|
|
FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 28.10.2013 03:45von bastian2410 • 1.678 Beiträge
bei Recherchen zu diesem Fall bin ich mal wieder- typisch für Prozesse aus dieser Region wie zB Flora- Mord, Göstel oder Dampfnudelbäck- auf einen ziemlich spektakulären Prozess gestoßen, der eine interessante Wendung genommen hat.
Wir sind ja davon ausgegangen, dass zwei Täter den Mord an der Krankenschwester begangen haben. Der Fall ist zwar geklärt, jedoch wurde nur einer der gefassten Täter wegen Mordes zu einer 10 jährigen Haftstrafe verurteilt. Ein 19 Jähriger Schweißer aus Konradsreuth wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen- eine Revision wurde verworfen.
Ich habe bereits das zuständige Jugendgericht am Landgericht Hof angeschrieben und mich auch mal wieder mit der Nürnberger Zeitung in Verbindung gesetzt- weitere Informationen- gerade zum Freispruch und zu den Hintergründen der Tat- werden am Wochenende oder Anfang der Woche folgen...
Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 04.12.2013 01:10von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Sorry, Freunde,
ich weiß, ich habe nähere Infos zu zwei bis drei Fällen versprochen, habe den Schreibtisch zur Zeit aber voll mit Arbeit. Die Forumsarbeit steht leider zur Zeit an zweiter Stelle. Zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich aber wieder etwas Ruhe, dann werde ich hoffentlich meine Versprechen einlösen...
Sooooorrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrryyyyyyyyyyyyyyyyyyyy, aber bitte noch etwas Geduld....
Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 19.04.2014 07:13von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Sorry, Freunde... Es hat etwas gedauert, aber ich hatte die letzten Monate berufliche Verpflichtungen, dass leider etwas die Forumsarbeit darunter gelitten hat. Ich hatte euch weitere Informationen zum Mordfall Martina L. aus Naila versprochen. Der Fall wurde im September 1990 in Aktenzeichen xy vorgestellt und bereits in der Folgesendung konnte die Kripo Hof zwei Festnahmen in der Sendung vermelden. Zwei junge Männer im Alter von 19 und 23 Jahren aus Konradsreuth wurden festgenommen, nachdem bei einem der Männer die Tasche des Opfers gefunden wurde.
Naja, die Erfahrung hat uns ja gelehrt, dass damit Kriminalfälle noch lange nicht abgeschlossen sind. Genauso wie in diesem Fall- auch im Prozeß konnte der Tathergang nicht 100% geklärt werden. Ein Angeklagter wurde sogar freigesprochen, der zweite wurde zu 10 Jahren wegen Freiheitsberaubung und Mordes durch Unterlassen verurteilt. Grund für dieses etwas merkwürdige Urteil war, dass Gericht nicht klären konnte, wer im Endeffekt die Krankenschwester aus Naila ermordet hat.
Der Fall
Der Mordfall Martina L. wird im September 1990 in Aktenzeichen xy als 3. Filmfall vorgestellt. Martina L. ist 25 Jahre alt und arbeitet als Krankenschwester in einem Krankenhaus nahe Hof, nicht weit entfernt der deutschen- deutschen Grenze. Von ihren Kollegen wird sie geschätzt, gilt als zuverlässig und liebevoll. Privat läuft es Anfang 1990 nicht so gut für die 25jährige- von ihrem Mann, mit dem sie über 3 Jahre verheiratet war, lässt sie sich gerade scheiden. Ein Umstand, der ihr schwer zu schaffen macht. Sie ist gezwungen, ihr Leben neu zu ordnen, hat aber bereits für Mai eine neue Wohnung in Rehau gefunden.
Von ihrem Kummer über die Trennung wissen jedoch nur die engsten Freunden. Aus diesem Grund wird Martina L. am 24. März von ihrer Freundin überredet, eine Disco in Bayreuth zu besuchen. Tatsächlich kann die Krankenschwester an diesem Abend ihre Sorgen vergessen und beide Frauen genießen einen tollen Abend in der Disco. Gegen 1 Uhr verlassen die beiden Frauen die Disco und kehren zu der Wohnung der Freundin zurück, wo die 25jährige ihren Wagen- einen roten Golf- abgestellt hat. Von Rehau aus hat sich noch einen Heimweg von 30 km nach Naila vor sich, das Angebot ihrer Freundin, die Nacht in Rehau zu verbringen, schlägt sie aus.
In dieser Nacht werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt und es beginnt die Sommerzeit. Martina L. fährt mit ihrem roten Golf zunächst die B 15 Richtung Hof, hinter Hof dann auf die B 173 Richtung A 9 und biegt schließlich hinter der Anschlußstelle A 9 auf die L 2158 Richtung Naila ab. Durch die Zeitumstellung auf die Sommerzeit ist es bereits 3.30 Uhr, als der rote Golf von mehreren Zeugen auf der Landstraße gesehen wird. So wird der Wagen zunächst von einem jungen Mann beobachtet, der in der Gegenrichtung auf den Heimweg Richtung Hof ist. Er sagt aus, dass ihm der rote Golf in langsamer Fahrt und mit eingeschalteten Warnblicker entgegenkam. Zudem habe er im Rückspiegel bemerkt, dass der Wagen hinter ihm auf dem Seitenstreifen zum Stehen gekommen ist. Am Steuer habe er Martina L. erkannt. Keine 100 Meter weiter habe dann ein weiterer Wagen quer auf der Straße gestanden. In der Annahme, es sei ein Unfall passiert, habe er angehalten, wurde jedoch von einen Mann eindeutig und bestimmt zum Weiterfahren aufgefordert.
15 Minuten später passiert ein junges Pärchen die gleiche Stelle. Jetzt steht der rote Golf verlassen- ohne Warnblicker- mit offenen Fenster auf dem Seitenstreifen. Der zweite Wagen, der nur Minuten vorher von einem anderen Zeugen gesehen wurde, ist jetzt verschwunden.
Am Sonntag mittag wird der Wagen von der Polizei sichergestellt und abgeschleppt. Da von Martina L. jede Spur fehlt, wird eine Vermisstenanzeige aufgenommen. Da die Polizei bereits zu diesem Zeitpunkt von einem Verbrechen ausgeht, wird die Kripo eingeschaltet und die Öffentlichkeit um Hinweise gebeten.
3 Monate fehlt von der Krankenschwester jede Spur. Am 1. Juli 1990 wird schließlich die Leiche der Frau in einen Waldstück bei Konradsreuth- gut 15 km vom Fundort des Wagens entfernt- von Pilzsammlern gefunden. Die Täter hatten versucht, ihr Opfer mit Benzin zu verbrennen.
Die Gerichtsmedizin stellt bei der Obduktion einen Erstickungstod durch Erdrosseln fest, zudem wurden dem Opfer massive Kopfverletzungen zugefügt. Auch müssen die Täter zum Ablegeort zurückgekehrt sein, da das Opfer erst 2 bis 3 Tage nach Todeseintritt mit Hilfe von Benzin verbrannt wurde.
Am 7.9.1990 bittet die Kripo Hof in Aktenzeichen xy die Zuschauer um Mithilfe. Durch die Ausstrahlung erhofft sich die Polizei gerade Hinweise von Besuchern aus der DDR, die ein halbes Jahr vor der Wiedervereinigung das Wochenende genutzt haben, um den Freistaat Bayern zu besuchen.
Und tatsächlich hilft die TV- Ausstrahlung im ZDF bei der Aufklärung. Zwei Wochen nach der Sendung- am 20 September 1990 wird in Konradsreuth ein 22jährige Färber unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Der junge Mann war wegen Körperverletzung und zweifacher Vergewaltigung vorbestraft und erst kurz vor dem Mord an der 25jährigen Krankenschwester nach 3 Jahren Haft aus der JVA entlassen worden.
In den Verhören legt er ein Teilgeständnis ab und belastet seinen Freund, einen 18jährigen Schweißer aus Konradsreuth. Der 22jährige hatte bei seiner Vernehmung zunächst angegeben, die Frau sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er habe nur die Leiche versteckt. Als die Kripo ihm jedoch die Untersuchungsergebnisse der Gerichtsmedizin vorhält, ändert er seine Angaben. Nach seiner Aussage besuchte er am 24. März mit seinem Freund eine Disco in Hof. Gegen halb 1 habe man sich dann im Wagen seines Vaters auf den Heimweg gemacht. Als sie die Krankenschwester auf der Landstraße sahen, wendete er den Wagen und fuhr neben der jungen Frau her. Der 18jährige Freund versuchte vom Beifahrersitz aus, die Frau anzumachen. Kurz vor ihrem Heimatort sie hielt an, um sich die Belästigungen durch Lichthupe und Zeichen zu verbeten und stellte die Männer zu Rede. In diesem Moment stieg auch sein Freund aus, riß die Fahrertür des Wagens der Frau auf und zerrte sie aus dem Fahrzeug. Anschließend schlug und schüttelte er sie. Dabei fiel ihr Opfer zu Boden und prallte mit dem Kopf auf den Asphalt. Dann forderte er die Frau auf, sich auf den Beifahrersitz seines Wagens zu setzen.
In einem Wald in der Nähe von Konradsreuth fesselte der Jüngere die Frau und vergewaltigte sie auf dem Beifahrersitz. Obwohl das Opfer versprach, den Vorfall für sich zu behalten, legte der Schweißer der 25jährigen die Schnur um den Hals und zog die Schlinge zu. Er habe dann die Frau aus dem Wagen gehoben, sie auf den Waldboden gelegt und die Leiche mit Reisig bedeckt. Drei Tage später kehrte sein Freund an den Tatort zurück und verbrannte die Tote. Sein Vater habe dann am Tag nach der Tat die Tasche von Martina L. in seinem Auto gefunden und ihn nach der Ausstrahlung in Aktenzeichen xy zur Rede gestellt. Daraufhin habe man die Tasche auf der A9 Richtung Nürnberg aus dem Fenster geworfen. Obwohl er den Mord abstreitet, erlässt der Ermittlungsrichter Haftbefehl wegen Mordes.
Aufgrund der Aussage des Fäbers wird 2 Tage später auch der 18jährige in Konradsreuth festgenommen. Er bestreitet sämtliche Vorwürfe und verweigert die Aussage. Auch gegen ihn wird wegen Mordverdacht Haftbefehl erlassen.
Die Staatsanwaltschaft Hof klagt beide Männer an. Den inzwischen 19jährigen wegen Mordes, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung, den 23jährigen wegen Freiheitsberaubung, Beihilfe zum Mord und wegen Mordes durch Unterlassen. Der Prozeß wird am 8.1.1992 vor der Jugendkammer des Landgerichts Hof eröffnet.
Dabei geht die Anklage von folgendem Tatverlauf aus:
Die Angeklagten hielten sich am Vorabend in einer Diskothek in Hof auf. Gegen Mitternacht brachten sie zunächst zwei Begleiter nach Hause Anschließend fuhren sie in dem vom älteren Angeklagten gesteuerten Wagen nach Hof.
Dort bemerkten sie auf einer vierspurigen Straße Martina L., die sich in ihrem Auto auf dem Heimweg nach Naila befand. Sie fuhren ein ganzes Stück neben der Frau her, vorher versuchte der Jüngere sie "anzumachen". Beide verfolgten die Frau über mehrere Kilometer und machten mit der Lichthupe auf sich aufmerksam.
Außerhalb der Stadt hielt die 25jährige an, drehte die Seitenscheibe herunter und beschimpfte die beiden Männer, die inzwischen ebenfalls ihr Fahrzeug gestoppt hatten. Der heute 19jährige Hauptangeklagte stieg, so die Anklage, aus, riß die Fahrertür des Wagens der Frau auf und zerrte sie aus dem Fahrzeug. Anschließend schlug er sie, dabei fiel sein Opfer mit dem Kopf auf dem Asphalt und erlitt eine schwere Kopfverletzung. Dann forderte er die benommene Frau auf, sich auf den Rücksitz des Wagens der beiden jungen Männer zu setzen. Die völlig verängstigte 25jährige tat dies aus Angst um ihr Leben.
Dann begann eine Irrfahrt durch die Umgebung von Hof. Mit ihrem weinenden Opfer fuhren die zwei Männer schließlich in einen Wald in der Nähe von Konradsreuth. Dort machte der ältere Angeklagte seinem damals 18jährigen Freund wegen seines Verhaltens Vorwürfe. Als die Frau den Wagen verlassen wollte, schlug der Schweißer mehrmals auf sie ein. Die Krankenschwester fiel zu Boden und erlitt weitere Verletzungen am Kopf und Körper. Der 19jährige Hauptangeklagte zog, so die Schilderungen seines Freundes in den Vernehmungen, die benommene Frau wieder hoch und setzte sie au den Beifahrersitz. Während die beiden weiterfuhren, fesselte der Schweißer sein Opfer mit einer Schnur an den Händen. Tiefer im Wald verließ der Ältere das Fahrzeug, während sein Freund die junge Frau vergewaltigte.
Das Angebot der Krankenschwester, niemandem etwas zu erzählen, wenn sie zu ihrem Fahrzeug zurückgebracht werde, lehnte der 19jährige mit den Worten ab: "Das kannst Du vergessen". Laut Anklage legte er ihr dann die Schnur um den Hals und zog solange zu, bis sie tot war. Der Ältere holte sie aus dem Wagen, legte sie auf den Waldboden und bedeckte die Leiche mit Reisig. Drei Tage später kehrte der 19jährige an den Tatort zurück und verbrannte die Tote. Dort wurde das Skelett erst 3 Monate nach der Tat gefunden.
Der 19jährige Haupttäter schreitet jede Beteiligung am Mord ab und bezichtigt sein Freund als Lügner und alleinigen Täter. Der zweite Angeklagte wiederholt auch vor Gericht seine Aussagen, die bereits im Polizeiverhör gemacht hatte. Er belastet den Schweißer aus Konradsreuth schwer und als Mörder von Martina L.
Der für den Mordfall zuständige Kriminalbeamter bestätigt vor Gericht, daß die Angaben der beiden Angeklagten vor Gericht weitgehend mit denen nach ihrer Festnahme übereinstimmen. Danach bestritt der des Mordes angeklagte 19jährige Schweißer bei der Polizei jegliche Beteiligung an der Tat. Der mitangeklagte 23jährige Färber schob dagegen alle Schuld am Tod der Frau auf seinen Freund.
Belastet werden beide Angeklagte durch die Handtasche ihres Opfers, die nach der Fahndung in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" durch die Polizei gesucht wurde. Der Vater des 23jährigen hatte sie am Nachmittag nach der Tat in seinem Wagen, der zur Tatzeit von seinem Sohn benutzt worden sein soll, gefunden.
Der 23jährige Färber hatten in seiner Aussage eingeräumt, die Tasche noch am selben Tag auf der Autobahn Nürnberg-Berlin aus dem fahrenden Auto geworfen zu haben. Dort hatte die Polizei im September 1990 nach der Festnahme der Angeklagten die Handtasche gesucht und gefunden. Die Tasche gehörte aufgrund der Ermittlungen zweifelsfrei der Krankenschwester, sagt der Beamte vor Gericht aus. Die Polizei stellte in der Nähe der Fundstelle der Tasche dann auch andere Gegenstände sicher, die dem Opfer gehörten, unter anderem den Wagenschlüssel. Durch die TV- Ausstrahlung und dem Fahnundungsaufruf nach der Tasche wurde einer Angeklagten von seinem Vater zur Rede gestellt, der sich noch genau an diese Tasche erinnern konnte.
Eine Zeuge erinnert sich, dass er 1 Tag nach der Tat den Älteren am Tatort an der Landstraße zufällig getroffen hatte. Er hatte angegeben, dass er dort seine Geldbörse suchte. Zur Begründung hatte er gesagt, er habe sie möglicherweise dort verloren, als er in der Nacht auf dem Waldweg mit seinem nicht zugelassenen Auto Rallye gefahren sei. Auch er hatte die Sendung Aktenzeichen xy gesehen und sich dann bei der Polizei gemeldet, da er einen Zusammenhang vermutete.
Auch die Freundinnen der Angeklagten sagen aus. Sie lernten die beiden jungen Männer erst wenige Wochen vor deren Festnahme kennen. Vom Mord in der Nacht zum 25. März 1990 wollen beide Frauen erst durch die Fahndung in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" am 7. September erfahren haben.
Aus nur "drei Wochen glücklicher Ehe" berichtete die inzwischen geschiedene Frau des Hauptangeklagten. Sie habe jedoch den Glauben, daß er es nicht war. Die Freundin des mitangeklagten Färbers will auch erst nach der Festnahme erfahren haben, daß der 23jährige an der Tat beteiligt war. Er habe ihr gegenüber danach immer wieder beteuert, daß er die Krankenschwester nicht getötet habe. Auch habe sie nicht gewußt, dass ihr Freundin eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung verbüßt habe und erst kurz vor der Tat an der Krankenschwester entlassen worden war.
Ein Mithäftling des Hauptangeklagten wurde ebenfalls vorgeladen. Der 50jährige, den die Justizvollzugsanstalt in Bayreuth als Schreiber eines anonymen Briefes an den Vorsitzenden Richter ausgemacht hatte, bestritt unter Eid, die belastenden Zeilen über den 19jährigen verfasst zu haben. Das Gericht hatte ihm zuvor den Text des zweiseitigen Briefes diktiert und beim Vergleich mit dem Original mehrere übereinstimmende Rechtschreibfehler festgestellt. In dem Brief war der Schweißer als eiskalt, verlogen und sexuell verklemmt dargestellt worden. "Sollte dieser Mensch freikommen, wäre dies ein großes Fehlurteil", hieß es darin.
Die Kammer bestellte am vierten Verhandlungstag einen Sachverständigen, der die Schuldfähigkeit der beiden jungen Männer beurteilen soll. Er attestiert die volle Schuldfähigkeit der beiden Angeklagten. Trotz der Brutalität der Tat und dem sexuellen Hintergrund habe er kein abnormales Verhalten feststellen können.
Im Plädoyer der Anklage hält der Staatsanwalt beide Angeklagte für schuldig. Sie beantragt für den 19-jährigen Schweißer eine Jugendstrafe wegen Mordes von neun Jahren. Der bereits wegen zweifacher Vergewaltigung vorbestrafte 23jährige Färber soll nach den Vorstellungen der Anklage wegen Beihilfe zum Mord und wegen Mordes durch Unterlassung eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen. Er hätte den Tod der jungen Frau verhindern können und müssen. Laut Staatsanwalt haben beide Angeklagte die Krankenschwester nachts auf der Heimfahrt mit dem Auto verfolgt. Als die Frau angehalten habe, um die Männer zur Rede zu stellen, habe sie der jünger aus ihrem Wagen gezogen, geschlagen und in den Pkw seines Freundes gezerrt.
Nach mehrfachem Standortwechsel habe sie dann der Jüngere vergewaltigt und schließlich erdrosselt. Die Leiche ließen sie im Wald zurück. Tags darauf sei einer der beiden zum Tatort zurückgekehrt und habe die Tote verbrannt. Aber auch die Anklage räumt ein, dass selten in einer Hauptverhandlung so viele Widersprüche geblieben seien. Er warnt davor, den Geständigen zu verurteilen und den Hauptangeklagten, weil er die Tat bestreitet, freizusprechen. Schließlich sei er der Mann, durch dessen Hände die junge Krankenschwester, die gerade vor einem Neuanfang in ihrem Leben stand und auf grausamer Weise aus dem Leben gerissen wurde, gestorben ist.
Der Anwalt der Nebenkläger beantragt als Sühne für dieses grausamer und schrecklicher nicht vorstellbare Verbrechen für den 20jährigen Haupttäter die Höchststrafe von zehn Jahren und zudem lebenslange Haft für den älteren Angeklagten.
Der Verteidiger forderte für den 20jährigen Hauptangeklagten, der jegliche Beteiligung an der Tat bestritten hat, Freispruch. Der Anwalt des 23jährigen plädierte für eine begrenzte Freiheitsstrafe wegen Freiheitsberaubung.
Am 13. Februar 1992 spricht die Jugendstrafkammer am Landgericht das Urteil: Freispruch für den 20jährigen Hauptangeklagten und zehn Jahre Freiheitsstrafe wegen u.a. Mordes durch Unterlassung für den mitangeklagten 23jährigen. Trotz mehrerer Versionen, so die Jugendkammer des Landgerichts, stehe fest, daß der 23jährige Färber aus Konradsreuth auf jeden Fall an dem Verbrechen beteiligt war. Dem 20jährigen Schweißer konnte die Tat dagegen nicht nachgewiesen werden. Ungeklärt blieb damit nach Ansicht des Gerichts, wer die 25jährige am 25. März 1990 nun wirklich ermordet hat.
Fest stehe nur, daß die Krankenschwester in der Nacht zum 25. März mit einem Strick erdrosselt wurde, nachdem der 23jährige sie in seine Gewalt gebracht hatte. Erwiesen ist auch, so das Gericht, daß der 23jährige mit ihr in ein Waldstück in der Nähe seines Heimatortes gefahren ist. Der wichtigste Punkt, wann, warum und durch wen die Frau getötet wurde, blieb auch während der Beweisaufnahme offen.
Über den Tathergang selbst gebe es, wie die Kammer einräumt, verschiedene Versionen. Der 23jährige behautete, sein Freund sei der Täter gewesen und er habe lediglich zugeschaut. Die andere im Prozeßverlauf erwogene Version geht davon aus, daß beide die 25jährige gemeinsam töteten.
Den Schuldspruch "Mord durch Unterlassung" leitet das Gericht aus der Tatsache ab, daß der 23jährige nicht eingriff, als die Frau - durch wen auch immer - umgebracht wurde. Erschwerend kam hinzu, daß der 23jährige meinte, mit dem Tod der Frau werde seine vorausgegangene Straftat - die Verschleppung der Krankenschwester - verdeckt. Damit erfülle er den Tatbestand des Mordes, auch wenn er das Verbrechen möglicherweise nicht selbst beging.
Dem Hauptangeklagten sei eine Beteiligung nicht nachzuweisen. Belastend sei nur die Aussage des Mitangeklagten. Seine Aussagen wiesen jedoch Widersprüche auf und können daher nicht für eine Verurteilung wegen Mordes ausreichen. Aus Sicht der Kammer sind seine Angaben als eine Schutzbehauptung einzustufen. Zeugen haben im Prozeß nur den 23jährigen belastet, er wurde von einem Zeugen am Tatort gesehen und bei ihm wurde die Tasche des Opfers gefunden- nur ihm sei eine Tatbeteiligung mit Sicherheit nachzuweisen.
Noch während der Urteilsbegründung kommt es Tumulten und Pfuirufen im Gerichtssaal, so dass die Verhandlung sogar für ein paar Minuten unterbrochen werden muss.
Ein etwas merkwürdiges Urteil und aus juristischer Sicht auch unbefriedigend. Auch wenn der Tatablauf nicht 100% geklärt werden konnte, hat sich die Tat wohl anders abgespielt als im Filmfall dargestellt. Der Zeuge, der um halb 4 (Sommerzeit) die Landstraße befahren hat und ausgestiegen ist, hat mit einem der beiden Angeklagten gesprochen. Zudem hatte er angegeben, dass auf dem Beifahrersitz eine Frau saß. Das muss Martina L. gewesen sein, die aber bereits zu diesem Zeitpunkt schwerverletzt oder gar bewußtlos war. Geirrt hat sich der Zeuge jedoch bzgl. des Insassen im Golf, der an ihm vorbeigefahren ist. Das kann nicht das Opfer gewesen sein. Zudem muss die Krankenschwester über mehrere Stunden Todesängste ausgestanden haben, da der oder die Täter zunächst ziellos durch die Gegend gefahren sind. Die 25jährige wurde in dieser Zeit schwer misshandelt, der Körper und hauptsächlich der Kopf wiesen schwere Verletzungen auf, die ante mortem zugefügt wurden. So hat sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Tat abgespielt, die hauptsächlich auf der Aussage des Verurteilten basiert.
Ergebnis dieses Urteils ist, dass bis heute nicht feststeht, wer Martina L. wirklich ermordet hat. Der Hauptangeklagte, der von seinem Freund als unmittelbarer Täter beschuldigt wurde, wurde freigesprochen- er ist somit als unschuldig anzusehen. Der zweite Angeklagte, der von der Kammer verurteilt wurde, hat sich „nur“ durch Unterlassen schuldig gemacht-d.h. er hat bei der Tötung- wie sich Juristen in Hochdeutsch ausdrücken- nicht selbst Hand angelegt.
Wessen Hände für die Ermordung der 25jährigen Krankenschwester verantwortlich sind, werden wir wohl nie erfahren...
Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 22.04.2014 10:59von Jiri Brei • 618 Beiträge
Vielen Dank für die sehr ausführliche Hintergrund-Recherche!
Es kann jeder für sich selbst Überlegen, ob es ausgesprochen dumm oder ausgesprochen kaltblütig ist, nachdem der genannte Zeuge einen Beteiligten und den BMW gesehen hat, sich noch zu so einer Tat hinreissen zu lassen.
Die Nähe der Ablagestelle zum Wohnort spricht für schiere Dummheit, die Rückkehr an den Tatort zur Spurenbesitigung an der Leiche jedoch für absolute Kaltblütigkeit...
Ping
Mord verjährt nicht.
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 23.04.2014 13:13von Oma Thürmann • 766 Beiträge
Vielen Dank an Bastian für die interessanten Hintergrund-Informationen!
Hier das Filmfall-Personal:
Marietta Meade als Martina L. – Birgit Bücker als deren Freundin – Michael Seyfried als Disco-Gast
Franz-Günther Heider als Möbelverkäufer – Bertram Edelmann als Arzt – nicht ganz gesichert, aber höchstwahrscheinlich Rainer Bellersheim als Zeuge
Auch die neuen Blumen wird Heidi B. mit sich herumtragen, bis sie verwelkt sind.
Sie besitzt keine Vase und auch keinen Platz, wohin sie die Blumen stellen könnte. (19.06.1970, FF 2)
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 26.04.2014 02:41von bastian2410 • 1.678 Beiträge
RE: FF 3 07.09.1990 (Kripo Hof) Mord an Martina L.
in Filmfälle 01.05.2014 21:34von TheWhite1961 • 1.160 Beiträge
Bitte geben Sie einen Grund für die Verwarnung an
Der Grund erscheint unter dem Beitrag.Bei einer weiteren Verwarnung wird das Mitglied automatisch gesperrt.
Besucher
0 Mitglieder und 2 Gäste sind Online Besucherzähler Heute waren 2 Gäste online. |
Forum Statistiken
Das Forum hat 1827
Themen
und
21150
Beiträge.
|
Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |