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3.12.1976 SF5/ 28.1.1977 SF1 (Kripo Münster) Entführungsfall Snoek

in Studiofälle 21.10.2010 16:49
von bastian2410 • 1.663 Beiträge
Die spektakulärsten Studiofälle in Aktenzeichen xy
Entführung im Münsterland- Der Fall des Springreiters Hendrik Snoek
3.12.1976 SF 5/SF 1 28.1.77 (Kripo Münster) Entführungsfall Hendrik Snoek



Jaja, das beschauliche Münsterland. Eine schöne Gegend, ein Mischung aus jung und alt. Aber immer wieder mal Schauplatz von spektakulären Verbrechen. Wir alle haben noch die Münsterland- Morde aus dem Jahre 1975 in Erinnerung, auch Karen Oehme wurde hier ermordet. Zuletzt machte der Rosenmontags- Vergewaltiger Schlagzeilen, der aus Velen (Landkreis Borken) stammt. Schauplatz einer spektakulären Entführung im November 1976 war Münster. Es war jedoch eine heiße Phase, insgesamt 4 Entführungen innerhalb 8 Wochen bewegten Deutschland Ende 1976.

Am 8. Oktober 1976 wird in Fulda Wolfgang Gutberlet, Mitinhaber zweier osthessischer Supermarktketten (Tegut), entführt, in einer Kiste verschleppt und eine Woche später für zwei Millionen Mark wieder freigelassen. Die drei Täter werden gefasst, das Lösegeld sichergestellt.
Am 19. Oktober 1976 entführen Andreas L. und Joachim M. in Homburg im Saarland den 32 Jahre alten Brauerei- Erben Gernot Egolf (Karlsberg). Eine Lösegeldübergabe (2 Millionen Mark) scheitert. Die Entführer kümmern sich nicht um ihr Opfer, Egolf stirbt an Unterkühlung und totaler Erschöpfung bei einem Gewichtsverlust von 15 Kilo. Seine Leiche wird Anfang Dezember in einem gesprengten Bunker aus dem 2. Weltkrieg bei Birkenfeld in Rheinland- Pfalz gefunden, beide Täter am gleichen Tag gefasst. L. nimmt sich in der U- Haft das Leben. Joachim M. erhält eine lebenslange Haft.
Der Münsteraner Springreiter Hendrik Snoek, Juniorchef einer westfälischen Verbrauchermarktkette (Ratio), wird am 3. November entführt und in der Sprengkammer einer Autobahnbrücke an Ketten gelegt. Fünf Millionen kassieren die Täter, das Opfer wird befreit. (s.u.)
Am 14. Dezember 1976 wird Richard Oetker, Erbe der Backpulver- Dynastie, in Freising entführt. Gegen 21 Millionen Mark Lösegeld kommt er nach 47 Stunden wieder frei. Auch er wird in einer Kiste gefangen gehalten, ein Liegen ist nur in der sogenannten Embryonalhaltung möglich. Durch das ununterbrochene extrem beengte Liegen kommt es zu einer Schädigung der Lunge, sodass während der gesamten Gefangenschaft Lebensgefahr für das Opfer bestand. Stromschläge verursachen zudem bei Oetker Oberschenkelhalsfrakturen, zwei gebrochene Brustwirbel und schwere Herzrhythmusstörungen. Als Täter wird 1979 Dieter Zlof verhaftet und zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Die letztgenannten Fälle waren Studiofälle in Aktenzeichen xy, beide Entführungen wurden sogar zusammen in der Januar- Sendung 1977 vorgestellt. Kidnapping war die kriminelle Mode dieses Herbstes 1976 (Zitat aus dem Spiegel). Erfreulich ist, dass sämtliche Täter aus jener Zeit gefasst wurden. Aber auch im Fall Snoek war die Tätersuche nicht frei von Pannen.

Der Fall:
Hendrik Snoek gilt in der damaligen Zeit als großes Springreiter- Talent. Im Alter von 20 Jahren gewinnt er den Springreiter- Wettbewerb beim CHIO in Aachen, eins der bekanntesten Turniere der Welt. 1975 wird er Europameister im Teamwettbewerb und begleitet ein Jahr später die deutsche Springreiter-Equipe zu den Olympischen Sommerspielen nach Montreal. Hendrik ist der Sohn des damaligen Ratio- Chef Egbert Snoek.
Es ist der 3. November 1977. Snoek liegt bereits im Bett, als er gegen 3 Uhr morgens von zwei maskierten Männern mit einer doppelläufigen Flinte und einer Pistole bedroht, gefesselt und in einen Wagen geschafft wird, der unter dem Haus in der Tiefgarage wartet. Obwohl die Wohnungstür mit einem betongefüllten Eisenrohr aufgebrochen wurde, bekam niemand etwas mit von der Entführung.
Um 6 Uhr melden sich die Entführer das erste Mal telefonisch beim Vater des Entführten, Egbert Snoek und unterrichten ihn, dass Hendrik entführt wurde. Der Vater schaltet sofort die Polizei ein. Um 8 Uhr melden sich die Entführer erneut bei der Familie und präzisieren ihre Angaben. Egbert Snoek wird zu einem gestohlenen Wagen mit münsteraner Kennzeichen gelotst und findet dort ein Schreiben mit einem handschriftlichen Zusatz von Hendrik: "Lieber Vater! Man hat mir das Ehrenwort gegeben, das mir nichts passiert. Ich hoffe, dass alles gut läuft. Das Geld soll in meinem Wagen überbracht werden ...“ Zudem fordern die Täter 5 Millionen DM Lösegeld. Die erste Panne der Polizei: Sie schafft es nicht, in gut 90 Minuten eine Fangschaltung zu legen. Ein Fachmann ist nicht zu erreichen. Der zweite Telefonanruf wird von der Mutter mit einem normalen Kassettenrekorder aufgezeichnet. Diese Aufzeichnung wird zwar in xy ungelöst abgespielt; die Qualität ist jedoch sehr schwach und eine kriminaltechnische Untersuchung ist mit dieser Aufzeichnung nicht möglich.
Gegen 24 Uhr melden sich die Täter erneut, es ertönt jedoch lediglich ein Pfeifton. Zwischen den Tätern und Egbert Snoek wurde vereinbart, dass die Entführer nach dem zweiten Telefonat den persönlichen Kontakt abbrechen. Lediglich ein Pfeifton soll abgespielt werden und Snoek sollte seine Bereitschaft zur Lösegeldübergabe kundtun. Diese Anforderung erbringt der Vater und zeigt sich bereit, die Lösegeldforderung zu akzeptieren.
24 Stunden passiert nichts. Zur dieser Zeit, wie sich später herausstellt, befindet sich Hendrik Snoek, in einem Hohlraum angekettet unterhalb der Ambachtalbrücke auf der Sauerlandlinie (A 45), welcher in über 50m Höhe gelegen ist. Hendrik ist mit einer schweren Eisenkette um den Hals an diesen Brückenpfeiler gefesselt. Polizisten sagen später aus, die Situation erinnert an einen Galeerensträfling. Von dem Täter bereitgestellt wurden eine (defekte) Luftmatratze, 8 Tafeln Schokolade und vier Flaschen Wasser. Zudem Toilettenpapier, welches später wahrscheinlich Snoek das Leben rettet. Wäre Snoek nicht gefunden worden, hätte er lediglich 7 Tage überleben können. Auch in diesem Hohlraum besteht die Gefahr, dass das Opfer durch Unterkühlung stirbt. Dank der milden Außentemperaturen passiert dies jedoch nicht.
Nachdem 24 Stunden kein Kontakt zu den Entführern hergestellt werden kann, melden sich diese über Telefon bei der Familie Snoek und spielen ein Tonband mit der Stimme von Hendrik ab und erläutern auf diese Weise die Übergabemodalitäten. Der beste Freund von Hendrik Snoek, Breido Graf zu Rantzau (er heiratet ein halbes Jahr nach der Entführung die Schwester von Snoek) soll das Lösegeld in dem Wagen von Hendrik übergeben. Er wird in dieser Nacht auf einen etwas neben der Autobahn gelegenen Weg nahe Frankfurt gelotst und übergibt das Lösegeld an eine vermummte Person. Der Übergabeort ist mit einer Autowarnlampe gekennzeichnet. Der Vater des Opfers überzeugt die Polizei, dass das Wohl seines Sohnes an erster Stelle steht. Die Beamten verzichten deshalb auf sämtliche Hilfsmittel, sodass weder der Wagen noch die Tasche mit dem Lösegeld mit Peilsendern versehen werden. Lediglich die Seriennummern vom Großteil der Beute werden registriert. Laut Vereinbarung wollen die Täter 10 Stunden nach der Geldübergabe das Versteck von Hendrik der Familie mitteilen.
Am 5. November 1976 arbeiten Betonarbeiter unterhalb der Ambachtalbrücke in einer Fabrik. Ein Mitarbeiter hört Hilfe- Schreie, kann diese jedoch nicht lokalisieren. Es geht zunächst von einem Unglücksfall in einem naheliegenden Waldstück aus. Auf den Weg dorthin findet der Betonarbeiter ein Stück Toilettenpapier. Darauf ist geschrieben: "Bin in einer Brücke im Raum Herborn, rufen Sie die Polizei." Als er nach oben schaut sieht er aus einer Mauerluke wie ein Notsignal eine abgerollte Toilettenpapierfahne wehen. In der gleichen Sekunde ertönt wieder der Ruf: "Hallo, Hilfe!" Da der Betrieb in der Fabrik zu der Zeit still steht, hören jetzt auch andere Fabrikarbeiter die Schreie. Die Mitarbeiter aus dem Werk gehen jedoch von einem Selbstmörder aus und informieren die Polizei.
Als die Polizei eintrifft, hören auch die Beamten die Hilfeschreie. Sie entschließen sich, die Hohlräume der Autobahnbrücke zu durchsuchen. Eine schwere Eisentür wird gewaltsam aufgebrochen. Hinter dieser Eisentür hockt ein Mensch: Hendrik Snoek. Um seinen Hals hängt eine schwere Eisenkette, die an der Höhlenwand befestigt war. Mehr als 50 Stunden lang war Snoek in diesem Hohlraum der Ambachtal- Autobahnbrücke im Zuge der "Sauerland-Linie" in Nordhessen wie ein Tier angekettet Snoek weinte bei seiner Freilassung. Er trägt dank seiner allgemeinen körperlichen Verfassung und seinem Überlebenswillen nur eine Verletzung an der Hand davon. Da Snoek vor Ablauf des 10 Stunden Ultimatums gefunden wurde, ist fraglich, ob die Täter tatsächlich das Versteck von Snoek preisgegeben hätten. Fest steht nur, dass Snoek bei einem Wetterumschwung erfroren wäre. Fest steht auch, dass das Opfer höchstens 7 Tage hätte überleben können mit den vorgefundenen Vorräten.
Schon einen Tag zuvor, am Donnerstagmittag, hatten drei Arbeiter einer Pumpstation in der Nähe der Brücke von "irgendwoher" Hilferufe gehört. Wegen des Lärms der Autobahnbrücke und des Betonwerks hatten sie jedoch nichts Genaueres ausmachen können und die Sache auf sich beruhen lassen.
Die Sonderkommission der Kriminalpolizei Münster umfasst 80 Beamte. Die Belohnung wird auf 100000 DM aufgestockt. Interpol wird eingeschaltet. Es wird befürchtet, daß sich die beiden Kidnapper mit der Lösegeldsumme in Höhe von fünf Millionen Mark schon am Freitag ins Ausland abgesetzt haben. Bereits 24 Stunden nach der Tat gehen 300 Hinweise ein. Zudem verfügt die Polizei über ein Tonband mit der Stimme eines Täters. Er soll kölnischer Dialekt gesprochen haben. Wegen der hohen Belohnung hofft die Polizei auch auf Hinweise aus der Kölner Unterwelt. Wochen vorher wurde so der der Raub des Kölner Domschatzes aufgeklärt.
Eine Woche nach seiner Entführung sitzt Snoek schon wieder im Sattel und wird bei einem Reitturnier in Wien Dritter.
12 Tage nach der Entführung scheint der Fall nach einem heißen Tipp geklärt zu sein. Die Polizei nimmt in Berlin und Siegen 8 Leute fest. Auf den Flughafen Berlin Tegel werden 4 Männer nach einem Flug von Frankfurt nach Berlin festgenommen. Sie wollten eigentlich nur das Lokalderby der Bundesligavereine Hertha BSC gegen Tennis Borussia Berlin sehen. Zu einer weiteren Festnahme kommt es nach einer Verfolgungsjagd in Siegen, zudem werden mehrere Hausdurchsuchungen angeordnet. Grund für die Festnahme war der Hinweis eines Mannes, dass die Kette, mit der Snoek im Autobahngefängnis an die Wand gekettet war, zweifelsohne aus einer bestimmten Werkstatt stamme. Zudem wurde der Lieferwagen einer Siegener Autoverwertungsfirma zum Zeitpunkt der Entführung am Tatort gesehen.
24 Stunden später werden sämtliche Festgenommene wieder freigelassen. Die Spur war wissentlich falsch gelegt wurden. Die Polizeiaktion basierte auf "falschen Angaben" eines Siegener Autoverleihers, der angeblich seinen Konkurrenten am Ort die Snoek-Entführung anhängen wollte. Nach der Vernehmung des "Denunzianten" steht jedoch fest, dass die Männer nicht als Täter in Frage kommen. Dieser Vorfall beschäftigt noch Jahre danach die Gerichte, da die Frage beantwortet werden musste, inwieweit hier ein Haftungsanspruch des Landes eingreift.
Anfang Dezember wird die Leiche des Karlsbergs Erben Gernot Egolf (s.o.) gefunden. Der Fall weist gewisse Parallelen zum Entführungsfall Snoek auf, auch hier wurde das Opfer angekettet und seinem Schicksal überlassen. Der Druck auf die Polizei steigt, da 1 Woche später in Freising Richard Oetker entführt wird, die 4 Entführung innerhalb 8 Wochen.
Am 3 Dezember 1976 bittet die Kripo Münster in Aktenzeichen xy um Mithilfe. Die Polizei konnte die Herkunft des Kanalrohrs klären, mit dem die Wohnungstür von Snoek gewaltsam aufgebrochen wurde. Das Rohr wurde mit Beton aufgefüllt und als Rammbock benutzt. Dieses Kanalrohr wurde mit höchster Wahrscheinlichkeit von einer Baustelle auf der sogenannten Hansalinie zwischen Münster und Köln von der Raststätte Lennhof (A 1) gestohlen. Die Polizei fragt die Zuschauer, wie das Rohr in die Hände der Täter kommen konnte. Zudem ist durch die Beschreibung von Snoek die Bekleidung der Täter bekannt. Die wichtigste Spur, die Tonbandaufnahme des zweiten Telefonanrufs der Entführer, wird zweimal abgespielt. (ein weiteres Mal in den Zuschauerreaktionen). Es gehen laut Peter Hohl sehr gute Hinweise ein, jedoch hält er sich mit Einschätzungen bedeckt. Insgesamt verfolgt die Kripo 700 Hundert Spuren einen Monat nach der Entführung. Der entscheidende Hinweis aufgrund der TV- Ausstrahlung konnte jedoch im Nachhinein nicht verbucht werden.
Im Januar 1977 (FF Horst und Akazienweg) wird erneut im Rückblick über den Fall Snoek berichtet. Der Polizei liegen Fotos vor, als Frau Snoek eine Nachricht der Entführer aus einem Mercedes abholt. Nach Auswertungen der Fotos fällt ein Mann in einem hellen Trenchcoat auf, der während des Geschehens den Wagen und die Frau nicht aus den Augen verliert. Die Polizei fragt die Zuschauer nach der Identität des Mannes. (später stellt sich heraus, dass es keiner der Täter war). Zudem zeigt Zimmermann eine Autowarnlampe, bei der die Täter den serienmäßigen roten Plastikbügel gegen einen Metallgriff ausgetauscht haben. Die Täter nahmen die Lampe nach der Geldübergabe wieder mit, so dass nach dem Verbleib der Lampe gefragt wird.
Am Schluss der Januar Sendung (mE die beste xy- Sendung aller Zeiten) geht Zimmermann auch den Entführungsfall Oetker ein.
Nicht berichtet wird in der Sendung, dass die Polizei bereits zwei Verdächtige im Visier hat. Zwei Wochen vor der Januar Sendung war ein Geldschein aus dem Lösegeld in Düsseldorf aufgetaucht. Die Beamten konnten den Weg, den das Geld genommen hatte, zurückverfolgen bis zur einer Volksbank in Prüm (Eifel). Dort hatte einer Täter 15000 DM auf sein Konto einbezahlt. Die Spur 1470 führt zum Durchbruch im Fall Snoek. Die Täter sind schnell identifiziert: der Anstreicher Reinhard Szameitat (38 ) aus Düsseldorf und der 37jährige Lagerarbeiter Peter Graef aus Erkrath- Hochdahl. Die beiden gelten ab sofort als Hauptverdächtige und werden von der Kripo beschattet. Während der Beschattung besuchen beide regelmäßig die Spielbank in Bad Neuenahr. Zudem findet die Polizei heraus, dass beide sich von einem gemeinsamen Gefängnisaufenthalt kennen. Am 2. Februar 1977 werden Szameitat und Graef in Düsseldorf verhaftet. Bei der Wohnungsdurchsuchung finden die Beamten in der Wohnung von Szameitat 200 000 Mark in einem Sitzkissen eingenäht. Schließlich wird auch eine Schreibmaschine gefunden, deren Schrifttypen genau denen entsprechen, mit denen der Erpresserbrief geschrieben wurde. Auch auf Bankkonten wird Geld gefunden. 1 Woche nach der Festnahme werden auf einen Schweizer Konto, welches auf Szameitat läuft, insgesamt 440000 DM und Goldbarren gefunden. Auf den Goldbarren stellt die Kripo Fingerabdrücke von Szameitat fest.
In der Wohnung von Graef werden die Waffen gefunden, mit denen Snoek bedroht wurde. Eine Pistole 36 Beretta und die Flinte. Auch ein 1000 DM- Schein wird gefunden Außerdem soll die Kette, mit der Snoek am Hals gefesselt war, aus einem Betrieb stammen, in dem Graef lange Zeit gearbeitet hat. Ein weiteres Indiz findet sich im Wagen von Szameitat: Lackspuren eines Eimers, welchen die Polizei im Hohlraum der Autobahnbrücke gefunden hatte, werden im Kofferraum sichergestellt.
Beide Verdächtige bestreiten die Tat. Am 4.2 erläßt das LG Münster Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinsamen erpresserischen Menschenraubs. Genau 3 Monate nach der Entführung scheint der Fall geklärt zu sein.
Auch während ihrer Haft bestreiten beide Festgenommenen die Tat. Ende Mai 1977 wird Szameitat tot in seiner Zelle aufgefunden. Er hatte sich aus dem Ärmel einer Wolljacke ein Seil geflochten und es an einer Verankerung befestigt. Ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden.
6 Wochen nach dem Selbstmord die Sensation. Peter Graf wird auf freien Fuss gesetzt, der Haftbefehl wird aufgehoben. Die Haftprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass ein dringender Tatverdacht gegen Graef nicht vorliegt, alles spricht nach Meinung des Haftrichters für eine Täterschaft von Szameitat. Sofort legt die Staatsanwaltschaft Münster Beschwerde ein. 5 Wochen nach der Haftentlassung gibt das LG Münster der Beschwerde statt. Graef wird bei seinem Verteidiger in Münster erneut festgenommen.
Im Oktober 1977 klagt die StA Graef wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Führen einer Schusswaffe an, im März 1978 beginnt vor dem Landgericht Münster der Prozeß. Auch vor Gericht bestreitet Graef die Tat und erklärt vor Gericht, dass er den Tausendmark- Schein als Wechselgeld in der Spielbank Bad Neuenahr erhalten hat. Auch ein Ortstermin an der Ambachtalbrücke wird angeordnet. Bei diesem Lokaltermin sagt Hendrik Snoek aus und berichtet über seine 55stündige Gefangenschaft. Über die Fesselung an seiner Hand. Ursprünglich sollte die er nur an den Füßen gefesselt werden. Doch der Kettenring war zu weit für den Unterschenkel. Die über 50 Stunden in der Brücke waren nicht das Schlimmste. Viel schlimmer war das Dröhnen und Poltern der darüberjagenden Autos. Jedes Mal schien die Brücke einzustürzen. Die fahrenden Autos erzeugen ein fürchterliches Echo, 24 Stunden ohne Unterlass. Es kracht in allen Fugen. Das ist aufreibend, das ist nervenzerrüttend. Im Fußboden des Hohlraums entdeckte er bereits kurz nach seiner Fesselung zwei armdicke Durchlässe. Er konnte hinunterschauen auf die Erde; dies war die einzige Verbindung zur Außenwelt. Schon am Mittwochmorgen, wenige Minuten nachdem die beiden Gangster ihn in der Autobahnbrücke zurückgelassen hatten, schob er zusammengeknotete Stofffetzen durch die Röhre in die Tiefe. Da sollten sie SOS-Signal sein. Von einer Toilettenpapierrolle, die zur dürftigen Ausrüstung gehörte, riß er einzelne Stücke ab und schrieb mit einem Kugelschreiber einige Worte darauf: "Bitte, Hilfe, ich bin in der Autobahnbrücke gefangen."
Ende April 1978 dann die Plädoyers. Die Anklage fordert 14 Jahre Haft, die Verteidigung sieht in Szameitat den Täter und fordert Freispruch. 10 Tage später spricht das Landgericht Münster das Urteil und schickt Graef 13 Jahre wegen erpresserischen Menschenraubes und der gefährlichen Körperverletzung hinter Gitter. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der Angeklagte für die Tat verantwortlich ist. Sämtliche Indizien bestätigen die Schuld des Angeklagten. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre, nur der Umstand, dass Snoek körperlich nicht erheblich verletzt wurde, rechtfertigt eine mildere Strafe. Aber wegen der Höhe der Lösegeldforderung und der lange Leidenszeit des Opfers in der Autobahnbrücke muss jedoch eine harte Strafe von der Kammer ausgesprochen werden. 13 Jahre seien aus der Sicht des Gerichts tat- und schuldangemessen, auch ein weil ein Großteil der Beute fehlt (über 4 Millionen DM). Die Verteidigung kündigt noch im Gerichtssaal Revision an, diese wird jedoch 8 Monaten nach dem Urteil vom BGH verworfen.
Graef sitzt seine Strafe in der JVA Willich ab. Die Akte Snoek wird geschlossen, Graef und Szameitat werden als die Haupttäter eingestuft. Aber auch das Gericht ließ in seiner Urteilsbegründung anklingeln, dass der Fall der Fall evt. doch noch nicht abgeschlossen sei, weil Mittäter, Mitwisser oder Gehilfen noch auf freien Fuss seien.
2 Jahre passiert nichts. Im Juli 1980 werden in einer Kölner Wohnung 400000 DM aus der Snoek- Entführung gefunden, ein 37 jährige Geschäftsmann wird festgenommen. Schnell steht jedoch fest, dass der Geschäftsmann nicht als Mittäter in Frage kommt, sondern lediglich als Geldwäscher der beiden Haupttäter. Die Fahnder waren dem Kölner auf die Spur gekommen, nachdem seit April 1980 in der Aachener Spielbank verstärkt Geldscheine aus der Snoek- Erpressersumme aufgetaucht waren. Nach diesem Vorfall legt Graef in der JVA ein Geständnis ab. Er bestätigt insgesamt die Ermittlungsergebnisse und auch die Tatsache, dass er und Szameitat Alleintäter waren. Graef hatte in der JVA einen Mann kennengelernt, den er Vertrauen schenkte und verriet, wo er den Plastikbehälter mit rund 2,5 Millionen Mark aus dem Lösegeld versteckt hatte. Der Mann sollte das Geld auf der A 46, Düsseldorf- Wuppertal kurz vor der Ausfahrt Barmen ausgraben und Graefs geschiedener Frau größere Beträge zuleiten. Dafür sollte er als Belohnung eine Million Mark erhalten. Der Kölner Geschäftsmann tauschte das Geld im Auftrag dieses Mannes in der Spielbank Aachen um und hortete das Geld zuhause. Er wurde wegen Hehlerei später verurteilt.
Der Bekannte aus der JVA von Graef, Norbert W., kehrte daraufhin von einem freien Ausgang nicht mehr zurück und floh mit seiner Frau und Sohn zuerst nach Süddeutschland, dann in die Schweiz. Im September 1980 wurde W. auf Flughafen Zürich- Klothen von der Schweizer Polizei festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Einen Teil des Geldes, 267 000 Mark und rund 120 000 Schweizer Franken, hatte W. noch bei sich. Bis heute fehlen somit gut 3, 5 Millionen DM aus der Beute. Graef wurde 10 Jahre nach der Entführung entlassen. Snoek ist heute Geschäftsführer der Ratio- Gruppe und lebt in Münster.


Und beim nächsten Mal wagen wir uns in die "Hölle der Engel". Ein Fall aus der verschollenen Sendung, und wie aus einem Motorradclub eine gefährliche Verbrechergang wurde.
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#2

Re: 3.12.1976 SF 5/ 28.1.1977 (Kripo Münster) Entführungsfall Snoek

in Studiofälle 22.10.2010 09:48
von freemason • 87 Beiträge
Vielen Dank für den tollen Beitrag- richtig gut!!!!

Eine Info, die nur am Rande mit der Entführung zu tun hat, aber sicherlich interessant:
http://www.azonline.de/aktuelles/muensterland/1407885_Edeka_uebernimmt_Ratio_170_Stellen_in_der_Zentrale_fallen_weg.html
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#3

Re: 3.12.1976 SF5/ 28.1.1977 SF1 (Kripo Münster) Entführungsfall Snoek

in Studiofälle 02.11.2010 23:39
von bd-vogel • 570 Beiträge
Kam grad erst dazu, das in Ruhe zu lesen - wirklich super, Bastian!


Bernhard.
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