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von bastian2410 • 1.677 Beiträge
10.1.1997 FF 1 (Kripo Darmstadt) Mordfall Sebastian Musial (Dreierzelt)
in Filmfälle 10.02.2011 01:40von bastian2410 • 1.677 Beiträge
Dreierzelt/Der grausame Sexualmord in der Heimstättensiedlung
10.1.1997 FF 1 (Kripo Darmstadt) Mordfall Sebastian Musial
Tattag: 29 Juni 1996 zwischen 19-21 Uhr
Es war ein grausamer Mord, der Mitte 1996 in Darmstadt an den 13 jährigen Sebastian Musial verübt wurde. Zunächst missbraucht in einem Zelt, danach brutal ermordet. Es hätte einer der ersten Fälle sein können, die damals durch die neu entwickelte DNA- Analyse hätte gelöst werden können. Bereits kurz nach der Tat war man dem Täter auf den Fersen, jedoch dauerte es noch 6 Jahre, bis der Fall geklärt wurde. Somit war es ein langer Weg, bis der wahre Täter überführt werden konnte.
Die Familie Musial ist Ende der 80er von Polen nach Deutschland übergesiedelt und lebt seit dem im Darmstädter Stadtteil Eberstadt. Die Familie hat sich schnell eingelebt in ihrer neuen Umgebung, die Eltern haben sofort Arbeit bei der hessischen Firma Merck gefunden. Frau und Herr Musial haben insgesamt 3 Kinder. Der älteste Sohn, der 13 jährige Sebastian, will an diesem Samstagnachmittag ein Fest seines Fußballvereins FC Eiche besuchen. Es ist der 29. Juni 1996. Das Abschlussfest des FC Eiche dient auch auf Einstimmung auf das Endspiel der Fußball- Europameisterschaft 1996 im Londoner Wembley-Stadion. Sebastian wird den 2-1 Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über Tschechien 24 Stunden später jedoch nicht mehr erleben.
Nach dem Mittagessen gegen 13 Uhr macht sich der Junge mit seinem Bruder Patrick mit den Fahrrädern auf den Weg zum Sportplatz, der gut 8 km entfernt von der Elternwohnung im Weidigweg liegt. Ihr Weg führt sie aus der Heimstättensiedlung hinaus auf die Heidelberger Landstraße, der Rüdesheimer Straße und dem Schiebelhuthweg. Zur Sicherung der Räder benutzen die Jungs lediglich ein Schloss mit einem Schlüssel, den der jüngere Bruder am Schlüsselanhänger trägt. Ein Umstand, der Stunden später noch eine Rolle spielen wird. Kurz nach dem Aufbruch trennt sich das Paar jedoch wieder auf der Heidelberger Landstraße. Sebastian entschließt dafür, sich von seinem Vater zum Sportplatz fahren zu lassen, da ein Gewitter aufzieht. Patrick setzt die Fahrt mit dem Rad jedoch fort, da er an diesem Abend bei einem Freund übernachten will und daher auf sein Fahrrad angewiesen ist. Gegen 14 Uhr trifft Sebastian auf dem Sportplatz ein und verbringt dort den Nachmittag. Hauptthema unter den Jugendlichen beim Abschlußfest des FC Eiche ist natürlich das anstehende Endspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in England. Gegen 17 Uhr macht sich Sebastian dann auf den Heimweg in die Heimstättensiedlung und läßt sich von seinem Bruder den Wohnungsschlüssel geben. Für den Fahrt mit der Straßenbahn zur Elternwohnung im Weidigweg braucht der Junge ca. 40 Minuten. Zu Hause angekommen, bemerkt der 13 Jährige, dass am Schlüsselbund der Fahrradschlüssel von Patrick hängt. Gegen 18 Uhr verlässt Sebastian zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester, die Verwandte besuchen wollen, die Wohnung und macht sich mit dem Rad erneut auf den Weg zum Sportplatz Elberstadt. Auf dem Weg wird Sebastian auf der sehr langen Heidelberger Landstraße noch zweimal gesehen. Einmal von einer Freundin auf der Moldaubrücke und wenige Minuten später gegen 18.30 Uhr von zwei Schulkameraden in Höhe der Katharinenstraße. Die beiden Jungs sind die Letzten, die Sebastian Musial lebend gesehen haben. Kurz danach muss Sebastian seinen Mörder getroffen haben, auf dem Sportplatz ist der Junge nicht angekommen.
Gegen 22 Uhr kommen die Eltern von ihrem Verwandtenbesuch nach Hause. Sebastian ist nicht nach Hause zurückgekehrt. Jan Musial fährt sofort zum Sportplatz, dort wurde Sebastian jedoch nicht gesehen. Auch auf dem normalen Radweg, den Sebastian für den Weg zum Sportplatz fahren muss, findet der Vater keine Hinweise auf den Verbleib seines Sohnes. Die Eltern entschließen sich, die Polizei einzuschalten und geben eine Vermisstenanzeige auf.
Bereits wenige Stunden nach Aufgabe der Vermisstenanzeige bei der Polizei findet eine Spaziergänger das rote Fahrrad der Marke Fischer von Sebastian vor einem Sportgeschäft in der Eschollbrücker Straße. Die Polizei erfährt von diesem Fund erst am 3.6., nachdem die Passantin aus der Zeitung von dem Fall Musial erfahren hat. Bei Benachrichtigung der Polizei war das Rad jedoch verschwunden, eine Polizeistreife findet kurze Zeit später jedoch das Rad vor einem Wohnhaus im Martinsviertel. Ein 14 Jahre alter Schüler hatte am Sonntagvormittag das Fahrrad gefunden und mitgenommen.
Den ganzen Sonntag suchen Freunde, Schulkameraden und Fußballkollegen nach dem vermissten Jungen. Die Polizei setzt sogar einen Hubschrauber mit Wärmebildsensoren ein; gefunden wird Sebastian jedoch nicht.
Am Montagmittag, wird ein Mitarbeiter der Straßenbetriebe im Wald hinter dem Sportgelände der Turngemeinde Bessungen zwischen der Bundesstraße 3 und der Bahnlinie Darmstadt-Heidelberg an einer Böschung westlich der Karlsruher Straße auf mehrere weggeworfene Bierdosen aufmerksam. Am Wochenende fanden in Darmstadt mehrere Feste statt, auch der Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 1996 einen Tag vorher führte dazu, dass viel gefeiert wurde und sich so etwas Dreck angesammelt hat. Oberhalb der Böschung findet der Mitarbeiter die Leiche von Sebastian und informiert sofort die Polizei. Die Leiche weist äußerlich keine Spuren von Gewalt auf, lediglich am Hals werden Würgemerkmale festgestellt. Außerdem wird festgestellt, daß eine Armbanduhr fehlt, die der Junge am Tag der Tat getragen haben soll. Es handele sich um ein preiswertes Massenprodukt mit auffälligem Zifferblatt der Mark Sport Master.
Nach der Obduktion steht fest, dass Sebastian Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, er starb durch Gewalteinwirkung gegen den Hals. Auf den T-Shirt des Opfers werden Blutanhaftungen gefunden, die sofort kriminaltechnisch untersucht werden. Seit Anfang des Jahres ist möglich, aus kleinsten Speichelresten ein vollständiges DNA- Profil zu erstellen. Trotzdem geht die SoKo auch von der Möglichkeit aus, dass Sebastian eines unbeabsichtigten Todes umgekommen ist, etwa bei einer Balgerei bzw. Auseinandersetzung zwischen Kindern oder Jugendlichen.
Die Arbeit der SoKo in den ersten Tagen konzentriert deshalb zunächst auf einen jugendlichen Täterkreis., insgesamt werden in den ersten 4 Wochen mehr als 100 Jugendliche bzw. Kinder überprüft. Die Ermittlungen werden durch den Umstand erschwert, dass an diesem Wochenende viele Veranstaltungen bzw. Feste in Stadtteil Eberstadt durchgeführt wurden, viele Menschen stimmten sich auf das EM- Endspiel Deutschland gegen Tschechien ein. Im Laufe der Ermittlungen werden bis zur Festnahme des Täters insgesamt 10000 Personen überprüft.
8 Wochen braucht die Auswertung der Blutanhaftungen, es wird eindeutig fremdes organisches Material festgestellt. Auch Reste von Sperma und Speichel werden auf der Kleidung des Kindes entdeckt. Sebastian wurde vor seinem Tod sexuell missbraucht. Jetzt wird für die Polizei auch einen Gegenstand wichtig, der kurz nach Auffinden der Leiche von einer Frau gut einem Kilometer vom Tatort entfernt in einem Holzstapel entdeckt wurde und zunächst nicht eingeordnet werden konnte. Ein Drei- Mann- Zelt mit olivfarbenen Dachschrägen, goldgelben Seitenteilen und braunem Boden. In diesem Zelt werden Spuren von Sebastian sowie vom Täter gefunden. Sebastian wurde vor seinem Tod in diesem Zelt missbraucht, jedoch nicht ermordet. Ebenfalls in diesem Zelt werden zwei Decken gefunden, die wie das Zelt aus dem Besitz des Täters stammen müssen. Es handelt sich zum einen um eine Steppdecke, die auf einer Seite rot, auf der anderen grünblau eingefärbt ist. Außerdem entdeckt die Polizei noch eine große Wolldecke von blaßrosaroter Farbe. Durch eine Flugblattaktion rundum den Tatort und in der Heimstättensiedlung versucht die Kripo Zeugen zu finden, die Angaben machen können, an welcher Stelle das Zelt am Tattag aufgeschlagen war. Tatsächlich können sich Zeugen erinnern, dass das Zelt bis zum Tattag in der Nähe des Tatorts am alten Schießplatz südlich der Heimstättensiedlung aufgeschlagen wurde. Trotz Lautsprecher-Durchsagen, Plakataktionen und der Aufstellung eines großen Schaukastens mit den Beweisstücken in der nahe gelegenen Heimstättensiedlung gelingt es der Kripo nicht, einen Zeugen zu finden, der den Täter mit dem Zelt am bzw. vor dem Tattag gesehen hat. Die Belohnung im Fall Musial erhöht die Polizei auf 10000 DM.
Durch den sexuellen Hintergrund der Tat überprüft die Kripo jetzt auch Insassen der JVA Darmstadt Elberstadt. Auch Andreas T., damals 37 Jahre alt und wegen mehrfachen Diebstahl vorbestraft, wird befragt. Er hatte am 29 Juni Freigang, kehrte jedoch um 21.29 Uhr wieder in die JVA zurück. Die Gerichtsmedizin hatte den Todeseintritt auf 22 bis 4 Uhr festgelegt. Die Polizei schließt ihn somit zu diesem Zeitpunkt als Täter aus. Nach Ansicht der Beamten passt Andreas T. wegen seiner kriminellen Vergangenheit auch nicht ins Profil eines Sexualtäters. Zudem hatte er als Berliner kaum Ortskenntnisse. Eine DNA Probe wurde ihm nicht entnommen.
Im Januar 1997 bittet die Kripo in Aktenzeichen xy die Zuschauer um Mithilfe. Der Fall wird im ersten Filmfall in gewohnter xy- Manier rekonstruiert (u.a. gibt einen Löffel Suppe zu Mittag und Holger Meffert als Straßenarbeiter). In Mittelpunkt steht natürlich das Zelt, welches im Studio aufgebaut ist und die Herkunft der zwei Decken. Auch nach dem Verbleib der Uhr Marke Master wird in der Sendung gefragt. Die Fernsehfahndung bringt die Kripo leider nicht weiter, es gehen kaum Hinweise auf den Fall ein.
Viele Jahre passiert nichts in diesem Fall. Insgesamt 10 000 Männer wurden überprüft, 7400 Spuren wurde nachgegangen, 1 500 Blutproben sind analysiert worden, jedoch führte dies nicht auf die Spur des Täters. Im April 1998 beschließt der Bundestag eine neues Gesetz, welches im Fall Musial die Wende bringt. Seit dieser Zeit werden DNA Profile von Strafttätern, die gewisse schwere Taten verübt haben, in der DNA-Analysedatei beim BKA in einer Datenbank gespeichert.
3 Jahre nach der Tat beschäftigt sich die Radio- Sendung "Nahaufnahmen" im Hessischen Rundfunk mit dem Mordfall Musial. Sowohl Kripo- Beamte der SoKo "Musial" als auch die Eltern kommen in dieser Sendung zu Wort und berichten von den Ermittlungsergnissen. Die Kripo erhofft sich von dieser erneuten Öffentlichkeitsfahndung neue Hinweise in dem ungeklärten Mordfall.
Im April 2001 gibt Andreas T., der kurz nach der Tat von der Kripo der SoKo Musial befragt wurde, freiwillig eine Speichelprobe ab, die zur Speicherung zum BKA nach Wiesbaden geschickt wird. Andreas T. sitzt zu dieser Zeit in der JVA Moabit in Berlin eine Haftstrafe wegen Einbruchs und Diebstahls ab. Am 15 Februar 2002 Februar wird er aus der JVA entlassen.
Die Polizei bittet das BKA Anfang 2002 erneut um einen Abgleich mit dem im Fall vorgefundenen Spuren. Am 1. März erhält das hessischen Landeskriminalamt aus Wiesbaden das Ergebnis der DNA-Analyse vom Speichel des 42-jährigen Mannes: Das DNA Muster ist identisch mit den Spermaspuren auf der Kleidung von Sebastian. Am 5. März 2002 wird Andreas T. am Wittenbergplatz in seinem Heimatort Berlin von Beamten aus Berlin und Darmstadt bei einem Spaziergang festgenommen.
Als die Beamten T. mit dem Ergebnis der DNA- Analyse konfrontieren, gesteht er den Mord an Sebastian Musial. Auch das Zelt, in dem das Opfer missbraucht wurde, hatte er kurz vor der Tat gekauft, um eine Schlafgelegenheit bei seinen Hafturlauben zu haben. An diesem 29 Juni 1996 hatte er für ein paar Tage Freigang aus der JVA Eberstadt. An diesem Tag traf er gegen 18.30 Uhr auf Sebastian auf einer Landstraße. Er lockte Sebastian unter einem Vorwand in das Zelt und würgte, fesselte und knebelte sein Opfer. Das Sebastian durch das Würgen starb, merkte er zunächst nicht und verging sich an seinem Opfer. Er habe nach der Tat versucht, alle Spuren zu beseitigen. Sebastian legte er nahe des Tatorts an einer Böschung ab. Das Zelt habe er rund einen Kilometer vom Tatort entfernt in einem Waldgebiet versteckt, in welchen er sich vor der Tat aufgehalten hatte. Nach dem Geständnis wird Andreas T. in die JVA Weiterstadt verlegt.
Nach der Festnahme muss sich der Polizei heftiger Kritik aussetzen, schließlich wurde Andreas T. bereits kurz nach der Tat befragt worden, eine Speichelprobe wurde ihm jedoch nicht entnommen. Die Polizei nennt mehrere Gründe, warum der Mann den Ermittlern 1996 entwischen konnte:
Zwar sei er im Zusammenhang mit der Tat vernommen worden, doch weder die Art der von ihm bis dahin verübten Straftaten noch der von der Gerichtsmedizin angenommene Todeszeitpunkt des Jungen hätten auf ihn schließen lassen: Es paßte alles nicht, dies war ein einfacher Dieb. Auch ein später vom Bundeskriminalamt erstelltes Täterprofil, das einen jungen Mann aus streng bürgerlichem Hause als Täter angenommen hatte, paßte nicht auf den damals 37 Jahre alten Gewohnheitsdieb. Für die Abnahme einer Speichelprobe bestand damals mangels hinreichender Tatverdacht keine Rechtsgrundlage. Zudem stand die Polizei im Sommer 1996, als sie wochen- und monatelang vergebens nach dem Täter fahndete, vor einer besonders schwierigen Situation. Der als Täter in Frage kommende Personenkreis war wegen zahlreicher Feste und Besuchern aus der ganzen Bundesrepublik riesig. Mit einem immensen Aufgebot an Überprüfungen, bis hin zu 1500 freiwillig abgegebenen Blutproben, sollte er eingegrenzt werden. Alles vergeblich, weil in die falsche Richtung laufend.
Was auch heute unverständlich ist: Es klafft eine unerklärte Diskrepanz zwischen medizinisch ermitteltem Tatzeitpunkt und der eingestandenen Tat selbst. So kam es zu einem Alibi, das keines war. Die von der Gerichtsmedizin festgestellte Tatzeit (22- 4 Uhr) kann nicht stimmen. T. hatte sich um halb 10 in der JVA zurückgemeldet. Für das Beseitigen der Spuren brachte der Täter mindestens 45 Minuten.
Durch weitere Vernehmungen wird das Vorleben des Täters, der mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, bekannt. Andreas T. ist in einem kleinen Dorf bei Halle geboren und lebte dort bis zur Wende. Nach der Wende zog er nach Berlin. Seinen Vater lernte er nie kennen. Seine Kindheit verbrachte er in Heimen. Insgesamt hatte Andreas T. seine Kindheit in schlechter Erinnerung. Bereits als Jugendlicher ist er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, vor allem durch Autoaufbrüche oder Diebstahl "sozialistischen Eigentums".
Im Juni 2002 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Andreas T. wegen Mordes und sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall am Landgericht Darmstadt. Die Anklage wird kurze Zeit später zur Verhandlung zugelassen. Das Verfahren soll am 1.April 2003 vor der Schwurgerichtskammer eröffnet werden.
Gut zwei Wochen vor Prozeßbeginn wird Andreas T. in der JVA Weiterstadt tot aufgefunden. Er hatte sich am Gestell eines Hochbettes mit einem Bettlaken erhängt. Gegen 0.40 Uhr wird er auf einen Kontrollgang von einem JVA- Beamten gefunden. Er wurde wegen Suizidgefährdung vom Wachpersonal alle zwei Stunden kontrolliert und zudem psychologisch betreut . In seiner Zelle wird ein Abschiedsbrief gefunden, in dem er die Tat an Sebastian gesteht. In diesen Briefen bittet Andreas T. auch die Familie Musial um Verzeihung und gibt an, dass er Tat sehr betreut. Das Verfahren vor dem LG Darmstadt gegen ihn wird nach seinem Freitod eingestellt.
Ein Fall aus der Zeit, in der die DNA- Analyse in der KTU das Laufen lernte. Früher wäre der Sexualmord an dem dreizehnjährigen Sebastian wohl einer der ungeklärten Fälle geblieben. Erst neue Kriminaltechnik, wissenschaftliche Methoden und ein Gesetz, das die zentrale Erfassung von DNA-Daten und ihren Abgleich bei der Fahndung erlaubt, haben dazu geführt, daß die Tat aus dem Jahr 1996 geklärt wurde. So waren es eindeutig nicht kriminologisches Gespür und detektivische Intuität, die den mutmaßlichen Täter ermittelten, sondern es war eine neue Systematik der Fahndungsarbeit, die zum Ziel führte. Gleichwohl trübt eine Fülle von Fehleinschätzungen, ja gravierenden Pannen diesen Erfolg. Kriminologische Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich eines Täterprofils und statistische Häufung identischer krimineller Taten führten in die Irre. Die Diskrepanz zwischen ermitteltem und tatsächlichen Tatzeitpunkt ist mir bis heute unerklärlich.
Das Datenbanksystem, in dem DNA-Analysen von Straftätern zur Vorbeugung zukünftiger Straftaten erfaßt und abgeglichen werden, hat sich auch im Fall Musial bewährt. Sie ist heute fester Bestandteil der Fahndungsarbeit, dank ihr wurden viele Altfälle geklärt. Aber blindes Vertrauen auf kriminaltechnische Ergebnisse muss auch heute kritisch hinterfragt werden.
10.1.1997 FF 1 (Kripo Darmstadt) Mordfall Sebastian Musial
Tattag: 29 Juni 1996 zwischen 19-21 Uhr
Es war ein grausamer Mord, der Mitte 1996 in Darmstadt an den 13 jährigen Sebastian Musial verübt wurde. Zunächst missbraucht in einem Zelt, danach brutal ermordet. Es hätte einer der ersten Fälle sein können, die damals durch die neu entwickelte DNA- Analyse hätte gelöst werden können. Bereits kurz nach der Tat war man dem Täter auf den Fersen, jedoch dauerte es noch 6 Jahre, bis der Fall geklärt wurde. Somit war es ein langer Weg, bis der wahre Täter überführt werden konnte.
Die Familie Musial ist Ende der 80er von Polen nach Deutschland übergesiedelt und lebt seit dem im Darmstädter Stadtteil Eberstadt. Die Familie hat sich schnell eingelebt in ihrer neuen Umgebung, die Eltern haben sofort Arbeit bei der hessischen Firma Merck gefunden. Frau und Herr Musial haben insgesamt 3 Kinder. Der älteste Sohn, der 13 jährige Sebastian, will an diesem Samstagnachmittag ein Fest seines Fußballvereins FC Eiche besuchen. Es ist der 29. Juni 1996. Das Abschlussfest des FC Eiche dient auch auf Einstimmung auf das Endspiel der Fußball- Europameisterschaft 1996 im Londoner Wembley-Stadion. Sebastian wird den 2-1 Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über Tschechien 24 Stunden später jedoch nicht mehr erleben.
Nach dem Mittagessen gegen 13 Uhr macht sich der Junge mit seinem Bruder Patrick mit den Fahrrädern auf den Weg zum Sportplatz, der gut 8 km entfernt von der Elternwohnung im Weidigweg liegt. Ihr Weg führt sie aus der Heimstättensiedlung hinaus auf die Heidelberger Landstraße, der Rüdesheimer Straße und dem Schiebelhuthweg. Zur Sicherung der Räder benutzen die Jungs lediglich ein Schloss mit einem Schlüssel, den der jüngere Bruder am Schlüsselanhänger trägt. Ein Umstand, der Stunden später noch eine Rolle spielen wird. Kurz nach dem Aufbruch trennt sich das Paar jedoch wieder auf der Heidelberger Landstraße. Sebastian entschließt dafür, sich von seinem Vater zum Sportplatz fahren zu lassen, da ein Gewitter aufzieht. Patrick setzt die Fahrt mit dem Rad jedoch fort, da er an diesem Abend bei einem Freund übernachten will und daher auf sein Fahrrad angewiesen ist. Gegen 14 Uhr trifft Sebastian auf dem Sportplatz ein und verbringt dort den Nachmittag. Hauptthema unter den Jugendlichen beim Abschlußfest des FC Eiche ist natürlich das anstehende Endspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in England. Gegen 17 Uhr macht sich Sebastian dann auf den Heimweg in die Heimstättensiedlung und läßt sich von seinem Bruder den Wohnungsschlüssel geben. Für den Fahrt mit der Straßenbahn zur Elternwohnung im Weidigweg braucht der Junge ca. 40 Minuten. Zu Hause angekommen, bemerkt der 13 Jährige, dass am Schlüsselbund der Fahrradschlüssel von Patrick hängt. Gegen 18 Uhr verlässt Sebastian zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester, die Verwandte besuchen wollen, die Wohnung und macht sich mit dem Rad erneut auf den Weg zum Sportplatz Elberstadt. Auf dem Weg wird Sebastian auf der sehr langen Heidelberger Landstraße noch zweimal gesehen. Einmal von einer Freundin auf der Moldaubrücke und wenige Minuten später gegen 18.30 Uhr von zwei Schulkameraden in Höhe der Katharinenstraße. Die beiden Jungs sind die Letzten, die Sebastian Musial lebend gesehen haben. Kurz danach muss Sebastian seinen Mörder getroffen haben, auf dem Sportplatz ist der Junge nicht angekommen.
Gegen 22 Uhr kommen die Eltern von ihrem Verwandtenbesuch nach Hause. Sebastian ist nicht nach Hause zurückgekehrt. Jan Musial fährt sofort zum Sportplatz, dort wurde Sebastian jedoch nicht gesehen. Auch auf dem normalen Radweg, den Sebastian für den Weg zum Sportplatz fahren muss, findet der Vater keine Hinweise auf den Verbleib seines Sohnes. Die Eltern entschließen sich, die Polizei einzuschalten und geben eine Vermisstenanzeige auf.
Bereits wenige Stunden nach Aufgabe der Vermisstenanzeige bei der Polizei findet eine Spaziergänger das rote Fahrrad der Marke Fischer von Sebastian vor einem Sportgeschäft in der Eschollbrücker Straße. Die Polizei erfährt von diesem Fund erst am 3.6., nachdem die Passantin aus der Zeitung von dem Fall Musial erfahren hat. Bei Benachrichtigung der Polizei war das Rad jedoch verschwunden, eine Polizeistreife findet kurze Zeit später jedoch das Rad vor einem Wohnhaus im Martinsviertel. Ein 14 Jahre alter Schüler hatte am Sonntagvormittag das Fahrrad gefunden und mitgenommen.
Den ganzen Sonntag suchen Freunde, Schulkameraden und Fußballkollegen nach dem vermissten Jungen. Die Polizei setzt sogar einen Hubschrauber mit Wärmebildsensoren ein; gefunden wird Sebastian jedoch nicht.
Am Montagmittag, wird ein Mitarbeiter der Straßenbetriebe im Wald hinter dem Sportgelände der Turngemeinde Bessungen zwischen der Bundesstraße 3 und der Bahnlinie Darmstadt-Heidelberg an einer Böschung westlich der Karlsruher Straße auf mehrere weggeworfene Bierdosen aufmerksam. Am Wochenende fanden in Darmstadt mehrere Feste statt, auch der Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der EM 1996 einen Tag vorher führte dazu, dass viel gefeiert wurde und sich so etwas Dreck angesammelt hat. Oberhalb der Böschung findet der Mitarbeiter die Leiche von Sebastian und informiert sofort die Polizei. Die Leiche weist äußerlich keine Spuren von Gewalt auf, lediglich am Hals werden Würgemerkmale festgestellt. Außerdem wird festgestellt, daß eine Armbanduhr fehlt, die der Junge am Tag der Tat getragen haben soll. Es handele sich um ein preiswertes Massenprodukt mit auffälligem Zifferblatt der Mark Sport Master.
Nach der Obduktion steht fest, dass Sebastian Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, er starb durch Gewalteinwirkung gegen den Hals. Auf den T-Shirt des Opfers werden Blutanhaftungen gefunden, die sofort kriminaltechnisch untersucht werden. Seit Anfang des Jahres ist möglich, aus kleinsten Speichelresten ein vollständiges DNA- Profil zu erstellen. Trotzdem geht die SoKo auch von der Möglichkeit aus, dass Sebastian eines unbeabsichtigten Todes umgekommen ist, etwa bei einer Balgerei bzw. Auseinandersetzung zwischen Kindern oder Jugendlichen.
Die Arbeit der SoKo in den ersten Tagen konzentriert deshalb zunächst auf einen jugendlichen Täterkreis., insgesamt werden in den ersten 4 Wochen mehr als 100 Jugendliche bzw. Kinder überprüft. Die Ermittlungen werden durch den Umstand erschwert, dass an diesem Wochenende viele Veranstaltungen bzw. Feste in Stadtteil Eberstadt durchgeführt wurden, viele Menschen stimmten sich auf das EM- Endspiel Deutschland gegen Tschechien ein. Im Laufe der Ermittlungen werden bis zur Festnahme des Täters insgesamt 10000 Personen überprüft.
8 Wochen braucht die Auswertung der Blutanhaftungen, es wird eindeutig fremdes organisches Material festgestellt. Auch Reste von Sperma und Speichel werden auf der Kleidung des Kindes entdeckt. Sebastian wurde vor seinem Tod sexuell missbraucht. Jetzt wird für die Polizei auch einen Gegenstand wichtig, der kurz nach Auffinden der Leiche von einer Frau gut einem Kilometer vom Tatort entfernt in einem Holzstapel entdeckt wurde und zunächst nicht eingeordnet werden konnte. Ein Drei- Mann- Zelt mit olivfarbenen Dachschrägen, goldgelben Seitenteilen und braunem Boden. In diesem Zelt werden Spuren von Sebastian sowie vom Täter gefunden. Sebastian wurde vor seinem Tod in diesem Zelt missbraucht, jedoch nicht ermordet. Ebenfalls in diesem Zelt werden zwei Decken gefunden, die wie das Zelt aus dem Besitz des Täters stammen müssen. Es handelt sich zum einen um eine Steppdecke, die auf einer Seite rot, auf der anderen grünblau eingefärbt ist. Außerdem entdeckt die Polizei noch eine große Wolldecke von blaßrosaroter Farbe. Durch eine Flugblattaktion rundum den Tatort und in der Heimstättensiedlung versucht die Kripo Zeugen zu finden, die Angaben machen können, an welcher Stelle das Zelt am Tattag aufgeschlagen war. Tatsächlich können sich Zeugen erinnern, dass das Zelt bis zum Tattag in der Nähe des Tatorts am alten Schießplatz südlich der Heimstättensiedlung aufgeschlagen wurde. Trotz Lautsprecher-Durchsagen, Plakataktionen und der Aufstellung eines großen Schaukastens mit den Beweisstücken in der nahe gelegenen Heimstättensiedlung gelingt es der Kripo nicht, einen Zeugen zu finden, der den Täter mit dem Zelt am bzw. vor dem Tattag gesehen hat. Die Belohnung im Fall Musial erhöht die Polizei auf 10000 DM.
Durch den sexuellen Hintergrund der Tat überprüft die Kripo jetzt auch Insassen der JVA Darmstadt Elberstadt. Auch Andreas T., damals 37 Jahre alt und wegen mehrfachen Diebstahl vorbestraft, wird befragt. Er hatte am 29 Juni Freigang, kehrte jedoch um 21.29 Uhr wieder in die JVA zurück. Die Gerichtsmedizin hatte den Todeseintritt auf 22 bis 4 Uhr festgelegt. Die Polizei schließt ihn somit zu diesem Zeitpunkt als Täter aus. Nach Ansicht der Beamten passt Andreas T. wegen seiner kriminellen Vergangenheit auch nicht ins Profil eines Sexualtäters. Zudem hatte er als Berliner kaum Ortskenntnisse. Eine DNA Probe wurde ihm nicht entnommen.
Im Januar 1997 bittet die Kripo in Aktenzeichen xy die Zuschauer um Mithilfe. Der Fall wird im ersten Filmfall in gewohnter xy- Manier rekonstruiert (u.a. gibt einen Löffel Suppe zu Mittag und Holger Meffert als Straßenarbeiter). In Mittelpunkt steht natürlich das Zelt, welches im Studio aufgebaut ist und die Herkunft der zwei Decken. Auch nach dem Verbleib der Uhr Marke Master wird in der Sendung gefragt. Die Fernsehfahndung bringt die Kripo leider nicht weiter, es gehen kaum Hinweise auf den Fall ein.
Viele Jahre passiert nichts in diesem Fall. Insgesamt 10 000 Männer wurden überprüft, 7400 Spuren wurde nachgegangen, 1 500 Blutproben sind analysiert worden, jedoch führte dies nicht auf die Spur des Täters. Im April 1998 beschließt der Bundestag eine neues Gesetz, welches im Fall Musial die Wende bringt. Seit dieser Zeit werden DNA Profile von Strafttätern, die gewisse schwere Taten verübt haben, in der DNA-Analysedatei beim BKA in einer Datenbank gespeichert.
3 Jahre nach der Tat beschäftigt sich die Radio- Sendung "Nahaufnahmen" im Hessischen Rundfunk mit dem Mordfall Musial. Sowohl Kripo- Beamte der SoKo "Musial" als auch die Eltern kommen in dieser Sendung zu Wort und berichten von den Ermittlungsergnissen. Die Kripo erhofft sich von dieser erneuten Öffentlichkeitsfahndung neue Hinweise in dem ungeklärten Mordfall.
Im April 2001 gibt Andreas T., der kurz nach der Tat von der Kripo der SoKo Musial befragt wurde, freiwillig eine Speichelprobe ab, die zur Speicherung zum BKA nach Wiesbaden geschickt wird. Andreas T. sitzt zu dieser Zeit in der JVA Moabit in Berlin eine Haftstrafe wegen Einbruchs und Diebstahls ab. Am 15 Februar 2002 Februar wird er aus der JVA entlassen.
Die Polizei bittet das BKA Anfang 2002 erneut um einen Abgleich mit dem im Fall vorgefundenen Spuren. Am 1. März erhält das hessischen Landeskriminalamt aus Wiesbaden das Ergebnis der DNA-Analyse vom Speichel des 42-jährigen Mannes: Das DNA Muster ist identisch mit den Spermaspuren auf der Kleidung von Sebastian. Am 5. März 2002 wird Andreas T. am Wittenbergplatz in seinem Heimatort Berlin von Beamten aus Berlin und Darmstadt bei einem Spaziergang festgenommen.
Als die Beamten T. mit dem Ergebnis der DNA- Analyse konfrontieren, gesteht er den Mord an Sebastian Musial. Auch das Zelt, in dem das Opfer missbraucht wurde, hatte er kurz vor der Tat gekauft, um eine Schlafgelegenheit bei seinen Hafturlauben zu haben. An diesem 29 Juni 1996 hatte er für ein paar Tage Freigang aus der JVA Eberstadt. An diesem Tag traf er gegen 18.30 Uhr auf Sebastian auf einer Landstraße. Er lockte Sebastian unter einem Vorwand in das Zelt und würgte, fesselte und knebelte sein Opfer. Das Sebastian durch das Würgen starb, merkte er zunächst nicht und verging sich an seinem Opfer. Er habe nach der Tat versucht, alle Spuren zu beseitigen. Sebastian legte er nahe des Tatorts an einer Böschung ab. Das Zelt habe er rund einen Kilometer vom Tatort entfernt in einem Waldgebiet versteckt, in welchen er sich vor der Tat aufgehalten hatte. Nach dem Geständnis wird Andreas T. in die JVA Weiterstadt verlegt.
Nach der Festnahme muss sich der Polizei heftiger Kritik aussetzen, schließlich wurde Andreas T. bereits kurz nach der Tat befragt worden, eine Speichelprobe wurde ihm jedoch nicht entnommen. Die Polizei nennt mehrere Gründe, warum der Mann den Ermittlern 1996 entwischen konnte:
Zwar sei er im Zusammenhang mit der Tat vernommen worden, doch weder die Art der von ihm bis dahin verübten Straftaten noch der von der Gerichtsmedizin angenommene Todeszeitpunkt des Jungen hätten auf ihn schließen lassen: Es paßte alles nicht, dies war ein einfacher Dieb. Auch ein später vom Bundeskriminalamt erstelltes Täterprofil, das einen jungen Mann aus streng bürgerlichem Hause als Täter angenommen hatte, paßte nicht auf den damals 37 Jahre alten Gewohnheitsdieb. Für die Abnahme einer Speichelprobe bestand damals mangels hinreichender Tatverdacht keine Rechtsgrundlage. Zudem stand die Polizei im Sommer 1996, als sie wochen- und monatelang vergebens nach dem Täter fahndete, vor einer besonders schwierigen Situation. Der als Täter in Frage kommende Personenkreis war wegen zahlreicher Feste und Besuchern aus der ganzen Bundesrepublik riesig. Mit einem immensen Aufgebot an Überprüfungen, bis hin zu 1500 freiwillig abgegebenen Blutproben, sollte er eingegrenzt werden. Alles vergeblich, weil in die falsche Richtung laufend.
Was auch heute unverständlich ist: Es klafft eine unerklärte Diskrepanz zwischen medizinisch ermitteltem Tatzeitpunkt und der eingestandenen Tat selbst. So kam es zu einem Alibi, das keines war. Die von der Gerichtsmedizin festgestellte Tatzeit (22- 4 Uhr) kann nicht stimmen. T. hatte sich um halb 10 in der JVA zurückgemeldet. Für das Beseitigen der Spuren brachte der Täter mindestens 45 Minuten.
Durch weitere Vernehmungen wird das Vorleben des Täters, der mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, bekannt. Andreas T. ist in einem kleinen Dorf bei Halle geboren und lebte dort bis zur Wende. Nach der Wende zog er nach Berlin. Seinen Vater lernte er nie kennen. Seine Kindheit verbrachte er in Heimen. Insgesamt hatte Andreas T. seine Kindheit in schlechter Erinnerung. Bereits als Jugendlicher ist er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, vor allem durch Autoaufbrüche oder Diebstahl "sozialistischen Eigentums".
Im Juni 2002 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Andreas T. wegen Mordes und sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall am Landgericht Darmstadt. Die Anklage wird kurze Zeit später zur Verhandlung zugelassen. Das Verfahren soll am 1.April 2003 vor der Schwurgerichtskammer eröffnet werden.
Gut zwei Wochen vor Prozeßbeginn wird Andreas T. in der JVA Weiterstadt tot aufgefunden. Er hatte sich am Gestell eines Hochbettes mit einem Bettlaken erhängt. Gegen 0.40 Uhr wird er auf einen Kontrollgang von einem JVA- Beamten gefunden. Er wurde wegen Suizidgefährdung vom Wachpersonal alle zwei Stunden kontrolliert und zudem psychologisch betreut . In seiner Zelle wird ein Abschiedsbrief gefunden, in dem er die Tat an Sebastian gesteht. In diesen Briefen bittet Andreas T. auch die Familie Musial um Verzeihung und gibt an, dass er Tat sehr betreut. Das Verfahren vor dem LG Darmstadt gegen ihn wird nach seinem Freitod eingestellt.
Ein Fall aus der Zeit, in der die DNA- Analyse in der KTU das Laufen lernte. Früher wäre der Sexualmord an dem dreizehnjährigen Sebastian wohl einer der ungeklärten Fälle geblieben. Erst neue Kriminaltechnik, wissenschaftliche Methoden und ein Gesetz, das die zentrale Erfassung von DNA-Daten und ihren Abgleich bei der Fahndung erlaubt, haben dazu geführt, daß die Tat aus dem Jahr 1996 geklärt wurde. So waren es eindeutig nicht kriminologisches Gespür und detektivische Intuität, die den mutmaßlichen Täter ermittelten, sondern es war eine neue Systematik der Fahndungsarbeit, die zum Ziel führte. Gleichwohl trübt eine Fülle von Fehleinschätzungen, ja gravierenden Pannen diesen Erfolg. Kriminologische Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich eines Täterprofils und statistische Häufung identischer krimineller Taten führten in die Irre. Die Diskrepanz zwischen ermitteltem und tatsächlichen Tatzeitpunkt ist mir bis heute unerklärlich.
Das Datenbanksystem, in dem DNA-Analysen von Straftätern zur Vorbeugung zukünftiger Straftaten erfaßt und abgeglichen werden, hat sich auch im Fall Musial bewährt. Sie ist heute fester Bestandteil der Fahndungsarbeit, dank ihr wurden viele Altfälle geklärt. Aber blindes Vertrauen auf kriminaltechnische Ergebnisse muss auch heute kritisch hinterfragt werden.
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#2
von TheWhite1961 • 1.160 Beiträge
Re: 10.1.1997 FF 1 (Kripo Darmstadt) Mordfall Sebastian Musial (Dreierzelt)
in Filmfälle 11.02.2011 22:30von TheWhite1961 • 1.160 Beiträge
Danke Bastian für den tollen Bericht. Ich kann mich noch sehr gut an diesen schlimmen Fall erinnern. Als der Täter schließlich ermittelt wurde geisterte auch wieder das unsägliche Thema "Hafturlaub" und "Freigänger" durch den Blätterwald. Ich denke so was ist den Angehörigen bzw. Hinterbliebenen auch kaum zu vermitteln. In diesem Falle muß ich allerdings die Leute die den Freigang genehmigt haben mal ausnahmsweise in Schutz nehmen. In Anbetracht der (klein)kriminellen Vorgeschichte des Täters war so ein Verbrechen wirklich nicht vorhersehbar. Ich freue mich jetzt schon auf Teil 2 des Berichts.
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