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07.09.2001 SF 4 (Interpol Wien) Mord an Gianmaria Vitali

in Studiofälle 09.08.2023 20:53
von bastian2410 • 1.678 Beiträge

Breaking- News quasi: Dieser Studiofall aus dem Jahr 2001 wurde (teilweise) erst im April aufgeklärt. Bereits 2019 wurden zwei Mittäter in Graz zu langen Haftstrafen verurteilt. Aber: Es gab auch einen Freispruch

Gianmaria Vitali stammte aus dem oberitalienischen Ort Malo in der Provinz Vicenza in Venetien und wohnte in der Slowakei. Am 13. Juli 2001 fuhr er mit dem D- Zug 404 von Bratislava nach Wien. Eine Bahnfahrkarte hatte er am selben Tag in Bratislava gekauft. Die Reiseroute konnte ziemlich genau rekonstruiert werden. So fuhr der D- Zug 404 von Bratislava über Kittsee nach Wien Südbahnhof- Ankunft 19.14 Uhr. Hier stieg er vermutlich in ein Auto und setzte so seine Fahrt nach Italien fort. Das ist ziemlich wahrscheinlich, denn er wurde um kurz nach 22 Uhr an der Raststätte Loipertshof beim Essen gesehen. Der Rastplatz liegt an der Südautobahn am Rande des Burgenlandes.

Am Samstag, dem 14. Juli 2001, findet ein Radfahrer aus Sinbabelkirchen in der Nähe der Autobahnabfahrt in Ilz einen toten Mann. Der Tatort liegt nur 40 km von der Raststätte Loipertshof entfernt. Der Tote liegt auf dem Rücken, bekleidet mit Jeans und einem blauen Hemd. Schnell ist die Identität des Toten geklärt, da seine Ausweispapiere gefunden werden. Es ist der 47-jährige Gianmaria Vitali. Auch ist schnell klar, dass der Mann Opfer eines brutalen Verbrechens geworden war, da die Gerichtsmediziner den Tatablauf anhand der Verwundungen rekonstruieren können. Für die Kriminalisten ist es eine regelrechte Hinrichtung. Vitali darf noch eine Zigarette rauchen. Dann stechen ihm die Täter mit einem Stilett mehrmals in die Wirbelsäule. Das Opfer kann sich nicht mehr bewegen. Er kniet vor seinen Peinigern, als sie ihm die Pistole an die Schläfe setzen und ihm mit einem Neun-Millimeter-Geschoss in den Kopf töten. Ein Mord in Mafia-Manier.

Die Ermittler nehmen an, dass das Opfer gegen 19 Uhr am Südbahnhof Wien höchstwahrscheinlich von seinen späteren Mördern abgeholt wurde. Ein Zeuge meldet sich und berichtet der Kripo, dass er am Tatort einen dunklen Kombi mit drei Männern beobachtet hatte. Nach der Beschreibung des Zeugen muss einer der Insassen Vitali gewesen sein.

Schon bald verfolgen die Mordermittler mehrere Spuren in Richtung Italien und Slowakei. Die Ermittlungen ergeben, dass der Italiener in dubiose Geschäfte verwickelt war. Die Spuren führen in die slowakische Unterwelt. Er war bei einem Textilhändler als Kraftfahrer beschäftigt, als er von einer neapolitanischen Verbrecherbande überfallen wurde. Danach hat ihn der Chef entlassen.

In der Slowakei lebt seine Freundin Ljudmila B. - eine Nobelprostituierte. Ende 1999 hatte sich der Italiener in die Slowakin verliebt und erhoffte sich sogar eine Ehe. Die Frau war allerdings weniger an einer echten Liebesbeziehung interessiert, sondern nahm ihn nach Ansicht der Ermittler aus wie eine Weihnachtsgans. Der verliebte Mann zahlte und zahlte, obwohl er bald kein Geld mehr hatte und seine Verwandten um Geld bitten musste. Gianmaria Vitali hatte kurz vor seinem Tod zugunsten der Tochter seiner slowakischen Freundin eine Lebensversicherung (2,9 Millionen Schilling) abgeschlossen. Außerdem hatte Ljudmila ihrem Liebhaber dessen gesamte Erbschaft herausgelockt. Vitali erstattete Betrugsanzeige- diese zog er jedoch kurz vor seinem Tod zurück.
Allerdings hat die Frau ein Alibi - sie war mit ihrem Freund zur Tatzeit im Urlaub in Mexiko. Die weiteren Ermittlungen verlaufen ins Leere- auch die Spur nach Italien zu einer Mafia-Organisation bringen die Ermittler nicht weiter.

Zwei Monate nach der Tat wendet sich die Kripo an die Zuschauer von Aktenzeichen xy. Gesucht werden vor allem Zeugen, die das Opfer auf der Bahnfahrt nach Wien gesehen haben oder Beobachtungen am Tatort gemacht haben. Aber konkrete Hinweise gehen nicht ein.

Etwas Bewegung kommt Ende 2004 in den Fall, als in Klagenfurt ein Slowake neben der Südautobahn ermordet wird. Auch dieses Opfer wird knieend ermordet. Tatwaffe: Ebenfalls eine Pistole des Kalibers Neun-Millimeter. Dieser Mann wird auch zuerst mit einem spitzen Gegenstand außer Gefecht gesetzt. Der einzige Unterschied: Er muss sich nackt ausziehen, Vitali nicht. Beim Italiener wird der Reisepass gefunden, den Ausweis des slowakischen Opfers haben die Täter verschwinden lassen. Deshalb dauert es fast dreieinhalb Jahre, bis die Identität des Erschossenen festgestellt und das Verbrechen geklärt werden konnte. Als die Täter gefasst werden, können sie als Täter im Fall Vitali ausgeschlossen werden.

2008 wird die Cold-Case-Gruppe des Bundeskriminalamtes in der Steiermark gegründet und rollt den Fall Vitali neu auf. Neue Ermittler befassen sich jetzt dem Mordfall, die unvoreingenommen an die Sache herangehen können und denen dabei vielleicht etwas auffällt, was möglicherweise zuvor übersehen wurde. Aber erst 2015 gelingt durch Zufall der Durchbruch in diesem Fall. Ein drogensüchtiger Häftling, der in der Slowakei im Gefängnis sitzt, erzählt, dass er Einzelheiten von einem Mord in Österreich weiß und nennt die Namen von mehreren Verdächtigen- die slowakischen Ermittler kontaktieren die österreichischen Behörden. Die steirischen Mordermittler stellen fest, dass es sich um den ungeklärten Fall Vitali handelt. Das LKA Steiermark befragt in Begleitung eines Staatsanwaltes den Informanten im Gefängnis. Auch die genannten Personen wurden überprüft.

Die Spur führt zur Freundin des Italieners, der 57-jährigen Ljudmila B., ihres Ex-Schwagers Michael B., Miroslaw D. und Igor P. Zwei der Genannten sollen die unmittelbaren Täter gewesen sein, einer besorgte die Waffe und war am Tatplan beteiligt, die Frau soll den Auftrag dazu gegeben haben. Die Lebensgefährtin hatte im Namen ihrer Tochter eine Lebensversicherung auf Gianmaria Vitali abgeschlossen. Als er kein Geld mehr hatte, erstattete er Anzeige gegen Ludmila B. Das war offenbar sein Todesurteil. Denn die 58-Jährige soll daraufhin ihren Ex-Schwager Michal B. und dessen zwei Freunde mit der Tat beauftragt haben. Die Slowakin sonnte sich in der Zwischenzeit mit ihrem neuen Liebhaber am Strand in Mexiko.

Alle vier Personen werden verhaftet. Igor P. wird in Ungarn verhaftet und nach Österreich ausgeliefert. Ljudmila B., Michael B. und Miroslaw D. werden in der Slowakei verhaftet, aber zunächst wird nur D. ausgeliefert. Die Behörden in Bratislava verweigern die Auslieferung von Ludmila B. und Michael B. aus formalen Gründen. Das Original des Haftbefehls soll zu spät angekommen sein. Beide Tatverdächtigen werden sogar aus der Haft entlassen. Gegen beide werden europäische Haftbefehle beantragt. Die Behörden in Österreich rufen den Europäischen Gerichtshof an, der über die Auslieferung nach Österreich entscheiden muss. In der Slowakei verjährt Mord nach 20 Jahren, dh eine Auslieferung nach dem 13. Juli 2021 wäre nicht mehr möglich.

Am 2. Dezember 2019 wird in Graz zunächst der Prozess gegen Miroslaw D. und Igor P. wegen Mordes und Beihilfe dazu eröffnet.

Laut Anklage hat Ludmila B. den Mord an ihrem italienischen Freund in Auftrag gegeben. Der 56-jährige Igor P. soll für die Planung der Tat verantwortlich gewesen sein und das Auto und die Schusswaffe besorgt haben. Die Tat selbst sollen Michael B. und Miroslav D. ausgeführt haben. Sie sollen Vitali am 13. Juli 2001 unter einem nicht bekannten Vorwand am Wiener Südbahnhof aus dem Zug gelockt und ihn überredet haben, zu ihnen ins Auto zu steigen. Das war sein Todesurteil. Das Motiv für den Auftragsmord war laut Staatsanwaltschaft Habgier. Denn die Frau, so die Staatsanwaltschaft, verlangte immer mehr, und so schloss er schließlich eine Lebensversicherung zugunsten ihrer Tochter ab und finanzierte auch noch eine Wohnung. Dort durfte er nicht einziehen, und irgendwann reichte es ihm. Er drohte mit einer Betrugsanzeige, was sein Todesurteil gewesen sein dürfte- denn danach soll Ljudmila B. drei Männer mit seiner Ermordung beauftragt haben. Die Frau besitzt in der Slowakei mittlerweile eine Schönheitsklinik. Zur Absicherung hatten die vier Komplizen damals ein Video aufgenommen, in dem der Plan besprochen wurde. Jeder bekam eine Kopie, was sicherstellen sollte, dass nie einer reden würde. Doch die Frau zahlte die Männer nicht wie verabredet aus, also drang irgendwann doch etwas nach außen.

Die Verteidiger der beiden Angeklagten betonen in ihren Eröffnungsvorträgen, dass ihre Mandanten unschuldig seien. Die Anklage basiere auf Aussagen von Zeugen, die nicht unbedingt glaubwürdig seien. „Ihre Mandanten haben mit der Sache aber schon gar nichts am Hut.“

Die Verteidigung betont zudem, dass „Substrat der Aktenmenge ist sehr gering". Man müsse genau hinschauen, „was es überhaupt für Beweise gibt". Am Tatort wurden damals lediglich zwei Zigarettenstummel gefunden. Einer konnte dem Opfer zugeordnet werden, die DNA-Spuren auf dem zweiten passten zu keinem der Verdächtigen. „Eine Spur nach Italien ist nie verfolgt worden", rügt der Verteidiger.

Teil 2: Die Fortsetzung der ersten Verhandlung und der zweite Prozess in Graz gegen Ljudmila B.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
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#2

RE: 07.09.2001 SF 4 (Interpol Wien) Mord an Gianmaria Vitali

in Studiofälle 13.08.2023 02:02
von bastian2410 • 1.678 Beiträge

07.09.2001 SF 4 (Interpol Wien)
Mord an Gianmaria Vitali
Teil 2

Dann werden die Beschuldigten befragt. Igor P., der nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzt, beteuert, er habe mit der Sache nichts zu tun. Von dem Mord an dem Italiener habe er in einer Polizeibar gehört. Dort hätten „betrunkene Ermittler“ über die Tat gesprochen und auch darüber, dass Ljudmila B. darin verwickelt sei. Dort will er auch aufgeschnappt haben, dass gegen die Frau, die als Drahtzieherin gilt, ermittelt wird. Die Anklage sei ein Irrtum: „Die zweite Hälfte meines Lebens ist eine Katastrophe", sagt er aus. „Aber ich habe mit dem Mord nichts zu tun, ich war nicht behilflich."

1995 habe er Michael B. in einer kleinen Disco in der Slowakei kennengelernt. Er habe als Autohändler gearbeitet und den Beschuldigten zufällig kennengelernt. Arbeiten wollte er aber nicht für ihn. Dass er immer wieder wegen kleinerer und größerer Straftaten verurteilt wurde, leugnet er nicht.
Auf die Frage der Richterin, wo er am Tag der Tat gewesen sei, sagt er: „Ich kann mich nicht erinnern, aber ich war damals jahrelang nicht im Ausland.“
Dann sagt der Afghane aus, der in den Mordfall damals den Hinweis auf einen der Täter gegeben hatte. 2004 soll Miroslav D., mit dem er gut bekannt ist, in einem Pub ausgepackt haben. Er sei wütend gewesen, weil er seinen Anteil nicht bekommen hätte. Demnach war der verliebte Italiener wegen einer Lebensversicherung im Auftrag der Slowakin beseitigt worden. Mit „sie“ sei jene Slowakin gemeint, die vor 18 Jahren eine Beziehung mit dem Italiener Gianmaria Vitali hatte. Deren Schwager und D. sollen das dann auch prompt erledigt haben. Von diesem Wissen wollte der Afghane profitieren, um 2016 eine Hafterleichterung zu bekommen, da er zwölf Jahre wegen eines Drogendelikts absitzen muss.

Danach ist auch ein steirischer Ermittler geladen, der erst etwas später zu dem Fall dazu gekommen war. Er sei als stellvertretender Chef der Abteilung auf den Fall gestoßen und habe sich dann weiter informiert. Dann habe er von einem Zeugen, der in der Slowakei im Gefängnis sitzt, gehört, der Angaben über die Tat machen könnte. Die Vermutung war, dass der Häftling von einem Tatbeteiligten etwas gehört hatte. Er habe Einzelheiten erzählt, die nie in der Presse waren und die nur der Täter gewusst haben kann. Der Häftling konnte auch die „Hinrichtung" des Opfers beschreiben: „Er durfte noch rauchen, dann ist er mit einer Pistole exekutiert worden." Die Tatwaffe soll nach Angaben des Zeugen in der Nähe des Tatortes vergraben worden sein, konnte aber nicht gefunden werden.

Als Zeuge wird auch der italienische Arbeitgeber des Toten, bei dem er in der Slowakei gearbeitet hatte, gehört. „Gianmaria habe für mich gearbeitet und oft von seiner Freundin erzählt. Die Frau hatte das Opfer wegen bezahlter Dienstleistungen kennengelernt- sie habe nämlich als Prostituierte gearbeitet.“ Er und Kollegen hätten Gianmaria gewarnt. Der Italiener habe der Frau nämlich eine Wohnung finanziert, in die er aber nicht hineindurfte. „Er war bei der Arbeit übermüdet, wie ferngesteuert", erinnert sich der Zeuge. Das lag unter anderem daran, dass der Arbeiter in der von ihm finanzierten Wohnung nicht einziehen durfte, sondern „am Gang vor der Wohnung" schlafen musste. Der Zeuge weiß auch von einer Lebensversicherung zu berichten, die sein Mitarbeiter für die Tochter seiner Freundin abgeschlossen hatte. „Wir haben Gianmaria gesagt, er soll so schnell wie möglich heimfahren, er ist in Gefahr. Aber er war unsterblich in sie verliebt und blauäugig, konnte die Situation nicht einschätzen. Ein paar Tage, nachdem ich ihm Geld für ein Ticket nach Hause geborgt habe, erfuhr ich dann von seinem Tod.“

In seinem Plädoyer fordert der Staatsanwalt eine Verurteilung wegen Mordes für Miroslav D. und für Igor P. eine Verurteilung wegen Beihilfe zu Mord. Es sei eine regelrechte Hinrichtung gewesen: Gianmaria Vitali aus dem oberitalienischen Ort Malo durfte noch eine Zigarette rauchen. Dann musste er sich niederknien. Durch einen Stich in das Rückenmark wurde er gelähmt. Ein angesetzter Kopfschuss beendete schließlich das Leben des Italieners. Das war in der Nacht zum 14. Juli 2001 auf einem Feldweg neben der Südautobahn in Sinabelkirchen. Laut Staatsanwaltschaft hat Ljudmila B. den Mord an ihrem Geliebten aus Habgier in Auftrag gegeben. Es ging nicht nur um die Lebensversicherung, die Vitali für die Tochter von Ljudmila B. abgeschlossen hatte. Es ging auch um hohe Summen Bargeld, das der Italiener der Slowakin für den Kauf einer Wohnung in der Slowakei übergeben hatte. B. behielt das Geld für sich. Als Vitalis Ersparnisse aufgebraucht waren, wollte die Slowakin die Lebensversicherung kassieren. Damit war das Schicksal Vitalis besiegelt.
Als das Opfer am 13. Juli 2001 mit dem Zug aus Bratislava am Wiener Südbahnhof eintraf, wurde er bereits von Micheal B. und Miroslav D. erwartet. Die beiden waren bereits eine Woche zuvor mit einem Auto und der Tatwaffe – beides hatte Igor P. besorgt – nach Österreich eingereist. Das gehörte zu ihren Mordplänen.

Am Südbahnhof überredeten sie Vitali, nicht mit dem Zug, sondern mit ihnen im Auto nach Italien zu reisen. Unter dem Vorwand, übernachten zu wollen, fuhren sie in Sinabelkirchen von der Südautobahn ab. Am Morgen des 14. Juli 2001 wurde die Leiche des Italieners am Rande des Feldweges aufgefunden.
Die Beweisaufnahme hätte bewiesen, dass beide Angeklagten ihren Tatbeitrag zu dieser Hinrichtung ausgeführt haben- belegt durch Zeugenaussagen. Beide sind daher entsprechend der Anklage zu verurteilen.

Beide Verteidiger fordern für ihre Mandanten Freisprüche. Die Angeklagten seien Bauernopfern der Polizei und der Justiz. Hier sitzen die Falschen, beide seien unbedingt freizusprechen. Sie führen aus, wie unglaubwürdig die Zeugen teilweise seien. Die Verteidiger widersprechen somit der Anklage, die ihrer Meinung nach nur auf Indizien und Aussagen Krimineller beruhe. Auf die Aussage eines Drogendealers, der nur aus persönlichen Interessen und zu Unrecht die beiden Angeklagten belastet habe.

Im Dezember 2019 werden beide Angeklagten von dem Geschworenengericht des Grazer Straflandesgerichts einstimmig schuldig gesprochen. Miroslav D. wird wegen Mordes zu 18 Jahre, Igor P. wegen Beihilfe zu 17 Jahre Freiheitsstrafe verurteilt.
Auch nach diesem Urteil wartet die Grazer Staatsanwaltschaft immer noch auf die Auslieferung von Ljudmila B. und Micheal B.- beide befinden sich trotz eines europäischen Haftbefehls in der Slowakei auf freien Fuß.

Der Europäische Gerichtshof schaltet sich ein und entscheidet, dass beide Verdächtige nach Österreich ausgeliefert werden müssen. Da bereits 2019 auch gegen die beiden Flüchtigen Anklage erhoben wurde, sei das Delikt noch nicht verjährt.
Ljudmila B. und deren Ex-Schwager Michael B. werden verhaftet und im September 2022 an die österreichischen Behörden ausgeliefert. Beide befinden sich nach ihrer Auslieferung in der Justizanstalt Graz-Jakomini in Untersuchungshaft.

Im Januar 2023 findet der Prozess vor dem Geschworenengericht des Grazer Straflandesgerichts statt. Die Anklage wirft Ljudmila B. Anstiftung zum Mord vor, Michael B. Mord.

Die Anklage steht nach Ansicht der Verteidiger auf einem äußert dünnen Eis. Die Angeklagten hätten mit der Tat nichts zu tun. Diese Geschichte habe nichts mit der Realität zu tun.

Die Angeklagte sagt aus, sie fühle sich nicht schuldig. Gianmaria wollte eine Wohnung kaufen, um Geld für das Hotel zu sparen, sie habe ihn nicht dazu gedrängt, erklärt die Frau. „Die Wohnung soll für ihre Tochter bestimmt gewesen sein, stimmt das?", fragt die Richterin. „Nein, er wollte sie für sich haben." Der Mann hatte seine Freundin bereits angezeigt, weil sie immer mehr Geld von ihm verlangt habe, zog die Anzeige aber zurück. Er soll sich geäußert haben, dass er sich vor ihr fürchte und um sein Leben bange, hält die Richterin der Angeklagten vor. „Das stimmt alles nicht", wehrt sich die Beschuldigte.

Sie bestätigt, dass beide Partner eine Lebensversicherung abgeschlossen hätten, und zwar zugunsten ihrer Tochter. „Wir wollten etwas Gemeinsames haben", lautet ihre Begründung. Als die Beziehung in die Brüche geht, kündigt sie die Versicherung sofort. Seine blieb bestehen und kam mit seinem Tod zum Tragen. „Warum haben Sie Ihre Versicherung gekündigt, es war ja Ihre Tochter die Begünstigte", interessiert die Vorsitzende. "Ich wollte nichts Gemeinsames mehr", antwortet die Angeklagte.

Interessant zu erwähnen ist, dass die Tochter des Mitangeklagten ihren Vater schwer belastet. 2012 habe ihr der Vater von etlichen Straftaten berichtet – darunter auch vom Mord an Gianmaria Vitali. Er habe ihr erzählt, dass er einer der Täter im Fall Vitali sei. „Ich liebe ihn, aber er war's. Recht muss Recht bleiben“. Zudem habe er behauptet, dass Ludmila B. unschuldig sei und von der Bluttat nichts gewusst habe, so Nikoleta B.

Mitte Januar wird der Prozess bis Mitte März vertagt. Einer der Zeugen, der auch in diesem Prozess aussagen soll, wurde Ende des Jahres an der A4 bei Schwechat in Niederösterreich tot aufgefunden. Die Leiche war völlig nackt und von mehreren Fahrzeugen überrollt worden. Die Kleidung des Mannes wurde auf einer nahen Böschung gefunden. Der Zeuge hatte damals in der Slowakei in der Haft ausgesagt, dass er vom dem Mordkomplott erfahren hatte und die Angeklagten schwer belastet-u.a. soll Ljudmila B. die Auftraggeberin gewesen sein. Nach Ansicht der Anklage wurde der Zeuge beseitigt und dann auf der A4 abgelegt. (die genauen Umstände sind bis heute noch nicht aufgeklärt)

Der Staatsanwalt spricht in seinem Schlussplädoyer von einem „sehr komplexen Verfahren, weil es lange her ist und es sich um einen eiskalten Auftragsmord" handeln würde. Er sieht eine „Reihe von Beweisen und Zeugenaussagen", die die beiden Angeklagten belasten würden. Vitali, der Geschäfte in der Slowakei machte und sich in die Angeklagte verliebte, erstattete 2001 kurz vor seinem Tod Betrugsanzeige gegen seine Partnerin, die sich von ihm getrennt hatte. Diese Anzeige zog er zurück und beschuldigte die Angeklagten, ihn bei einem gescheiterten Wohnungskauf, um sein letztes Geld betrogen zu haben. Vitali schloss auch eine Lebensversicherung über 206.000 Euro ab, die zwei Jahre nach seinem Tod an die Begünstigte, die Tochter der Angeklagten, ausgezahlt wurde. „Er konnte sich die Versicherung gar nicht leisten. Sie war ein Liebesbeweis. Es gilt als sicher, dass die Angeklagte als Prostituierte gearbeitet hat. Er war blind vor Liebe", sagt der Staatsanwalt.
„Die Tat ist über 21 Jahre her. Und es ist ein Mord wie aus einem Krimi. 2019 wurden zwei Männer wegen dieses Mordes in Graz rechtskräftig verurteilt. Insgesamt sind aber vier Personen beteiligt gewesen mit einer klaren Rollenverteilung: Die Angeklagte ist die Bestimmungstäterin, hat den Auftrag gegeben. Ihr mitangeklagter Landsmann war ein unmittelbarer Täter. Das Motiv der Tat ist Habgier: die Tochter der Angeklagten wurde mit der Versicherung begünstigt. Diese ist nun Geschäftsführerin einer Schönheitsklinik, die ihre Mutter gegründet hat. Wer profitierte durch diese Tat? Die Angeklagte!“, sagt der Staatsanwalt.
Zuletzt hatte der Mann nicht einmal mehr Geld für ein Rückfahrticket in seine Heimat. Sein Chef kaufte es ihm, doch da soll das Komplott gegen ihn schon beschlossen gewesen sein. Ein bereits verurteilter Mittäter der Frau hat dann die Idee gehabt, den Italiener nach Wien zu locken und in der Steiermark zu töten.

Der Verteidiger von Ljudmila B. kontert in seinem Plädoyer: „Der erwähnte Krimi ist nichts anderes als eine Arbeitshypothese. Eine spannende Geschichte, die aber mit der Rolle meiner Mandantin in diesem Mordfall nichts zu tun hat. Sie hat nichts beauftragt, noch gewollt, noch veranlasst. Die Anklage steht auf dünnen Eis. Die Angeklagte sei die einzige Unbescholtene in dem Verfahren und habe mit der Tat nichts zu tun. Sie sei eine erfolgreiche Geschäftsfrau gewesen, von Prostitution könne keine Rede sein. Tatsächlich habe sie selbst, aus eigenen Stücken, die Beziehung zum späteren Opfer beendet, weil er sie mit seiner Eifersucht gequält habe. Außerdem hat meine Mandantin bemerkt, dass Vitali keine seriösen Geschäfte macht, dass er nicht immer auf legalen Wegen unterwegs ist“, so der Verteidiger.

Nichts an den Fakten belastet seine Mandantin: „Die Lebensversicherung lief bereits zugunsten ihrer Tochter. Die Betrugsanzeige richtete sich gegen den Angeklagten. Alle, die seine Mandantin belasten, stammen aus dem Umfeld des Mitangeklagten.“ Den Ermittler aus der Slowakei hält der Verteidiger für korrupt. Im Lichte dieses Verfahrens sei Strafverfolgung in der Slowakei „eine Mischung aus Strafverfolgung, Folklore und Handaufhalten“.

Die Verteidigerin des Angeklagten meint in ihrem Schlussplädoyer, dass sich die Anklage im Wesentlichen auf Zeugenaussagen stützen würde, doch diese Schilderungen seien zum Teil „fragwürdig und beinahe abenteuerlich". Die Ermittlungen in der Slowakei erschienen ihr außerdem „lückenhaft". Sie ist der Meinung, dass sich manche aus Gerüchten etwas zusammengereimt haben, um die beiden zu belasten- die Zeugen, ein Verbrecher, ein Polizei-Informant und ein zwielichtiger Ermittler- unglaubwürdig. Die Tochter des Angeklagten habe ein denkbar schlechtes Verhältnis zu ihrem Vater, aber ein Naheverhältnis zur Tochter der Angeklagten. Deshalb belaste sie ihn und versuche die Frau, die sie „Tante" nennt, zu entlasten. Der Angeklagte habe kein Motiv und sei nur ein "willkommenes Opfer“. Sie betont, im Zweifel sei der Angeklagte freizusprechen.

Am 11.4.2023 spricht das Geschworenengericht das Urteil. Michael B. wird mit 6 zu 2 Stimmen wegen Mordes verurteilt. Er erhält eine Freiheitsstrafe von 19,5 Jahren. Die Angeklagte Ljudmila B. wird freigesprochen. Die Geschworenen konnten sich auf kein Schuldspruch einigen. Das Abstimmungsergebnis lautet auf 4-4. In diesem Fall ist ein Angeklagter in Österreich freizusprechen.
Die beiden letzten Urteile sind noch nicht rechtskräftig.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
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#3

RE: 07.09.2001 SF 4 (Interpol Wien) Mord an Gianmaria Vitali

in Studiofälle 13.08.2023 02:11
von bastian2410 • 1.678 Beiträge

Quelle zum Urteil im zweiten Prozess

Nach 22 Jahren endet der Fall Vitali mit einem Schuld- und einem Freispruch
2001 wurde der Italiener Gianmaria Vitali in Sinabelkirchen ermordet. Am Dienstagnachmittag wurde der Todesschütze zu 19,5 Jahren Haft verurteilt. Die mutmaßliche Auftraggeberin wurde mit 4 zu 4 Stimmen freigesprochen.

22 Jahre ist es her, seit der Italiener Gianmaria Vitali an der Südautobahn in Sinabelkirchen durch einen Stich in den Rücken und einen Kopfschuss ermordet wurde. Für ihre Mitwirkung an dieser Tat wurden 2019 am Straflandesgericht Graz zwei Slowaken zu 18 und 19 Jahren Haft verurteilt. Seit Jänner stehen der mutmaßliche direkte Täter und die ehemalige slowakische Lebensgefährtin des Italieners vor Gericht, die den Mordauftrag erteilt haben soll.

Der Verteidiger der Frau, Gerald Ruhri, verzichtete am Dienstagvormittag auf zwei slowakische Zeugen, die nicht erschienen waren. "Meine Mandantin sitzt seit einem Jahr in U-Haft, sie will endlich ein Urteil", sagte er. Zuvor hatten sich die Angeklagten jahrelang erfolgreich der Auslieferung widersetzt. Im Prozess hatte es eine aufsehenerregende Wendung gegeben, als die Tochter des Angeklagten aussagte, ihr Vater habe ihr gegenüber den tödlichen Schuss gestanden. Die Angeklagte habe damit nichts zu tun.

Unterschiedliche Erzählungen
Staatsanwalt Daniel Weinberger gab den Geschworenen am Ende des "komplexen, langwierigen Verfahrens" eine geradlinige Erzählung von einem "eiskalten Auftragsmord" mit in die Beratung. Vitali, der Geschäfte in der Slowakei machte und sich in die Angeklagte verliebte, erstattete 2001 kurz vor seinem Tod Betrugsanzeige gegen seine Partnerin, die sich von ihm getrennt hatte. Diese Anzeige zog er zurück und beschuldigte den jetzigen Angeklagten, ihn bei einem gescheiterten Wohnungskauf um sein letztes Geld betrogen zu haben. Vitali schloss auch eine Lebensversicherung über 206.000 Euro ab, die zwei Jahre nach seinem Tod an die Begünstigte, die Tochter der Angeklagten, ausgezahlt wurde. "Er konnte sich die Versicherung gar nicht leisten. Sie war ein Liebesbeweis. Er war blind vor Liebe", sagt der Staatsanwalt.

Für die Verteidigerin des Angeklagten waren die Ermittlungen in der Slowakei "lückenhaft und oberflächlich", die Zeugen, ein Verbrecher, ein Polizei-Informant und ein zwielichtiger Ermittler, unglaubwürdig. Die Tochter des Angeklagten habe ein denkbar schlechtes Verhältnis zu ihrem Vater, aber ein Naheverhältnis zur Tochter der Angeklagten. Deshalb belaste sie ihn und versuche die Frau, die sie "Tante" nennt, zu entlasten. Der Angeklagte habe gar kein Motiv und sei nur ein "willkommenes Opfer".

In der dritten Variante der Ereignisse ist die Angeklagte ohne Schuld. Ruhri: "Sie hat nichts beauftragt, noch gewollt, noch veranlasst. Sie hat damit nichts zu tun." Nichts an den Fakten belaste seine Mandantin: Die Lebensversicherung lief bereits zugunsten ihrer Tochter. Die Betrugsanzeige richtete sich gegen den Angeklagten. Alle, die seine Mandantin belasten, stammen aus dem Umfeld des Mitangeklagten. Den Ermittler hält er für korrupt. Im Lichte dieses Verfahrens sei Strafverfolgung in der Slowakei "eine Mischung aus Strafverfolgung, Folklore und Handaufhalten".

Zwiespältiges Urteil
Die Geschworenen folgten keiner der Varianten ganz. Sie sprachen den Angeklagten schuldig des Mordes, er wurde zu 19,5 Jahren Haft verurteilt. Die mutmaßliche Auftraggeberin wurde bei Stimmengleichheit der Geschworenen (4 zu 4 Stimmen) freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ausgabe Kleine Zeitung vom 11.4.2023
https://www.kleinezeitung.at/steiermark/...itali-mit-einem


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
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