von Zeugen, die im Laufe der 21 Monate währenden Beweisaufnahme gehört wurden, und einem riesigen Stapel von Akten, die Anklage und Verteidigung allerdings teilweise völlig unterschiedlich interpretieren.
Die Angeklagten selbst schwiegen während des gesamten Verfahrens. Erst am letzten Verhandlungstag nutzten sie die Gelegenheit zu kurzen Schlussworten. Der 71-jährige Josip Perkovic beschwerte sich über seine Haftbedingungen in den letzten Wochen, sein drei Jahre älterer einstiger Vorgesetzter Zdravko Mustac über Probleme beim Kontakt mit seiner Familie.
Angeklagter spricht von "fairem Prozess"
Bemerkenswert immerhin, dass Mustac den gesamten Prozess als ausgesprochen fair bewertete – ganz im Unterschied zu einigen Verteidigern, die in ihren Plädoyers kein gutes Haar an der Verhandlungsführung ließen und der Bundesanwaltschaft vorwarfen, wichtige Akten bewusst zurückzuhalten. Ein Vorwurf, dem Oberstaatsanwalt Lienhard Weiß energisch widerspricht.
"Die Bundesanwaltschaft hat in diesem wie in jedem Verfahren streng nach Recht und Gesetz agiert. Es gab überhaupt keinen Anlass hier für Verschwörungstheorien. Es hat auch überhaupt keinen Grund gegeben, irgendwelches Beweismaterial vorzuenthalten."
Ein Mordfall, der 33 Jahre zurückliegt. Die mutmaßlichen Täter und Hintermänner alle irgendwie verstrickt in Geheimdienst-Aktivitäten. Selbst um das Opfer ranken sich bis heute Verschwörungstheorien. Stjepan Djurekovic soll für den BND gearbeitet haben. Doch dieser Aspekt sei im ganzen Prozess nur am Rande zur Sprache gekommen, beklagt Peter Wagner, der Pflichtverteidiger von Josip Perkovic. Wagner bezweifelt, dass sein Mandant den Gerichtssaal nach dem Urteilsspruch als freier Mann wird verlassen können.
"Wenn es jetzt nicht gelungen ist den Verteidigern, durch die teilweise sehr detaillierten Plädoyers und durch die vielen Fakten aufzuzeigen, dass die Argumente für sich betrachtet jedes widerlegt wurde, dann wird, fürchte ich, kein erfreuliches Urteil herauskommen."
Der Prozess gegen Mustac und Perkovic war überhaupt erst möglich geworden, als Kroatien die beiden Angeklagten nach jahrzehntelangem Tauziehen auf Druck der EU Anfang 2014 endlich auslieferte. Kurz zuvor hatte die damalige sozialistische Regierung in Zagreb noch mit einem eigens verabschiedeten Gesetz, von Spöttern „Lex Perkovic“ genannt, versucht, die Überstellung nach Deutschland zu verhindern.
Das zeigt, wie groß der Einfluss der alten Seilschaften auf die heutige Politik in dem Balkanstaat immer noch ist. Sowohl Mustac als auch Perkovic verfügten bis zu ihrer Auslieferung über beste Beziehungen in den staatlichen Machtapparat Kroatiens.
Immerhin waren die kroatischen Archive aber diesmal offenbar zu größerer Kooperation bereit als vor acht Jahren. Damals wurde der Mordfall Djurekovic schon einmal vor dem Münchner Oberlandesgericht verhandelt. Angeklagt war ein Mittelsmann, der die Tat ganz konkret vorbereitet hatte. 2008 wurde er dafür zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Jörg Paas, Redakteur in der Redaktion Politik und Hintergrund | Bild: BR, Wolfgang Vichtl Jörg Paas