#16

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 02.10.2023 09:44
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

29.07.1977 SF 3 (Kripo Delmenhorst) Fahndung nach dem Betrüger Helmut B.
14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke
Teil 1

25. August 1977 am frühen Abend: In einer kleinen Lichtung im Waldgebiet Höveler Knapp im Sauerland wird die 36-jährige Unternehmensgattin Doris Gosselke tot aufgefunden- erdrosselt mit ihrem eigenen Kleidungsstück. Die Tat löst in der kleinen Stadt Hemer in der Nähe vom Iserlohn große Betroffenheit aus. Das Opfer wohnte zeit ihres Lebens in der Gemeinde und war sehr beliebt. Für Außenstehende lebte sie den Traum einer glücklichen Familie- glücklich verheiratet, Mutter von drei Kindern und finanziell gut situiert. Die Ermittlungen der Kripo ergeben jedoch ein anderes Bild. Doris Gosselke fühlte sich vernachlässigt, war oft einsam und suchte nach Zuneigung. Trieb sie diese Suche nach Zuneigung in die Hände ihres Mörders? Die Geschichte dieses Falles beginnt bereits vier Wochen vor der Tat- mit einer Fahndung in Aktenzeichen xy. War sogar der Fahndungsaufruf in xy das Motiv für die Tat?
Mord an einer Unternehmensgattin- der Fall Doris Gosselke

In der Juli- Sendung 1977 von Aktenzeichen xy fahndet die Kripo Delmenhorst nach dem 27- jährigen Helmut B. Ihm werden u.a. Raub, Einbruch und mehrere Betrügereien vorgeworfen. Meistens mietet er unter falschen Namen Wohnungen an und bestellt Möbel und andere wertvolle Einrichtungsgegenstände. Sobald die Ware geliefert ist, lässt der Gesuchte diese von Komplizen sofort abholen. Dann verschwindet B. selbst und lässt die Rechnungen unbezahlt. Der Gesamtschaden beträgt insgesamt 80000 DM. Die Zuschauer erfahren zudem, dass Helmut B. sich vorwiegend im Rotlichtmilieu aufhält.

Nach der Ausstrahlung der Sendung gehen zwar zahlreiche Hinweise ein und es kristallisiert sich auch ein Schwerpunkt heraus, eine Festnahme gelingt aber zunächst nicht.

Hemer ist eine Stadt im Norden des Sauerlandes und gehört zum Märkischen Kreis- ca.15 km östlich von Iserlohn. Überregional bekannt ist Hemer vor allem durch das in Deutschland einmalige Geotop Felsenmeer, weshalb die Stadt den Beinamen Felsenmeerstadt führt. Hier im Stadtteil Deilinghofen wohnt die 36-jährige Doris Gosselke mit ihrer Familie.

Doris Gosselke ist in Hemer geboren und lebt seit 36 Jahren in Deilinghofen, daher ist sie in der kleinen Ortschaft auch sehr bekannt. Sie ist seit mehreren Jahren verheiratet und Mutter von drei Kindern. Ihr Ehemann besitzt eine Fabrik für Lampenzubehör und ist zudem Präsident des EC Deilinghofen- der später als die Iserlohner Roosters in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) spielt. Der Familie geht es materiell sehr gut und nach Außen entsteht der Eindruck einer glücklichen Familie.

Seit dem 24.8.1977 wird die 36-jährige jedoch vermisst. Ihr Ehemann hatte am Abend bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Bereits am selben Abend wird im Waldgebiet Höveler Knapp der Wagen- ein Jaguar XJ 12- von einem Landwirt gefunden. Der Wagen ist in einer Lichtung versteckt und mit Ästen verdeckt.

Die Polizei startet sofort mit Suchhunden und später auch mit mehreren Hubschraubern eine Suchaktion in dem Waldgebiet. Dem Ehemann fällt sofort auf, dass aus dem Jaguar ein Tenniskoffer mit einem Schläger, den seine Ehefrau am Vortag im Kofferraum des Jaguars verstaut hatte, fehlt. Jedoch spielt Doris Gosselke gar kein Tennis, die Sachen gehören ihrem Mann.

Währenddessen fragt sich die Polizei, was mit Doris Gosselke passiert sein könnte. Zwar geht es der Familie materiell sehr gut und nach Außen wirkt das Ehepaar als glückliche Einheit. Jedoch leidet durch die viele Arbeit des Ehemannes das Privatleben der Gosselkes, Doris fühlt sich oft einsam.

Der 24.8.1977- ein Mittwoch- verläuft für die Unternehmensgattin zunächst so wie die meisten Tage in ihrem Leben. Ein wenig eintönig, ohne besondere Anspannung, aber auch ohne Höhepunkte. Und doch muss sich an diesem Nachmittag etwas Besonders angebahnt haben, ein Schicksal, von dem bis zur Ausstrahlung in xy nur einige Bruchstücke bekannt sind.

Gegen 14 Uhr verlässt Doris Gosselke das Haus im Ortsteil Hemer und fährt mit ihrem auffälligen Jaguar davon. Fest steht, dass sie im benachbarten Iserlohn Schulmaterial für ihre Kinder kaufen will. Ob sie noch weitere Pläne für diesen Nachmittag hat, bleibt ein Geheimnis. Gegen 14.15 Uhr parkt die Frau ihren Wagen in einem Parkhaus eines Kaufhauses, welches über eine gut sortierte Schreibwarenhandlung verfügt. Nach ihren Besorgungen wird Doris Gosselke bei der Ausfahrt aus dem Parkhaus von einem Parkwächter gesehen- er bestätigt später, dass die Fabrikantengattin allein im Auto saß.

Kurz danach wird der Jaguar an einer roten Ampel erneut gesehen- im 15 km entfernten Hemer. Jetzt sitzt im Wagen neben Doris Gosselke ein junger Mann. Dies beobachtet ein Zeuge, der die junge Frau persönlich kennt und den Mann noch nie in Begleitung der 36-jährigen gesehen hat. Wie der Mann in den Wagen gestiegen ist, ob per Anhalter oder aufgrund einer persönlichen Verabredung, kann die Polizei nicht klären. Doris Gosselke fährt mit dem fremden Mann nicht nach Hause, muss aber direkt an ihrem Haus vorbeigefahren sein.

Zwei Stunden später- gegen 17.45 Uhr- steht der auffällige Jaguar auf einen Waldweg im Höveler Knapp an der L 544 zwischen Langscheid und dem Schloss Melschede, wo er ein paar Stunden später auch von der Polizei gefunden wird. Zu dieser Zeit kommt es zu einer Begegnung, die für die Polizei von großer Bedeutung ist und auch im weiteren Verlauf der Ermittlungen eine wichtige Rolle spielt. Ein Ehepaar kommt bei einem Spaziergang zu dieser Zeit am Waldweg vorbei und entdeckt unter Ästen versteckt einen blauen Jaguar. Plötzlich springt ein Mann aus dem Gebüsch und sagt, der Weg sei gesperrt. Dem Ehepaar kommt das Verhalten des Mannes zwar seltsam vor, glaubt dann aber, ein Liebespaar gestört zu haben.

1,5 Stunden später und gut 5 km vom Waldweg im Höveler Knapp entfernt wird ein Mann an einer Straßenkreuzung von mehreren Zeugen gesehen, der versucht, per Anhalter seine Reise fortzusetzen. Trotz der kühlen Witterung trägt der Mann nur leichte Tenniskleidung. Zudem hat er einen Tenniskoffer und einen Tennisschläger in der Hand. Dem Fahrer, der den jungen Mann in seinem Wagen nach Menden mitnimmt, fallen sofort die dreckigen Hände des Anhalters auf. Zudem kennt sich der Mann sehr gut in dieser Gegend aus und hat dort wohl rundum Menden, Hemer und Iserlohn auch persönliche Kontakte. In Menden steigt der Mann dann aus und geht Richtung Bahnhof. Hier verliert sich dann seine Spur.

Die Suchtrupps der Polizei kommen kaum voran im Dickicht des Höveler Knapp. Erst am nächsten Tag- dem 25.8.- wird Doris Gosselke dann von einer Hubschrauberstaffel in einer Waldlichtung tot aufgefunden- nur 400 Meter entfernt vom Auffindeort ihres Autos. Erst der Hubschrauber bog mit dem Windschub der Rotorblätter die Zweige der dichten Tannen so weit auseinander, dass der Körper der Frau kurz von den Piloten gesehen werden konnte. Doris Gosselke wurde mit ihrem eigenen Kleidungsstück- einem roten Nick-Tuch- erdrosselt.

Nach drei Jahren Fahndung wird Helmut B. am 17. November 1977 dann aber in Witten durch ein Zielfahndungskommando des LKA Niedersachsen festgenommen. Der Gesuchte hatte sich unter falschen Namen und einem geänderten Erscheinungsbild als Hausmeister in Witten betätigt. Er wohnte dort mit seiner jugoslawischen Freundin zusammen, die keine Aufenthaltsgenehmigung besaß und ebenfalls festgenommen wurde. Insgesamt wird gegen B. in 23 Fällen wegen Urkundenfälschung, Waren- und Kreditbetrug, Vergewaltigung, Raub und Einbruchdiebstahl ermittelt. Gegen B. liegen insgesamt vier Haftbefehle der Staatsanwaltschaften Oldenburg, Bielefeld und Delmenhorst vor. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung werden unter anderem zwei Waffen, 200 Schuss Munition, gefälschte Ausweise, Blankoschecks, neu geprägte Autokennzeichen und Einbruchswerkzeug sichergestellt.

Einen Tag nach seiner Verhaftung erlässt der Ermittlungsrichter Haftbefehl. Helmut B. kommt in Untersuchungshaft und wird in der JVA Bochum inhaftiert.

Im Januar 1978 gerät Helmut B. dann auch ins Visier der Mordkommission, die den Mordfall Doris Gosselke behandelt. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Ermittler Diebesgut- darunter auch Gegenstände aus Diebstählen in Raum Iserlohn. Ein Polizeibeamter der Kripo Iserlohn befragt B. in der JVA Bochum wegen dieser Diebstähle. Dabei fällt ihm B.`s Ähnlichkeit mit dem Phantombild vom letzten Begleiter der ermordeten Unternehmensgattin auf. Sofort wird die Kripo Dortmund informiert, die ermittelt, dass sich B. im vergangenen Jahr mehrere Monate im Raum Hemer, Menden und Iserlohn aufgehalten hatte. Die Kripo befragt nochmal alle Zeugen im Fall Gosselke und stellt ihnen Helmut B. gegenüber. Alle Zeugen identifizieren ihn als jenen Mann, der zuletzt in Begleitung der Getöteten gesehen und später auch beobachtet worden war, als er in Tatortnähe den Wagen der Frau mit Zweigen abdeckte. B. gibt überraschen in seiner Vernehmung zu, Doris Gosselke gekannt und sich sporadisch mit ihr getroffen zu haben- den Mord streitet er aber ab. Allerdings räumt er ein, dass sein „zweites Ich“ möglicherweise Doris getötet haben könnte, um sich von der „anlehnungsbedürftigen Frau“ zu befreien. Danach verweigert B. jede weitere Aussage, weigert sich Protokolle zu unterschreiben und verlangt eine psychiatrische Untersuchung.

Im Januar 1978 erlässt das LG Arnsberg Haftbefehl gegen B. wegen Mordes. Im Verlauf der weiteren Ermittlungen kann die Kripo Dortmund dann den Mordverdacht gegen B. erhärten. Bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung von B. hatte die Kripo auch einen 6mm-Sportrevolver der Marke Kuno Melcher sichergestellt, an dessen Griff ein Stück der Verkleidung fehlte.

Im März sucht daher die Kripo erneut den Tatort rundum den Höveler Knapp ab. Und die Beamten haben tatsächlich Glück und finden das Pendant zum defekten Griff im Unterholz. Die Untersuchung beim LKA kommt zu dem Ergebnis, dass das Stück Verkleidung zu B.`s Revolver passt.

Ende Februar 1978 kommt es dann zur ersten Verhandlung (der Studiofall aus der Juli- Sendung 1977) vor dem Landgericht Oldenburg. Die Anklage wirft B. insgesamt 20 Straftaten vor- im Vordergrund stehen hier aber nur die Betrugsstraftaten. B. gesteht die meisten Taten vor der Kammer. Er gibt zu, um die Jahreswende 75/76 zunächst in Delmenhorst, später dann in Hannover und Bielefeld unter falschen Namen Wohnungen gemietet zu haben und diese mit unbezahltem Inventar in Höhe von 40000 DM eingerichtet zu haben. Danach habe er einen großen Teil der Gegenstände zu Geld gemacht. Für die Flucht habe sich B. dann von einem Bekannten einen Wagen geliehen und habe diesen im Ruhrgebiet verkauft. Als Begründung gibt er an, dass er damals untergetaucht sei, weil er wegen einer Sache angeklagt wurde, mit der er nichts zu tun hatte. Auf der Flucht habe er Geld gebraucht, vor allem für Heroin. Und Betrug sei dabei der beste Weg gewesen, weil er hier keine Gewalt anwenden musste.

Mit Gewalt wolle er nichts zu tun haben, vor allem nicht mit der Anklage in Wilhelmshaven, die auf Raub und Vergewaltigung lautet und deretwegen er das Weite gesucht habe. „Ich habe immer Hinweise auf meine Person hinterlassen. Die Polizei sollte sehen, wenn ich schon Verbrechen begehe, dann nur ohne Gewalt, die sollten sehen, dass ich mit Wilhelmshaven nichts zu tun habe.“
Auch den Mordverdacht spricht er kurz an. Das stimme alles nicht. Ich habe die Frau gar nicht gekannt, er habe auch keine Aussage gemacht, die Polizei habe ihn geschlagen, und er musste betteln, bis er zur Toilette durfte.

Der Richter unterbricht den Angeklagten und gibt zu verstehen, dass die Mordanklage hier nicht verhandelt wird. Dann schreit der Angeklagte: „Ich habe hier die angeklagten Taten gestanden und damit basta. Also sprechen sie das Urteil, ich bin müde und will ins Bett.“

Dann wird ein Gutachter gehört. Er bescheinigt dem Angeklagten ein intellektuelles überdurchschnittliches Leistungsvermögen, keine Anzeichen von Schizophrenie, keine Spätfolgen eines einst erlittenen Unfalls, mithin eine uneingeschränkte Schuldunfähigkeit.

Erneut schreit der Angeklagte und greift den Gutachter an. Das könne er doch gar nicht wissen. „Der soll mich mal ein paar Stunden untersuchen und nicht ein paar Minuten. Und können wir nicht mal zum Urteil kommen, das ist doch hier eine Farce.“

Die Anklage wertet die 20 Straftaten als Einzeltaten und fordert insgesamt 3 Jahre Haft für den Angeklagten. Die Verteidigung fordert für Betrug in einem Fall und für Unterschlagung des Autos eine Strafe von nicht mehr als 14 Monaten.

Nach insgesamt 3 Stunden Verhandlung spricht die Vierte Große Spruchkammer das Urteil: 2 Jahre Haft wegen Betruges in drei Fällen und Unterschlagung. Die Kammer sieht die Taten in den drei Städten als jeweils eine Einheit an. Zudem sei B. nicht vorbestraft und habe die Taten gestanden.

Teil 2: Es folgt ein weiterer Prozess, diesmal u.a. wegen Vergewaltigung. Im Mordfall Gosselke gerät Helmut B. immer stärker ins Visier der Ermittler. Kann die Ausstrahlung in Aktenzeichen xy den Täter endgültig überführen?


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 02.10.2023 09:52 | nach oben springen

#17

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 02.10.2023 19:15
von Heimo • 1.535 Beiträge

Hallo Bastian,

zu dem Fall gibt es bereits einen Thread: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke


#Wirsindmehr #FCKAFD
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#18

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 04.10.2023 13:22
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

Hallo Heimo,
also bin ich doch richtig, oder? Auf Seite 1 habe ich es leider nicht mehr geschafft…😉😀


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
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#19

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 05.10.2023 10:30
von Heimo • 1.535 Beiträge

Richtig. Ja, ich würde manchen Thread gerne manchmal umgestalten (um Einfluss auf die Reihenfolge der Postings zu nehmen, ein solcher Beitrag von Dir gehört sicherlich eher nach oben). Wie ich den Thread aber entsprechend umgestalten könnte, ist mir leider ein Rätsel)


#Wirsindmehr #FCKAFD
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#20

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 05.10.2023 18:23
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

29.07.1977 SF 3 (Kripo Delmenhorst) Fahndung nach dem Betrüger Helmut B.
14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke
Teil 2

Im März 1978 findet erneut in Oldenburg der zweite Prozess gegen Helmut B. statt, diesmal wegen Raubes und Vergewaltigung in Wilhelmshaven. Zusätzlich ist B. in diesem Verfahren auch wegen Betrug und Unterschlagung angeklagt.

Die Verhandlung findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei hatte am Wochenende vor der JVA Oldenburg- in der B. inhaftiert ist- einen ehemaligen Mithäftling von Helmut B. festgenommen, der gestanden hatte, dass er den Angeklagten befreien wollte. Sämtliche Besucher wurden bei ihrem Einlass kontrolliert und der Gerichtssaal besonders gesichert.

Die Anklage wirft den 28-jährigen u.a. vor, im April 1975 in einem Schwesterwohnheim in Wilhelmshaven eine Schwesterschülerin mit Waffengewalt beraubt und anschließend vergewaltigt zu haben.

Helmut B. gibt zunächst die Unterschlagung und den Betrug zu. Er habe sich damals einen Mietwagen besorgt und sei damit geflohen. Diesen habe er dann nicht mehr zurückgebracht. Er gibt auch zu, einen Fernseher mit einem ungedeckten Scheck bezahlt zu haben- dies umfasst den Tatbestand des Betruges.
Beim Raub in Wilhelmshaven weichen seine Schilderungen jedoch vom Tatvorwurf ab. Den Raub auf die 18-jährige Schwesterschülerin gibt er zu, leugnet jedoch energisch, dass Mädchen mit einer Waffe bedroht und vergewaltigt zu haben.

Das 18-jährige Mädchen kann den Täter vor Gericht nicht identifizieren. Bei einer Gegenüberstellung bei der Kripo hatte die Schülerin einen von B.`s Begleiter als Räuber und möglichen Vergewaltiger identifiziert, aber- und das wiederholt die Zeugin vor Gericht- auch angegeben, der „erste Mann“, der gleich auf sie zugegangen sei und längere Zeit an ihrem Bett gesessen habe, habe sie auch geschlagen und vergewaltigt. Auf jeden Fall habe jemand vom einem „Ballermann“ (hier ist eine Pistole gemeint, nicht Malle) gesprochen und sie könne sich an einen „Gegenstand in ihrem Rücken“ erinnern.

Auch die bereits rechtskräftig verurteilten Mittäter werden gehört. Die drei Männer wollten ihre Urlaubskasse aufbessern und waren erstaunt, als sie das Mädchen in einem Zimmer antrafen. Man habe die 18-jährige dann gefesselt und habe ein Radio, Uhren und 150 DM Bargeld eingesteckt. Dann haben die beiden Zeugen das Zimmer verlassen und der Angeklagte sei alleine mit dem Mädchen im Zimmer geblieben. Der Angeklagte kontert, dass dies nicht stimmt und eine Waffe, die die beiden Mittäter bei ihm gesehen haben wollen, habe er schon gar nicht gehabt. Er lehne Gewalt und den Einsatz von Waffen ab.
Erneut sagt der Gutachter aus, der bereits im ersten Prozess drei Wochen zuvor über die Schuldfähigkeit des Angeklagten berichtet hatte. Er wiederholt im Wesentlichen seine Aussage und attestiert dem Angeklagten eine überdurchschnittliche Intelligenz. Zudem habe er keinerlei Anzeichen einer Schizophrenie oder Drogenabhängigkeit festgestellt. Helmut B. hatte selbst solch eine Untersuchung verlangt und sprach in Bezug auf den Mordfall Gosselke von einem „zweiten Ich“ und einer Drogenabhängigkeit.

Dann werden die Plädoyers gehalten. Die Verteidigung fordert wegen einfachen Raubes, Betrug und Unterschlagung drei Jahre Haft. Für eine Vergewaltigung reichen nach der Aussage des Opfers die Beweise nicht. Die Zeugin konnte den Angeklagten vor Gericht nicht identifizieren, die Aussagen der Mittäter seien daher als Schutzbehauptungen zu werten. Hier sei der Angeklagte freizusprechen.

Die Anklage fordert 10 Jahre Haft für den Angeklagten wegen schweren Raubes, Betruges, Vergewaltigung und Unterschlagung. Die Beweisaufnahme habe klar bewiesen, dass der Angeklagte die Taten im Schwesterwohnheim begangen habe. Das Opfer habe ihn auch indirekt in ihrer Aussage vor Gericht identifiziert. Zudem seien die Aussagen der Mittäter glaubhaft, da sie keinen Grund gehabt hätten, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, da sie bereits verurteilt wurden. Zudem decken sich die Aussagen mit den früheren Vernehmungen der Tatbeteiligten bei der Polizei. Daher sei die geforderte Haftstrafe tat- und schuldangemessen.

Die Erste Große Strafkammer des LG Oldenburg verurteilt den Angeklagten am 21. März 1978 zu 8 Jahren Haft wegen schweren Raubes, Betrug, Unterschlagung und Vergewaltigung. Die Kammer habe dem Angeklagten nicht geglaubt. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass nur der Angeklagte die angeklagten Taten begangen haben kann. Bei ihrer Urteilsbegründung stützt sich das Gericht hauptsächlich auf die Aussagen des Opfers, die den Täter auch identifiziert hat, und den Aussagen der Mittäter. Die Richter halten die Aussagen der beiden Zeugen für glaubhaft und sind überzeugt, dass B. der Täter war, der bei der Tat auch eine Waffe mitgeführt hat. Für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit- wie vom Angeklagten ins Spiel gebracht- gibt es keine Anhaltspunkte. Von einem Geständnis kann auch nicht gesprochen werden, da der Angeklagte nur das eingeräumt hat, was sowieso nicht zu bestreiten ist. Das Gericht sieht nur einen Milderungsgrund: Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, weil das erste Urteil des Landgericht Oldenburg noch keine Rechtskraft erlangt hat.

Sowohl Anklage und Verteidigung legen form- und fristgerecht Revision beim BGH in Karlsruhe ein.

Sofort nach dem Urteil wird B. wieder nach NRW verlegt. 10 Tage später folgt der nächste Auftritt vor Gericht- diesmal als Zeuge in einem Drogenprozess vor dem Schöffengericht Arnsberg. Er soll in der Verhandlung gegen einen Dealer vernommen werden, der in der Mendener Drogenszene als „Mao“ bekannt ist. Es besteht der Verdacht, dass B. auch in Geschäfte des Angeklagten verwickelt ist.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen sagt B. in dem Prozess aus. B. macht jedoch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und verweigert die Aussage, nutzt aber die Gelegenheit, um seine Aussagen im Mordfall Gosselke erneut zu widerrufen.

Am 21.8.1978 wird der Mordfall Doris Gosselke dann als erster Filmfall in Aktenzeichen xy vorgestellt. Im Vordergrund der Fahndung steht die Suche nach dem letzten Begleiter von Doris Gosselke. Zudem wird nach dem Verbleib des Tenniskoffers und dem Schläger der Marke Dunlop gefragt. Auch die Autoschlüssel des Jaguars fehlen.

Dann erfährt der Zuschauer, dass die Kripo Dortmund bereits einen Tatverdächtigen ermittelt hat- es ist Helmut B. aus Wilhelmshaven, nach dem bereits gut ein Jahr zuvor in Aktenzeichen xy gefahndet wurde. Er benutzte- wie bereits aus der früheren Fahndung bekannt- viele Falschnamen. Es wird nach den Aufenthaltsorten von B. gefragt, insbesondere vor dem 24.8.1977. Und wer weiß, ob B. mit dem Opfer bekannt war.

Dann wird die bei B. sichergestellte Waffe der Marke Kuno Melcher MEG 6mm Flobert gezeigt. In der Trommel wurden die Löcher vergrößert, damit auch mit einem größeren Kaliber geschossen werden kann. Die Kripo fragt die Zuschauer, wo und wann diese Veränderungen vorgenommen wurden und wie B. in den Besitz der Waffe gekommen ist, insbesondere ob er sie bereits vor dem 24.8.1977 besessen hat.

Die Resonanz nach der Ausstrahlung ist erneut hoch. Ca. 100 Hinweise gehen ein, nach Angaben der Kripo sind zwei „heiße“ Anrufe aus Oldenburg dabei, die sich auf die in der Sendung gezeigte Waffe beziehen. Die Beamten sind die nächsten Wochen damit beschäftigt, die Hinweise von den Zuschauern zu überprüfen.

Ein Freund von B. hatte sich nach der Sendung gemeldet und bestätigt, dass sich das Opfer und B. bereits vor der Tat längere Zeit gekannt hatten. B. spielte sogar mit dem Gedanken, die „ganz große Kohle“ mit Doris machen zu wollen. So habe er bei ihm angefragt, ob er bei einer Entführung „dabei wäre“- dies habe der Anrufer jedoch abgelehnt. Nach monatelanger Ermittlungsarbeit erhebt die Staatsanwaltschaft Arnsberg im November 1978 Anklage gegen Helmut B., der nach weiteren bekannt gewordenen Fluchtplänen in die JVA Hamm verlegt wurde, wegen Mordes.

Davor stehen für den Tatverdächtigen jedoch zwei Revisionsprozesse vor dem BGH bevor. Das erste Urteil des LG Oldenburg, in dem B. zu einer Haftstrafe von 2 Jahren wegen Betruges und Unterschlagung verurteilt wurde, bestätigen die Richter im September 1978.

Nur eine Woche später wird jedoch das zweite Urteil aus dem Prozess in Oldenburg, in dem B. wegen Raubes, Vergewaltigung, Unterschlagung und Betruges zu 8 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, aufgehoben und die Richter geben damit der Revision der Verteidigung teilweise statt. Die Oldenburger Richter hatten damals in ihrem Urteil zwischen der Vergewaltigung und des Raubes Tatmehrheit angenommen, der V. Strafsenat des BGH sieht jedoch zwischen beiden Tatbeständen eine Tateinheit- übersetzt heißt das, dass insgesamt nur eine Tat vorliegt und nicht zwei selbständige Handlungen. Somit hebt der BGH die für beide Taten verhängten Einzelstrafen und somit auch die Gesamtstrafe auf. In der Sache aber verwirft der BGH die Revision und bestätigt damit den Schuldspruch. Der Prozess muss dennoch vor einer anderen Kammer des LG Oldenburg neu verhandelt werden, wobei allerdings nur die Gesamtstrafe neu festgelegt wird.

Teil 3: Der Prozess im Mordfall Gosselke startet in Arnsberg. Reichen die Beweise für eine Verurteilung aus? Hatte Helmut B. mit dem Opfer wirklich eine heimliche Beziehung?


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 05.10.2023 18:24 | nach oben springen

#21

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 20.10.2023 18:41
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

29.07.1977 SF 3 (Kripo Delmenhorst) Fahndung nach dem Betrüger Helmut B.
14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke
Teil 3


Am 8. Januar 1979 findet vor dem Schwurgericht des Landgerichts Arnsberg der Prozess gegen Helmut B. statt. Neun Verhandlungstage sind angesetzt und insgesamt 36 Zeugen, ein Psychiater und ein Psychologe geladen.

Die Anklage wirft den 29-jährigen Helmut B. Mord vor. Er soll die 36-jährige Doris Gosselke am 24. August 1977 in einem Wald an der westfälischen Sorpetalsperre mit ihrem eigenen Kopftuch erdrosselt haben. Zeugen haben den Angeklagten zunächst im Wagen des Opfers in Hemer gesehen und dann später am Fundort des Wagens in Nähe des Auffindeortes der Leiche von Doris Gosselke. Gegen den Angeklagten spricht auch, dass er bei erneuten Tatortsuchung 7 Monate nach der Tat beim Fundort der Leiche ein Stück des Griffs einer beim Angeklagten sichergestellten Waffe entdeckt wurde. Diese Tatwaffe war bereits vor der Tat im Besitz des Angeklagten.

Helmut B. möchte zur Überraschung der Prozessbeteiligten aussagen. Er gesteht, am Tattag am Tatort gewesen zu sein- obwohl er dies in den Vernehmungen energisch abgeschritten hatte. Er wollte an diesem Tag in Hachen- ein Ortsteil der Stadt Sundern im Hochsauerlandkreis- eine Freund besuchen, habe ihn aber nicht angetroffen.
Anschließend sei er aus Langeweile zum Sorpesee gefahren, sei aber nach 2 Stunden wieder zurück nach Hachen zurückkehrt. Aber seinen Freund habe er erneut nicht angetroffen. Wieder sei er zum Sorpesee gefahren, dann sei sein Wagen liegen geblieben. Bei einem Spaziergang habe er plötzlich unter Büschen und Sträuchern den blauen Jaguar entdeckt. Der Wagen sei unverschlossenen gewesen, so habe er einen weißen Tenniskoffer mit einem Schläger und eine amerikanische „Kanone“ mitgenommen. Die Leiche will er jedoch nicht gesehen haben.
Er habe das Opfer nicht gekannt und auch noch nie gesehen, daher habe er keine Schuldgefühle. Er sei unschuldig, die ganze Anklage sei ein „Witz“. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen soll sich der Leiter der Mordkommission bei ihm eingeschlichen haben. Als Kriminalrat a.D. und Schriftsteller soll der Beamte ihm eine Mordversion „entlockt“ haben.

Auch erhebt der Angeklagte erneut weitere schwere Vorwürfe gegen die Beamten der Kripo. Er sei geschlagen und bedroht worden und man ihm Beruhigungstabletten verabreicht. Ein Kripobeamter habe ihn mehrmals den Ellenbogen in den Magen und auf den Kopf geschlagen. Zudem wollten ihn die Beamten so klein machen, dass er „in jede Zigarrenkiste passe“.

Die Kripobeamten weisen die Vorwürfe im Zeugenstand zurück. Die Aussagen des Angeklagten seien unwahr. B. wusste zu jeder Zeit „wer wir waren und was wir wollten“- nämlich den Tod von Doris Gosselke aufklären. Der Angeklagte wurde damals während den Vernehmungen weder bedroht noch geschlagen, erklärt ein leitender Kripobeamter vor Gericht. Er wollte die Polizisten als „Marionetten tanzen lassen, wie er es gerne hätte.“ In den ersten Vernehmungen hatte der Angeklagt noch eingeräumt, Doris Gosselke gekannt und sich in unregelmäßigen Abständen mit ihr getroffen zu haben. Im weiteren Verlauf der Vernehmungen habe er dann ausgesagt, dass er schizophren und paranoid sei und möglicherweise sein zweites Ich die Tat begangen haben könnte.
Diese Aussagen habe er dann später in seinen Prozessen wegen Betrugs-, Raub- und Notzuchtdelikten widerrufen und sich darauf „eingeschossen“, er sei während den Vernehmungen misshandelt worden.

Nach diesem Aussagen springt Helmut B. plötzlich auf und beleidigt den Zeugen als „Schwein“. Den Angeklagten werden darauf auf Anordnung des Gerichts neben Fußfesseln auch Handschellen angelegt.

Dann berichtet der Zeuge über die Hausdurchsuchung, die nach der Festnahme des Angeklagten durchgeführt wurde. Dabei haben die Beamten den 6mm- Revolver der Marke Kuno Melcher gefunden. Als bei der kriminaltechnischen Untersuchung festgestellt wurde, dass am Handgriff Absplitterungen verursacht wurden, wurde der Tatort rundum den Fundort der Leiche 7 Monate nach der Tat erneut abgesucht. Mit Schippchen und Sandkastensieben seien die Kripobeamten am Tatort gewesen. Unter einem Buchenblatt können die Beamten dann winzige Holzsplitter sicherstellen. Die Untersuchungen beim LKA kamen zu dem Ergebnis, dass die Splitter zu B.`s Revolver passen.
B. gab in den Vernehmungen an, die Waffe in den Wagen des Opfers gefunden zu haben. Die Ermittlungen ergaben jedoch, dass der Angeklagte bereits vor der Tat die Waffe im Besitz hatte- ein Freund hatte dies bestätigt.

Danach wird ein Polizeibeamter der Kripo Iserlohn gehört, der damals aufgrund eines Phantombildes eine Verbindung zum Mordfall Gosselke herstellen konnte. Kurz vor seinem ersten Prozess in Norddeutschland sei der Angeklagte geflohen. Die Flucht habe ihn zunächst nach Langenscheid geführt. Auch hier habe er sich im kriminellen Milieu bewegt. Bis Februar/März 1977 wohnte Helmut B. an der Sorpe, arbeitete in Menden in der Diskothek „Tiffany“ und zog danach mit seiner Freundin nach Witten, wo er unter seinen Aliasnamen Janssen als Hausmeister arbeitete. Im Frühjahr 1977 habe sich die Kripo Delmenhorst dann entschlossen, nach Helmut B. zu fahnden- unter anderem auch in Aktenzeichen xy. Nach der Ausstrahlung kam es zum Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Freundin- dabei ging es um die weitere Flucht nach Spanien und den angestrebten Eintritt von B. in die Fremdenlegion, um seine Vorstrafen zu löschen. Die jugoslawische Freundin wollte ihren Job als Bediendame nicht aufgeben und verriet das Versteck in Witten. Zielfahnder des LKA Niedersachsen nahmen am 17.11.1977 Helmut B. in seiner Wohnung in Witten fest. Bei der Hausdurchsuchung haben die Beamten Diebesgut aus kleineren Diebstählen gefunden und konnten zu auch eine Verbindung nach Iserlohn herstellen. Dort fiel dann einen Kripobeamten eine Ähnlichkeit mit dem Phantombild im Fall Gosselke auf.

Der Ehemann des Opfers- der als Nebenkläger am Prozess teilnimmt- sagt aus, dass er am Abend des 24. August seine Frau sofort als vermisst gemeldet habe. Als er an diesem Abend nach Hause kam, sei seine Frau nicht zu Hause gewesen. Zudem stand ihr Wagen nicht in der Garage. Er habe sich sofort Sorgen gemacht, da dieses Verhalten untypisch für seine Frau sei. Sie habe immer Bescheid gegeben, wenn sie abends mal unterwegs war. Als noch am selben Abend der Jaguar versteckt im Höveler Knapp gefunden wurde, habe er mit dem Schlimmsten gerechnet.
Eine Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Frau könne er sich nicht vorstellen. Er habe immer den Eindruck gehabt, dass seine Ehefrau glücklich sei- die Erziehung der drei Kinder und die Familie seien das Wichtigste in ihrem Leben gewesen. Er habe nie Anzeichen bemerkt, dass seine Frau Doris ein außereheliches Verhältnis unterhalten würde.

Dann sagt die jugoslawische Freundin des Angeklagten aus. Die 28-jährige Vebeja I. hatte den Einzelhandelskaufmann 1972 in Wilhelmshaven kennengelernt. Beide hätten zunächst in der Hafenstadt, danach in Menden und in Langenscheid zusammengelebt und seien schließlich nach Witten gezogen. Ihr Lebensgefährte sei immer sehr anständig, rücksichtsvoll und hilfsbereit gegenüber Frauen gewesen. Er sei jeden Abend zu Hause gewesen und habe sehr gerne gestrickt. Wolle und Stricknadel habe er in der Kiste aufbewahrt, in dem auch die Waffen gefunden wurden. Er sei jeden Abend spätestens um 20 Uhr zu Hause gewesen- während sie bei der Arbeit war, versorgte er den Haushalt. Er sei ein Hausmann per excellence gewesen.

Die Anklage hält dagegen, dass der Angeklagte zugegeben hatte, am Tattag gegen 19.30 noch im Sauerland gewesen zu sein. Nach Ansicht der Anklage will die Zeugin versuchen, dem Angeklagten ein Alibi zu häkeln und verlangt die Vereidung der Zeugin. Da die Jugoslawin nicht von ihren gemachten Angaben abweichen will- obwohl das Gericht sie über die Konsequenzen einer Falschaussage vor Gericht aufgeklärt hatte- wird sie auf Beschluss der Kammer vereidigt.

Dann sagt ein ehemaliger Taxifahrer aus, der mit dem Angeklagten befreundet ist. Er bestätigt, dass sich Helmut B. und Doris Gosselke bereits 1976 kennengelernt haben. Der Angeklagte habe erzählt, dass er eine verheiratete Frau mit ganz viel Geld kennengelernt habe. Die Millionärsgattin habe er bei einem Spaziergang und einem Gespräch über ihren Hund am Sorpesee kennengelernt und dann regelmäßig getroffen.

Dann wird der Bericht der Gerichtsmedizin vorgetragen. Doris Gosselke starb unter Zuhilfenahme eines Werkzeuges- in diesem Fall durch ein Kopftuch- durch Erdrosseln. Die cerebrale Blutzufuhr zum Gehirn wurde unterbrochen und die daraus resultierende Blutleere des Gehirns führte zum Tod. Nach dem Bericht der Gerichtsmedizin ist es sehr wahrscheinlich, dass das Opfer beim Erdrosselungsakt bereits bewusstlos war- typische Abwehrverletzungen an Händen und Armen wurden nicht festgestellt. Dafür spricht, dass der Kopf des Opfers mehrere Hämatome aufwies, die durch Schlageinwirkung gegen den Kopf entstanden sind. Als Schlagwerkzeug konnte der 6mm- Revolver der Marke Kuno Melcher des Angeklagten identifiziert werden- das Verletzungsmuster stimmt mit den charakterisierenden Merkmalen der Waffe überein.

Ein Sexualdelikt ist auszuschließen- entsprechende Verletzungen im Vaginalbereich wurden bei der Obduktion nicht festgestellt. Zudem spricht die Auffindesituation des Opfers gegen ein Sexualdelikt, denn Doris Gosselke war vollständig bekleidet.

Der Autofahrer, der den Angeklagten damals mitgenommen hatte, sagt aus. Er berichtet, dass er den Angeklagten am Tattag von Sanssouci nach Menden mitgenommen habe. Helmut B. habe Tenniskleidung getragen und eine weiße Tennistasche mit Schläger bei sich gehabt. Er habe sich noch gewundert, dass B. trotz der kühlen Temperaturen nur mit einem weißen T-Shirt bekleidet war. Zudem seien ihm die mit Erde beschmutzten Hände aufgefallen. In Lendringen habe man sogar eine kurze Rast gemacht und einen Imbiss zusammen genommen. Auf die Frage des Zeugen, in welchen Club er Tennis spielen würde, habe der Angeklagte geantwortet, dass er in einem Tennisclub eines Freundes kostenlos spielen würde, da er keine eigene Firma hätte und nicht Jaguar fahren würde und sich so nicht die teuren Aufnahmegebühren leisten könne. Auch habe sich der Anhalter gut in Sorpe und Menden ausgekannt und habe auch kurz über die Diskothek „Tiffany“ gesprochen.
Am Mendener Bahnhof sei der Angeklagte dann ausgestiegen. Als er von dem Mord gehört habe und das vor allem auch nach Tennis- Utensilien gesucht werde, sei er sofort zur Polizei gegangen und habe dabei geholfen, ein Phantombild zu erstellen. Er könne heute vor Gericht mit reinem Gewissen sagen, dass der Angeklagte damals der Anhalter war.

Ein Ehepaar aus Heinsberg wird vorgeladen, die damals den Angeklagten beobachtet hatte, als er den Wagen mit Zweigen zudeckte. Der Angeklagte habe sie noch „angemault“ und verjagt. Er habe gesagt, dass der Weg gesperrt sei und zudem ein Privatweg sei.

Dann werden zwei weitere Zeugen gehört, die das Opfer am Tattag noch lebend gesehen haben. Ein Mitarbeiter des Parkhauses in dem Kaufhaus, in dem Doris Gosselke am 24.8 noch Besorgungen gemacht hat, sagt aus, dass er Gosselke bei Ausfahrt mit dem Parkschein geholfen habe. Sie saß alleine im Wagen, ein Beifahrer war nicht dabei.

Der Zeuge Gerhard F. sagt aus, dass er Doris Gosselke gegen 15.30 Uhr an einer roten Ampel in Hemer in ihrem Jaguar gesehen habe. Er kenne die Familie Gosselke von Handwerktätigkeiten bei Umbauten in ihrem Haus. Er habe an der Ampel gestanden und gegrüßt, jedoch habe Frau Gosselke seine Begrüßung nicht erwidert. Auf dem Beifahrersitz habe er ein Mann gesehen, der sehr große Ähnlichkeit mit dem Angeklagten habe. Das Profil würde stimmen, er habe den Mann aber nur von der Seite gesehen, so dass er nicht 100% sagen könne, ob es wirklich der Angeklagte war.

Als nächster Zeuge wird ein Freund des Angeklagten gehört, der aussagt, dass Helmut B. bereits 1976 erzählt habe, dass er ein „Spitzenweib mit Kohle und Jaguar“ kennengelernt habe, die ihm hörig sei. Zudem erfährt das Gericht, dass der Angeklagte den Zeugen überzeugen wollte, die junge Frau zu entführen und Millionen zu erpressen. Dies sei ein „todsicheres Ding“, die Frau würde nie etwas sagen, so sehr habe er die Frau „im Griff“. Er sei darauf jedoch nie eingegangen. Auch bestätigt der Zeuge, dass die Tatwaffe- ein 6mm-Sportrevolver der Marke Kuno Melcher- bereits vor der Tat im Besitz des Angeklagten war.

Dann wird das psychiatrische Gutachten vorgetragen. Der Gutachter sagt aus, dass die nur auf sich selbst konzentrierte Persönlichkeit des Angeklagten Niederlagen nicht einstecken könne. Er habe eine aggressive und überaus misstrauische Grundeinstellung entwickelt, weil er der Überzeugung sei, die Umwelt sei gegen sie liebe ihn nicht. Das Motiv für die Tat bleibe jedoch offen: Die Beendigung des Verhältnisses und das Ende aller „Millionen“- Pläne könne als Auslöser für den Mord aufgrund der Persönlichkeit von Helmut B. angenommen werden. Eine Schizophrenie sei nach Ansicht des Gutachters auszuschließen.

Eine Schizophrenie schließt auch der Psychologe aus, wirft den Angeklagten jedoch eine Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung vor. Der Angeklagte sei eine stark auf sich bezogene Person, welche anderen Menschen geringere Beachtung als sich selbst schenkt. Dies zeige sich vor allem in dem Verhalten gegenüber Frauen. Der Angeklagte könne sehr „zartfühlend“ zu Frauen sein, habe aber dabei immer nur seinen Vorteil im Auge. Zur Erreichung seiner Ziele sei ihm jedes Mittel recht. Dies würden auch seine Vorstrafen zeigen. Bei seinen Raubtaten und Notzuchtdelikten sei B. brutal und gefühlskalt vorgegangen. Auch die Tötung von Doris Gosselke sei brutal und zeige ein großes Maß an Rohheit.

Kurz vor den Plädoyers stellt die Verteidigung mehrere Beweisanträge und bittet um eine Verfahrenspause. Sie fordert ein neues psychiatrisches und psychologisches Gutachten. Die vom Gericht bestellten Gutachtern hätten den Angeklagten nicht in der kurzen Zeit auf „Herz und Hirn“ prüfen können. Ein neuer Gutachter könne exakter diagnostizieren, ob der Angeklagte tatsächlich schizophren und paranoid sei. Zudem fordert die Verteidigung die Vorladung weiterer Zeugen, die den Angeklagten entlasten könnten.

Nach einer Unterbrechung von 90 Minuten lehnt die Kammer die Beweisanträge der Verteidigung ab und kritisiert den Zeitpunkt der Anträge. Die Stellung dieser Beweisanträge so kurz vor dem Urteil habe bei der Kammer den Eindruck erweckt, dass die Verteidigung das Verfahren verschleppen will. Für den nächsten Verhandlungstag kündigt das Gericht die Plädoyers der Anklage und der Nebenklage an.

Teil 4: Die Plädoyers der Anklage, der Nebenklage und der Verteidigung. War es Mord oder Totschlag? Wie wird das Gericht urteilen? Wie gehen die weiteren Prozesse aus? Die Antworten gibt es im vierten Teil


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 20.10.2023 18:41 | nach oben springen

#22

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 02.04.2024 11:43
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

29.07.1977 SF 3 (Kripo Delmenhorst) Fahndung nach dem Betrüger Helmut B.
14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke
Teil 4


Am 26.1.1979 werden die Plädoyers der Anklage und der Nebenklage vorgetragen. Beide Anklagevertreter zeigen sich nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der 29-jährige Helmut B. die Unternehmensgattin Doris Gosselke aus Hemer- Dellinghofen am 24.8.1977 im Waldgebiet Höveler Knapp ermordet hat und fordern eine lebenslange Haft. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sich der Angeklagte am Tattag gegen 15.30 Uhr mit seinem Opfer getroffen habe. Auf der Rückfahrt habe der Angeklagte den Wagen dann rückwärts in den Waldweg gesetzt. Ob sein Opfer freiwillig oder schon unter Waffengewalt zum Tatort mitgegangen sei, konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden. Dann sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf B. sein Opfer mit dem Revolver der Marke Kuno Melcher niederschlug und so betäubte. Die bewusstlose Frau habe der Angeklagte anschließend mit ihrem Kopftuch erdrosselt. Offen sei, ob B. den Plan zur Tat bereits im Vorfeld geplant habe oder erst am Tatort gefasst habe. Trotzdem sei die Tat geplant gewesen, da der Angeklagte die Waffe mitgebracht habe, um Doris Gosselke zu töten. Die Anklage nimmt als Motiv an, dass Doris das Verhältnis beenden wollte und deshalb sterben musste. Dadurch sah der Angeklagte seine Millionen-Pläne davon schwimmen. Die Anklage räumt zwar ein, dass Helmut B. zartfühlend zu Frauen gewesen sei. Dies gelte jedoch nicht für jene Frauen, die nur Objekt für ihn seien, um an Geld zu kommen. Dies zeige auch der Entführungsplan, den der Angeklagte geplant hatte.
Als Täter kommt nur der Angeklagte in Frage- Zeugen hätten ihn am Tatort identifiziert. Seine Aussagen, er habe nur zufällig den Wagen im Gebüsch gefunden, seien Schutzbehauptungen. Zudem wurde der Angeklagte vor Gericht der Lüge überführt. Die Tatwaffe habe er nicht im Auto gefunden, sondern gehörte bereits vor Tat ihm- dies haben Zeugen ebenfalls bestätigt. Im Ergebnis sei Helmut B. wegen Grausamkeit und zur Verdeckung einer Straftat des Mordes schuldig und ist daher zu lebenslanger Haft zu verurteilen.

Auch die Nebenklage fordert eine lebenslange Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte habe Doris Gosselke grausam und zur Verdeckung einer Straftat ermordet. Zudem sollte das Gericht die Verhängung der Sicherungsverwahrung prüfen.

Die Verteidigung fordert wegen erwiesener Unschuld Freispruch. Die Hauptverhandlung hätte keinen eindeutigen Beweis erbracht, dass Helmut B. für den Tod von Doris Gosselke verantwortlich sei. Alle Zeugen, die den Angeklagten im Zeugenstand belastet haben, hätten alle einen Grund hier vor Gericht zu lügen. Das Gericht habe nur Zeugen von zweifelhaftem Ruf vorgeladen- ihn könne kein Glauben geschenkt werden.
Dass der Angeklagte am Tattag am Tatort war, habe er in seiner Aussage zugegeben- das heißt jedoch nicht, dass Helmut B. der Täter ist. Die Zeugenaussagen von Spaziergängern im Höveler Knapp widerlegen diese Annahme auch nicht. Keine Zeuge hat die Tat beobachtet. Der Zeuge, der Helmut B. im Wagen des Opfers gesehen haben will, kann sich auch getäuscht haben. Der Zeuge und der Angeklagte haben sich nie vorher gesehen. Es kann daher auch sein, dass der Zeuge von der Berichterstattung von früheren Prozessen Einzelheiten über den Angeklagten erfahren hat.
Im Ergebnis gibt es nur Indizien gegen Helmut B., die so schwach sind, dass sie keine Verurteilung wegen eines Tötungsdelikt rechtfertigen würden. Zudem muss die Verteidigung feststellen, dass weder die Anklage noch die Kammer ein Interesse daran hatten, den wahren Täter zu finden. Entlastende Indizien, die gegen die Schuld des Angeklagten sprechen, wurden nicht beachtet. Man hätte sich schon früh auf einen Täter festgelegt, anders seien die Ablehnungen der Beweisanträge der Verteidigung nicht zu erklären. Die Verteidigung fordert daher einen Freispruch vom Vorwurf des Mordes.

In seinen letzten Worten fordert Helmut B. vom Gericht „Alles oder nichts“. Entweder er werde freigesprochen oder zu lebenslanger Haft verurteilt. Er rechne zwar mit einer lebenslangen Haft, werde danach aber weiter kämpfen. Er sei unschuldig, er habe das Opfer nicht gekannt und schon gar nicht getötet. Er verspüre keine Schuld und das werde er auch beweisen- wenn nicht vor diesem Gericht, dann vor einem anderen.

Im Februar 1979 spricht das Landgericht Arnsberg das Urteil. Die Kammer verurteilt Helmut B. wegen Totschlags zu 12 Jahren und verhängt eine Gesamtstrafe mit der ersten Verurteilung des LG Oldenburg vom Februar 1978 von 13 Jahren. Die Kammer bedauert am Anfang der Urteilsbegründung den Umstand, dass viele Fragen im Prozess nicht geklärt werden konnten: „Es gibt viel zu vermuten, aber wenig zu sagen.“ Seit wann der Angeklagte Doris Gosselke kannte, bleibt genauso unbeantwortet wie die Tatsache, zu welchen Zeitpunkt er das Opfer am Tattag getroffen hat. Dennoch sei die Kammer davon überzeugt, dass B. die 36-jährige Industriellenehefrau zunächst mit zwei Schlägen seines Revolvers betäubt und anschließend mit einem Kopftuch erdrosselt hat. Die wichtigsten Mosaikteile in der Indizienkette seien die Tatwaffe, die bereits vor der Tat im Besitz des Angeklagten war, die Einlassungen des Angeklagten in den Vernehmungen bei der Kripo und Zeugen, die Helmut B. zur Tatzeit am Jaguar der Getöteten an der Sorpetalsperre im Waldgebiet Höveler Knapp gesehen haben.

Die Version des Angeklagten, er sei am 24.8. 1977 nach Hachen zu seinem Freund gefahren- obwohl er ihn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen hat- sei ebenso unglaubwürdig wie die Aussage, die Tatwaffe aus dem Grund behalten zu haben, weil sie ein Beweis für seine Unschuld sei. Nach Ansicht der Kammer hat B. die Waffe behalten, weil sie „nicht heiß“ war- denn Doris Gosselke wurde mit ihrem Kopftuch erdrosselt. Dieser Fakt war jedoch nur dem Täter bekannt, denn zu keinem Zeitpunkt der Ermittlungen war von einem Schlagwerkzeug- auch nicht in der Presse- die Rede.

Ein Sexualmord schließt das Landgericht Arnsberg jedoch aus. Täter und Opfer haben sich schon länger gekannt, wohl auch eine Beziehung gehabt- Zeugenaussagen belegen dies. Beim Rendezvous kam es zum Streit, dann schlug der B. zu. Auf Grund seiner Aggressivität- von Gutachtern vor Gericht diagnostiziert- kam es dann zur Tötung. Im Ergebnis sei die Tat somit als Totschlag zu werten und nicht als Mord. Aufgrund der Brutalität der Tat und der Gefährlichkeit des Angeklagten, die er bereits bei früheren Straftaten gezeigt hat, sei eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren wegen Totschlags tat- und schuldangemessen. Aufgrund einer rechtskräftigen Verteilung von 2 Jahren des LG Oldenburg sei eine Gesamtstrafe von 13 Jahren zu bilden.

Sowohl die Anklage als auch die Verteidigung legen gegen das Urteil des LG Arnsberg Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Zwei Monate nach der Verurteilung wegen Totschlag beginnt am 27. April 1979 der Revisionsprozess vor der Zweiten Großen Strafkammer des LG Oldenburg. Die Anklage wirft B. vor, zusammen mit zwei Komplizen 1975 in einem Wilhelmshavener Schwesterwohnheim eine junge Schwesternschülerin überfallen, die junge Frau mit einer Waffe bedroht, ausgeraubt und vergewaltigt zu haben. Im ersten Prozess hatte B. den Betrug, Unterschlagung und einfachen Raub gestanden, Waffengewalt und die Vergewaltigung allerdings bestritten. Jedoch verurteilte die Erste Große Strafkammer des LG Oldenburg Helmut B. im März 1978 wegen schweren Raubes, Betrug, Vergewaltigung und Unterschlagung zu 8 Jahren. Der BGH verwarf die Revision und bestätigte damit den Schuldspruch, wertete aber im Gegensatz zu den Oldenburger Richtern den schweren Raub und die Vergewaltigung nicht als zwei selbständige Handlungen, sondern als eine Tat.

(Anm.: Der BGH hat somit die für beiden Taten verhängten Einzelstrafen und damit auch die Gesamtstrafe aufgehoben- der Schuldspruch wegen den angeklagten Taten wurde jedoch bestätigt. Im Revisionsprozess geht es also nur um das Strafmaß, welches geringer ausfallen wird als in der ersten Verhandlung. Für den Raub und für die Vergewaltigung werden somit keine Einzelstrafen, sondern aufgrund der Tateinheit eine Strafe ausgesprochen, welche idR niedriger ist als zwei zusammengefasste Einzelstrafen)

Im April 1979 verurteilt die Zweite Große Strafkammer des LG Oldenburg Helmut B. wegen Vergewaltigung, Betrug, schweren Raub und Unterschlagung zu 6,5 Jahren Freiheitsstrafe. Eine Gesamtstrafe verhängt das LG Oldenburg nicht, da das Urteil des LG Arnsberg wegen Totschlag noch nicht rechtskräftig ist.

Am 30. Januar 1980 wird das Urteil wegen Totschlags vom BGH aufgehoben und der Revision der Anklage stattgegeben- die Revision der Verteidiger verwerfen die Karlsruher Richter. In ihrem Urteilstenor rügen die Richter des BGH, dass bei der Urteilsfindung die Gefährlichkeit B. nicht genügend berücksichtigt und insbesondere die Frage der Sicherungsverwahrung nicht diskutiert worden sei. Die Kammer des LG Arnsberg hatte es versäumt, die gesamte Persönlichkeit des Täters und seine früheren Straftaten in ihre Entscheidung einzubeziehen. Nach Ansicht der Richter in Karlsruhe hätte die Kammer in Arnsberg prüfen müssen, ob bei B. eventuell grundsätzliche Neigungen vorliegen, sich bestehenden Gesetzen und Normen zu widersetzen. Der BGH gibt das Verfahren somit zu Neuverhandlung an das LG Arnsberg zurück mit dem rechtlichen Hinweis, vor allem die Voraussetzungen der Sicherungsverfahren zu prüfen.

Teil 5: Der zweite Prozess im Fall Gosselke. Was entscheidet das Gericht jetzt? Der Prozess beginnt mit einer überraschenden Aussage des Angeklagten. Spielt der Fahndungsaufruf in Aktenzeichen xy eine Rolle in diesem Fall?


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 02.04.2024 11:46 | nach oben springen

#23

RE: 14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

in Filmfälle 06.08.2024 06:52
von bastian2410 • 1.677 Beiträge

29.07.1977 SF 3 (Kripo Delmenhorst) Fahndung nach dem Betrüger Helmut B.
14.04.1978 FF1 (Kripo Dortmund) Mord an Doris Gosselke

Teil 5


Am 2. Februar 1981 beginnt der Prozess gegen Helmut B. vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Arnsberg.

Vor der Beweisaufnahme stellt die Kammer fest, dass der Bundesgerichtshof die Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlages bestätigt hat, jedoch das Strafmaß und die Würdigung der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gerügt hat. Das Gericht hat somit in der begrenzten Neuauflage nicht zu klären, ob ein Mord oder ein Totschlag bzw. weitere Straftaten im Zusammenhang mit der Tötung von Doris Gosselke vorliegen, sondern zu prüfen, welches Strafmaß für die Tat angemessen ist und ob aufgrund der Gefährlichkeit des Angeklagten die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung ausreichend vorliegen. Die Vorinstanz hatte es nach Ansicht des BGH versäumt, die gesamte Persönlichkeit des Täters und seine früheren Straftaten in die Urteilsfindung einzubeziehen. Die Frage, ob beim Angeklagten eventuell grundsätzliche Neigungen vorliegen, sich bestehenden Gesetzen und Normen zu widersetzen, wurde in der Vorinstanz nicht ausreichend geprüft.

Da der Schuldvorwurf des Totschlages nicht verhandelt wird, wird auf die Verlesung der Anklageschrift verzichtet. Da für das Gericht die Persönlichkeit des Angeklagten für die Urteilsfindung eine wichtige Rolle spielt, werden die Vorstrafen des Angeklagten verlesen.

Helmut B. wurde im Februar 1978 wegen Betruges und Unterschlagung vom LG Oldenburg zu 2 Jahren Haft verurteilt. Im März 1978 wird Helmut B. wegen schweren Raubes und Vergewaltigung vom Landgericht Oldenburg zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Das Urteil des LG Oldenburg wird in Hinblick auf das Strafmaß aufgehoben. In einer neuen Verhandlung wird das Urteil vom Landgericht Oldenburg im April 1979 auf 6,5 Jahre reduziert.

Im Januar 1979 wird Helmut B. von der Schwurgerichtskammer des LG Arnsberg zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil er nach Ansicht der Richter im August 1977 im Sauerland die 38jährige Doris Gosselke erdrosselt hat. Beide Prozessparteien hatten Revision beim BGH in Karlsruhe eingelegt. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde stattgegeben, die Revision der Verteidigung wurde im Januar 1980 verworfen.

Der vorsitzende Richter fragt Helmut B., ob er zu den Vorwürfen aussagen möchte. Zur Überraschung aller Prozessbeteiligten bejaht B. diese Frage. Der Angeklagte, der bis dato in jeden Prozess bestritten hatte, Doris Gosselke auch nur gekannt zu haben, gesteht zum Auftakt des Prozesses die Tat und sagt aus, er habe Doris getötet. Er habe das Opfer Mitte 1976 bei einem Spaziergang am Sorpesee kennengelernt. „Wir haben uns danach immer wieder getroffen und dann ein Verhältnis gehabt. Später- Anfang 1977- wollte ich Schluss machen, aber ich kam von Doris irgendwie nicht los.“

Im Sommer 1977 habe er dann erneut versucht, das Verhältnis zu beenden. Allerdings habe Doris davon erfahren, dass er kriminell sei und dass die Polizei nach ihm suchen würde. „Doris hatte aus den Medien erfahren, dass nach mir gefahndet wird. Einige Tage vor der Tat im Wald sind wir nach Menden gefahren. Da habe ich mir mit ihrem Geld für 650 DM einen Revolver besorgt. Doris wusste davon.“

Auf die Frage des Gerichts, was beide mit der Waffe machen wollten, schweigt Helmut B. zunächst. Nach Beratung mit seinem Anwalt sagt B. aus, dass Doris wollte, dass er ihrem Mann umbringen sollte. Sie habe sich in der Ehe einsam gefühlt, ihr Mann habe nur für die Firma gelebt und das Familienleben sei auf der Strecke geblieben. Sie wollte sich aus dem „goldenen Käfig“ befreien und ein neues Leben anfangen.

Die Staatsanwaltschaft bezweifelt jedoch die Angaben des Angeklagten und fügt hinzu, dass die Ermittlungen im Umfeld des Opfers keine Hinweise erbrachten, dass Doris Gosselke ihre Familie verlassen wollte und vor allem ihre Kinder in Stich lassen würde.

Den Tattag beschreibt der Angeklagte so: „Ich war an diesem Tag mit Doris verabredet. Wir haben uns gegen 14.30 Uhr nach ihren Einkäufen in Hemer getroffen. Ich saß am Steuer ihres Jaguars. Wir sind dann auf ihren Wunsch hin in eine Waldschneise im Höveler Knapp gefahren. Erst haben wir rumgeschmust und uns geküsst, dann kam es zum Streit über die Sache mit dem Revolver und ihrem Ehemann. Ich sagte ihr, dass ich das nicht mache und ich unsere Beziehung beenden wolle. Der Revolver lag in einem Futteral auf der Mittelkonsole im Auto.“

Plötzlich sei dann Doris Gosselke hysterisch geworden und habe mit ihren Fäusten nach Aussage von Helmut B. mehrmals auf seine Brust gehauen. „Du bist doch ein Krimineller und landest ohne mich im Knast. Die Polizei in ganz Deutschland sucht doch nach dir. Dann habe sie zum Revolver gegriffen und auf mich eingeschlagen.“

„Ich habe dann einmal mit der rechten Hand zurückgeschlagen. Plötzlich fiel Doris in den Beifahrersitz zurück und hat laut geröchelt. Ich dachte, sie hätte sich am Hals etwas eingeklemmt und wollte sie zum Arzt fahren.“

Beim Rückwärtssetzen habe er jedoch den Jaguar festgefahren. Er sei dann ausgestiegen und habe versucht, den Wagen per Hand aus dem Morast zu ziehen. „Dann habe ich ein Pärchen auf ihren Spaziergang bemerkt. Ich habe dann versucht, die beiden zu verjagen, damit sie nicht ins Auto gucken. Als ich wieder ins Auto steigen wollte, bemerkte ich, dass Doris tot war.“

„Ich bin dann in Panik geraten, weil ich ja auch gesehen wurde. Ich hatte Angst, dass mich das Pärchen identifizieren würde und mir der Tod von Doris angelastet wird.“ Er habe dann den Plan gefasst, dass Opfer auf die Lichtung zu tragen und dort abzulegen. Dort habe er ihr mit dem Revolver Schlagverletzungen zugefügt und habe ihr den Schal um den Hals gelegt, um ein Sexualverbrechen mit Raub vorzutäuschen.“

Da sich das Gericht persönlich ein Bild von der Persönlichkeit des Angeklagten machen will, hat sie erneut die Gutachter geladen, die den Angeklagten psychiatrisch untersucht haben.

Der Gutachter sagt aus, dass die nur auf sich selbst konzentrierte Persönlichkeit des Angeklagten Niederlagen nicht einstecken könne. Er habe eine aggressive und überaus misstrauische Grundeinstellung entwickelt, weil er der Überzeugung sei, die Umwelt sei gegen ihn. Das Motiv für die Tat bleibe jedoch offen: Die Beendigung des Verhältnisses und das Ende aller „Millionen“- Pläne könne als Auslöser für den Mord aufgrund der Persönlichkeit von Helmut B. angenommen werden. Im weiteren Verlauf der Untersuchung habe er dann ausgesagt, dass er schizophren und paranoid sei und möglicherweise sein „zweites Ich“ die Tat begangen haben könnte. Eine Schizophrenie sei nach Ansicht des Gutachters ebenso auszuschließen wie eine verminderte Schuldfähigkeit durch eine Drogenabhängigkeit.

Eine Schizophrenie schließt auch der Psychologe aus, wirft den Angeklagten jedoch eine Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung vor. Der Angeklagte sei eine stark auf sich bezogene Person, welche anderen Menschen geringere Beachtung als sich selbst schenkt. Dies zeige sich vor allem in dem Verhalten gegenüber Frauen. Der Angeklagte könne sehr „zartfühlend“ zu Frauen sein, habe aber dabei immer nur seinen Vorteil im Auge. Der Angeklagte sei sich seines Einflusses auf Frauen bewusst. Zur Erreichung seiner Ziele sei ihm jedes Mittel recht. Dies würden auch seine Vorstrafen zeigen. Bei seinen Raubtaten und Notzuchtdelikten sei B. brutal und gefühlskalt vorgegangen. Auch die Tötung von Doris Gosselke sei brutal und zeige ein großes Maß an Rohheit.

Dann werden die Plädoyers gehalten. Auch wenn die Schuldfrage im Hinblick auf die Tötung von Doris Gosselke hier nicht verhandelt wird, sind nach Ansicht der Verteidigung jedoch gewisse Umstände für die Urteilsfindung zu berücksichtigen. Hätte Helmut B. bereits in der ersten Verhandlung den wahren Tatverlauf geschildert, wäre er erst gar nicht wegen Totschlag verurteilt worden. Dann wäre- wenn überhaupt- eine Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht gekommen. In diesem Fall wäre diese Verhandlung überflüssig und man müsste die Frage wegen der Sicherungsverwahrung gar nicht verhandeln. Aufgrund der Beweisaufnahme in diesem Prozess kann man sogar überlegen, die in der ersten Instanz verhängte Freiheitsstrafe zu reduzieren. Auf keinen Fall darf sie höher ausfallen, auch unter Einbeziehung der rechtskräftigen Strafen aus Oldenburg. Da das Opfer eine gewisse Mitschuld an der Tat trägt und hier im Zweifel für den Angeklagten von einer Extremsituation auszugehen ist, darf das Gericht keine Sicherungsverwahrung verhängen. Sollte die Kammer jedoch die überwiegende Hauptschuld beim Angeklagten sehen, käme nur der gleiche Strafrahmen wie in der Vorinstanz in Frage, auch unter Einbeziehung aller Strafen aus vorherigen Verhandlungen, also eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren.

Die Anklage sieht in den Angeklagten einen Verbrecher, der für lange Zeit weggesperrt werden muss. Seine Taten- auch die bereits abgeurteilten Straftaten- zeigen ein hohes Maß von krimineller Energie. Zur Erreichung seiner Ziele kennt der Angeklagte keine Grenzen. Dies zeigen seine Taten, die brutal und gefühlskalt durchgeführt wurden. Das die Verteidigung eine Mitschuld von Doris Gosselke sieht, sei zwar ihr gutes Recht, aber „ungeheuerlich und aus der Luft gegriffen.“ Der Tatablauf und damit die Tötung von Doris Gosselke zeige ein hohes Maß an Brutalität, da der Angeklagte entgegen seinen Schilderungen das flüchtende Opfer noch mehrere Meter verfolgt, niedergeschlagen und erwürgt habe. Darüber hinaus lasse der Angeklagte keinerlei Reue erkennen- im Gegenteil: er sucht die Schuld bei seinem Opfer und will sogar dadurch seine abscheuliche Tat rechtfertigen. Die Anklage fordert daher eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Totschlags für Helmut B.

(Anm: zur Überraschung aller stellt die Staatsanwaltschaft erneut nicht den Antrag auf Sicherungsverwahrung, obwohl die Nichtverhängung der Sicherungsverwahrung in der ersten Instanz von der Anklage vor dem BGH gerügt wurde und der rechtlichen Würdigung durch die Karlsruher Richter stattgehalten hat.)

Die Nebenklage schließt sich der Argumentation der Anklage an und fordert für Helmut B. eine Verurteilung zu 18 (!!!) Jahren Haft. Zudem sieht sie die Notwendigkeit, dass die Gesellschaft vor dem Angeklagten wegen seiner Gefährlichkeit geschützt werden muss und beantragt die Verhängung der Sicherungsverwahrung.

(Anm: die maximal zeitige Freiheitsstrafe beträgt damals wie heute 15 Jahre. Warum die Nebenklage 18 Jahre gefordert hat, entzieht sich meiner Kenntnis und kann juristisch nicht erklärt werden.)

Am 4. Februar 1981 spricht die Schwurgerichtskammer Arnsberg das Urteil und verurteilt Helmut B. wegen Totschlags unter Einbeziehung der vorherigen Strafen zu 15 Jahren Freiheitsentzug. Zudem ordnet die Kammer die Sicherungsverwahrung an, sodass Helmut B. nach Verbüßung seiner Strafe weiter im Strafvollzug verweilen muss. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte im August 1977 Doris Gosselke zunächst durch Schläge mit dem Revolver betäubt hat und anschließend mit einem Kopftuch des Opfers erdrosselt hat. Auch wenn die Schuldfrage bereits rechtskräftig durch die Vorinstanz festgestellt wurde, lässt der Tathergang Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten zu. Die Kammer ist der Ansicht, dass die „zwar kurze, aber intensive kriminelle Karriere des 31jährigen Wilhelmshaveners ein Ende finden muss.“ Die Richter sehen in ihrer Urteilsbegründung die Notwendigkeit, dass die Gesellschaft vor der von krimineller Energie geprägten Persönlichkeit des Angeklagten geschützt werden muss. „Ohne Sicherungsverwahrung käme der Angeklagte im besten Mannesalter wieder aus dem Gefängnis und könne ohne weiteres noch schwere Straftaten begehen. Die Gesellschaft muss vor solchen Gewalttätern geschützt werden.“ Ausschlaggebend für die Anordnung der Sicherungsverwahrung sei die Gesamtwürdigung der Gefährlichkeit des Täters und seiner Taten. Schon bei seinen Raub- und Notzuchttaten in Wilhelmshaven sei der Angeklagte brutal und gefühlskalt vorgegangen. Das Gericht habe sich den Ausführungen der Gutachter angeschlossen. Auch die Tötung an der Unternehmensgattin zeige ein hohes Maß an Rohheit und Brutalität, da er Doris Gosselke noch 100 Meter verfolgt und dann mit einem Revolver niedergeschlagen bzw. betäubt und erwürgt habe. Auch lasse der Angeklagte mit seinen Schilderungen vor Gericht keinerlei innere Umkehr erkennen. Das Opfer im Prozess noch zu demütigen mit reinen Schutzbehauptungen sei widerwertig und ungeheuerlich. Das Strafmaß sei daher tat- und schuldangemessen und der Angeklagte hätte jetzt lange Zeit, über sein Verhalten in der Haft nachzudenken.

Die Verteidigung legt erneut Revision beim BGH ein. Ende des Jahres 1981 verwirft der BGH jedoch die Revision des Angeklagten. Nach 5 Prozessen ist das Urteil rechtskräftig.

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So, ich hoffe, ich konnte bei diesem Fall etwas Licht ins Dunkle bringen. Wir haben lange gerätselt, wie es in diesem Fall weiterging. Hing wohl auch damit zusammen, dass Helmut B. bereits bei Ausstrahlung des Falles in U- Haft saß. Fälle, die so lange zurückliegen, haben Vor- und Nachteile. Nachteil ist, dass diese Fälle nicht digital abrufbar sind, d.h. man muss noch richtig staubige Gerichtswälzer aus den alten Zeiten durchstöbern. Vorteil ist, dass Datenschutz damals noch keine Rolle gespielt hat, volle Namen wurden noch genannt und nicht abgekürzt wie Angeklagter A und Opfer B. Wenn man den Fall zeitlich eingrenzen kann, kann man also auch bei Altfällen auf Informationen stoßen.

Der Fall erinnert etwas an Andrea Bergmeier und dem Porsche aus München. Auch da haben wir uns gefragt, wie eine wunderschöne und kluge Frau auf solche Männer reinfallen kann. Auch wenn in diesem Fall die Motivlage für ein Intimverhältnis eine andere ist. Die Einsamkeit und die fehlende Zuneigung in der Ehe haben Doris Gosselke wohl in die Arme ihres Liebhabers geführt. Das beide ein Verhältnis hatten, glaubte auch das Gericht und wurde durch Zeugenaussagen untermauert. Ein Badboy- Image war wohl schon in den 70er und 80er anziehend.

Doris Gosselke wusste spätestens zum Zeitpunkt ihres Todes von der kriminellen Vergangenheit ihres Liebhabers. Wusste sie es vielleicht durch die Ausstrahlung der Fahndung durch xy? Gut drei Wochen vor ihrem Tod wurde nach Helmut B. in Aktenzeichen xy gefahndet. Explizit wurde das im Verfahren nicht genannt, wäre aber möglich. Wollte sie sich vielleicht deswegen von Helmut B. trennen? Oder wusste sie bereits vor der Fahndungsausstrahlung von dem Vorleben ihres Liebhabers? Konnte oder wollte sie sich nicht trennen? Viele Fragen, kaum Antworten. Das Doris Gosselke ihren Mann mit Hilfe von B. umbringen wollte, glaube ich allerdings nicht. Und das Helmut B. getötet hat, damit er nicht verraten wird, glaube ich auch nicht. Ihr seht, mit dem Motiv habe ich meine Schwierigkeiten.

Ein paar juristische Anmerkungen. Auch wenn 5 Prozesse nötig waren, um B. endlich hinter Gitter zu bringen, waren es unspektakuläre Prozesse. Auch wenn die Urteile z.T. aufgehoben wurden, waren es kurze Prozesse, da die Schuldfrage aufgrund der Beweislage unstrittig war. Lediglich die rechtliche Würdigung wurde in zwei Prozessen durch den BGH gerügt.

Es ist möglich, auch für Totschlag eine lebenslange Haft zu verhängen. Anstelle der fehlenden Mordmerkmale- sonst liegt § 211 StGB (Mord) vor- müssen besondere Umstände hinzutreten, durch die – wie bei Mord – das nötige Maß an „auf sittlich niedrigster Stufe stehender“ besonderer, „geradezu verächtlicher“ Verwerflichkeit erreicht wird- so hat der BGH entschieden. Allerdings passiert solch eine Verurteilung selten, da in solchen Fällen in der Regel das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ vorliegt. Eine Verurteilung wegen Totschlags mit lebenslanger Haft kommt eigentlich nur vor, wenn der Täter mehrere Tötungen begeht, man aber keine Mordmerkmale feststellen kann, z.B. weil die Todesursache nicht nachgewiesen werden kann oder die Opfer nicht gefunden werden. (siehe z.B. der Elternmord von Syke- Hajo und Vera Burmeister)

Auch muss angemerkt werden, dass B. für den Totschlag an Doris G. nur zusätzlich maximal 7 Jahre bekommen hat. Aus sämtlichen Verurteilungen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren gebildet. Da B. bereits in Oldenburg zu 2 bzw. 6,5 Jahren und in Arnsberg zu insgesamt 15 Jahre verurteilt wurde, bleiben maximal 7 Jahre für den Totschlag übrig.

Eine Bemerkung noch zur Nebenklage, die 18 Jahre Haft gefordert hat. Die maximal zeitige Freiheitsstrafe, die ausgesprochen werden kann, sind 15 Jahre. Darüber hinaus gibt es nur lebenslange Haft. Das war schon damals so. Solch einen Antrag habe ich ehrlich gesagt noch nie gehört und ich frage mich natürlich, wo der Anwalt der Nebenklage Jura studiert hat. Nicht zu verwechseln ist dies mit der Mindestverbüßungsdauer bei einer lebenslangen Haft, die von den Strafvollstreckungsbehörden festgelegt wird, nicht vom Gericht.

Und zur guter Letzt: Was wurde aus Helmut B.? B. saß seine Strafe in Gefängnissen in Niedersachsen und NRW ab. Zuletzt saß er in der JVA Werl. Wann genau B. aus der Haft entlassen wurde, habe ich jetzt nicht recherchiert. Allerdings kann man sich das leicht herleiten. Helmut B. wurde im November 1977 in Witten verhaftet und zu 15 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Diese dauerte damals maximal 10 Jahre an und es musste alle zwei Jahre überprüft werden, ob die Voraussetzungen der SV noch gegeben waren. Das bedeutet, dass B. maximal 25 Jahre im Gefängnis und spätestens Ende 2003 entlassen wurde. Im Durchschnitt saß man damals bei Tötungsdelikten mit SV 5-7 Jahre zusätzlich ein, so dass B. um die Jahrtausendwende entlassen wurde.

Ob Helmut B. heute noch lebt, soll nicht Gegenstand dieses Reviews sein. Er wäre heute um die 75 Jahre alt.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 06.08.2024 06:54 | nach oben springen



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