Heute in den Lübecker Nachrichten:
Spürhunde auf Mörderjagd
Der Baby-Mord vom Waller See: Können speziell ausgebildete Hunde den Weg zum Täter weisen? Gestern war die Kripo in Kiel-Dietrichsdorf unterwegs.
Auf dem vierspurigen Kieler Ostring rauscht der Feierabendverkehr vorbei. Das Team biegt in den Klausdorfer Weg ein. „Keine Namen“, raunt der Kripo-Chef im Vorübergehen. Die Hundehalterin neben ihm nimmt ihre Gordon-Setter-Hündin, nennen wir sie „Gladys“, an die kurze Leine. „Gladys“ reckt die Nase in die Höhe: Hier entlang!
Hier entlang? Lebt hier, inmitten der geduckten, alten Häuser des Arbeiterstadtteils Dietrichsdorf, eine Babymörderin? Oder eine Frau, die nicht verhindern konnte, dass jemand ihr Baby kurz nach der Geburt brutal tötete? Ist sie hier entlang gegangen?
Spezialeinsatz an der Förde: Weil die Kripo Gifhorn immer noch nicht weiß, wer am 26. Juni 2005 am Waller See bei Braunschweig ein Neugeborenes mit durchschnittener Kehle ablegte, sind jetzt Mantrailer-Hunde im Einsatz. Sie können, so glauben die einen und hoffen die anderen Kriminalisten, geringste menschliche Spuren auch noch nach Monaten verfolgen. Und diese Spuren sagen: Der Weg der Mutter des toten Babys führte nach Kiel.
Drei Tage lang sind die Hunde- Teams aus Gifhorn in Kiel im Einsatz. Am Waller See und an einem kleinen, abgeschiedenen Plätzchen in der Nähe haben die Tiere Witterung aufgenommen. Dort wurde das tote Baby begraben – Zeitungen haben groß darüber berichtet.
Die Kripo ist sich sicher, dass die Mutter das Grab erst im November heimlich besucht hat. Ihre Spuren reichen Gladys offenbar, um dem Geruch zu folgen. Ist es jene Frau, die Angler am Sonnabend vor dem grausigen Babyleichenfund am Waller See sahen, auf einem abgesperrten Weg? „Mit dickem Po und breiten Hüften“, wie sie der Polizei berichteten. War sie gerade schwanger gewesen? Auf dem Rücken ein Rucksack, prall gefüllt. Als die Angler sie ansprachen, stammelte sie nur ein paar Worte und ging. Am Tag danach buddelte ein Hund, mit dem Kinder an dem Badesee tollten, ganz in der Nähe am Ufer eine blutige Plastiktüte aus.
„Wenn die Mutter ihr Baby getötet hat, ist die Gefahr groß, dass sie es wieder macht, und wieder“, erklärt Gifhorns Kripo-Chef Jürgen Schmidt den Kieler Kollegen. Vor drei Jahren wurde ihr Phantombild bei Aktenzeichen XY gezeigt – vergeblich.
„Gladys“ ist müde. Abbruch. Morgen früh wird sie hier weitersuchen. Wird sie zum nahen Ostuferhafen gehen? Dort legt zweimal pro Woche die Fähre nach Klaipeda ab. Die Frau soll aus Karelien stammen, hinter St. Petersburg. Was dann? „Dann“, sagt ein Kripo-Mann, „dann suchen wir mit den Hunden auf jedem Schiff weiter, das in den letzten fünf Jahren hier angelegt hat.“
Von Wolfram Hammer
Quelle:
http://www.ln-online.de/news/2763338