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07.11.1980 FF 3 (LKA Wiesbaden) Mord an Ilsa Soltani ("Hostess Dietzenbach")

in Filmfälle 20.03.2021 14:24
von ug68 • 766 Beiträge

Da der Prostituiertenmord an Ilsa Soltani im hessischen Dietzenbach aus der 130. XY-Sendung vom 07.11.1980 der erste XY-Fall ist, an den ich mich ganz bewusst erinnern konnte dachte ich mir, zu meinem XY-"Einstiegsfall" könnte ich ja mal versuchen etwas zu schreiben. Als ich die Sendung mit diesem Fall dann zig Jahre später in einem allseits bekannten Videoportal wieder entdeckte war ich schon ziemlich überrascht, wieviel aus dem Film die ganzen Jahre bei mir doch hängengeblieben war. Komischerweise hatte ich aber von der Meldung über die Festnahme eines später als Täter verurteilten Mannes aus Darmstadt schon wenig später in der Sendung vom 24.04.1981 keine Erinnerung und dachte auch jahrzehntelang, der Fall sei ungeklärt geblieben.

Und erst vor kurzem habe ich dann einen, wie ich finde, sehr interessanten Bericht aus "hallo deutschland" vom November 2020 über die Klärung gefunden. In einem Beitrag von Andrea Meiner erinnern sich die damaligen Kommissare der Sonderkommission vom LKA Hessen, Gerhard Rüppel und Horst Kropp an die schwierigen Ermittlungen im Milieu. Aus der XY-Sendung, einem Hörzu-Artikel aus der Reihe "Tatort XY" von Friedhelm Werremeier und aus dem Bericht aus "hallo deutschland" dann das Folgende entstanden.

Im ZDF gab es als Freitagskrimis schon "Der Alte", damals aber noch mit dem "Ur-"Alten Siegfried Lowitz, und natürlich "Derrick" mit Horst Tappert. Und so kam es, dass ich dann Freitagabends auch mal bei XY eingeschaltet habe. Aus der Programmzeitschrift wusste ich natürlich dass dort echte ungeklärte Kriminalfälle behandelt wurden. Aber dass ich zum XY-Stammzuschauer bis heute werden sollte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt abzusehen. Die besondere Tragik dürfte in diesem dritten Filmfall der Novembersendung 1980 in den, von Ede in seiner Einleitung erwähnten und durch das Verbrechen schließlich jäh durchkreuzten, „ … recht ungewöhnlichen Plänen des Opfers“ gelegen haben, aus dem Milieu auszusteigen und ihr Leben noch einmal komplett umzukrempeln. Ich war damals 12 und denke zumindest aus heutiger Sicht, dass diese traurigen Umstände mich damals besonders berührt haben. Dazu kam dann auch noch die Stimme von Dunja Lock in der Rolle des Opfers.

Jetzt aber genug mit den Vormerkungen und zum Fall "Hostess Dietzenbach".

Das Opfer ist die 39-jährige Ilsa Soltani aus Dietzenbach, Kreisstadt des Landkreises Offenbach in Hessen mit rund 34.300 Einwohnern. Einer Frau, die schon einiges durchgemacht hat und bis zu ihrem Tod als Prostituierte im Rhein-Main-Gebiet, so Ede ebenfalls in seiner Einleitung, „ … dem ältesten Gewerbe der Welt nachgegangen ist“. Ihre Kunden hat sie unter anderem als "Hostess Dietzenbach" durch Zeitungsanzeigen gesucht und in ihrem Appartement im zweiten Stock der Dreieichstraße 25 empfangen. Im Januar 1980 hat Ilsa Soltani wegen ihrer Pläne aus dem Milieu auszusteigen einen Termin bei ihrer Hausärztin. Der Blutdruck ist in Ordnung, wegen eines Sonnenbrandes schreibt ihr die Ärztin eine Salbe auf. Die Prostituierte hat aber noch ein weiteres Anliegen. Sie fragt fast ängstlich ihre Hausärztin, ob sie denn mit ihren 39 Jahren noch Kinder bekommen könnte. Die Ärztin hat aus medizinischer Sicht keine Bedenken, meint aber auch, dass ihr Kinderwunsch nicht unbedingt zu ihrer derzeitigen Tätigkeit passen würde. Ilsa entgegnet, dass sie genau deswegen "aussteigen" möchte. Die Sache hat aber noch ein Haken: Es gibt zwar auch einen Mann, mit dem sie in Zukunft gerne zusammen wäre, doch Ihr Traummann ist noch verheiratet. In diesem Punkt kann ihr die überraschte Ärztin aber nicht weiterhelfen und meint zu ihr, sie sollte schon selbst wissen, was sie da machen will. Sprecher Wolfgang Grönebaum erzählt dann von der bürgerlichen Herkunft der in Köln geborenen späteren Prostituierten mit sechs Geschwistern, Mittlerer Reife und einer abgeschlossenen Lehre zur Bürogehilfin. Nach der gescheiterten Ehe mit einem jungem Perser und dem Tod ihres Kindes im Säuglingsalter folgten viele Männerbekanntschaften. Ilsa Soltani ist so nach und nach in die Prostitution hineingerutscht und Männerbekanntschaften werden zu ihrem Beruf.

Kurz nach dem Arztbesuch folgt wegen Ihrer Pläne zum Ausstieg aus dem Milieu ein weiterer Termin. Diesmal bei einem Finanzberater in der Sparkasse Dietzenbach. Eine Geldanlage aus Wertpapieren bei einer Düsseldorfer Bank wird von ihr aufgelöst. Die 132.000 DM sollen in bar nach Dietzenbach transferiert werden, um jederzeit Zugriff auf das Vermögen zu haben. Der Finanzberater macht sie zwar noch auf das aus ihrer Sicht schlechte Geschäft aufmerksam, aber da die 39-Jährige früher selbst einige Zeit bei einer Bank gearbeitet hat, ist sie sich dessen durchaus bewusst. Sie braucht das Geld zwar noch nicht, möchte es aber jederzeit abrufbereit haben. Ilsa Soltani will, so vermutet es bei den späteren Ermittlungen die Polizei, mit einer Mitgift einem Mann der als Kunde zur ihr gekommen war die Ehe "schmackhaft" machen. Weil sie sich aber noch nicht zu 100% sicher ist, ob ihr Traummann auch der Richtige ist, arbeitet sie weiterhin als Prostituierte. Nachdem einer ihrer Kunden einen Wohnungsschlüssel von ihr mitgenommen hat lässt sich Ilsa Soltani Mitte April 1980 eine Türkette montieren. Außerdem verschickt sie jetzt auch um weitere neue Kunden zu finden, zusätzlich zu ihren Inseraten, ihrerseits freizügige Fotos an Männer, die in Zeitungen Heiratsanzeigen aufgeben.

Obwohl ihr Leben scheinbar in den gewohnten Bahnen verläuft kommt es in den folgenden Tagen und Wochen in Ihrem Umfeld dann doch immer wieder zu besonderen Vorkommnissen, die von Ilias sonstigen Gewohnheiten abweichen. Darunter fällt auch eine Beobachtung der Nachbarn, auf die sich diese zunächst keinen Reim machen können. Sie bemerken, dass der weiße Peugeot der Frau mit dem zweifelhaften Gewerbe nachts nicht auf seinem Parkplatz steht und werden Zeugen, wie der Wagen von einem fremden Mann genutzt wird. Die Neugier der aufmerksamen Zeugin ist geweckt und es kommt zu einem für diese Zeit typischen XY-Dialog. Die Frau spricht ihren Begleiter auf den seriös wirkenden grauhaarigen Mann an, „ … der schon wieder mit dem Wagen von der Person“ unterwegs sei, die doch früher niemand "alleine mit ihrem Wagen fahren ließ". Doch ihr aufgrund der Besorgnis der Frau, die doch gerne wissen möchte was dahinter steckt, leicht genervter Begleiter hat es eilig. Er wiegelt sie nur ab und meint "die Person" habe es sich jetzt eben anders überlegt. Die besorgte Zeugin gibt schließlich nach. Mit einem letzten Blick auf den fremden Mann in Ilias Wagen fällt lautstark die Beifahrertür des Renault R14 zu und der Mann fährt los. Dass die Bedenken der Frau dabei durchaus berechtigt waren, kann er zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen.

Am nächsten Tag trifft sich Ilsa Soltani in einem Restaurant in Bad Homburg mit einer Freundin und erzählt ihr dabei von ihrem Traummann Heinrich, für den sie "alles geben" und sogar die Scheidung zahlen würde. Aber er ist ja noch verheiratet. Außerdem hat er zwei Söhne und eine sture Noch-Ehefrau. Die anderen Kandidaten die vielleicht noch infrage gekommen wären haben alle eine Macke, wie Ilsa ihrer Freundin noch erzählt. Diese meint ihr sei nicht zu helfen und sie möchte nicht in Ilsas Haut stecken. Wieder einen Tag später. Es ist Montag, der 05. Mai 1980, mit großer Wahrscheinlichkeit der Tag des Mordes. Mit der in XY-Filmfällen meistens nahendes Unheil ankündigenden und jetzt einsetzenden Spannungsmusik "Bongoherz" im Hintergrund will sich Ilsa in der Küche zum Mittagessen Rindfleisch machen. Vermutlich sollte es dazu Röstkartoffeln geben. Als es plötzlich unerwartet klingelt, rechnet sie um diese Zeit zwar nicht mit einem Besucher, wechselt aber aus Gewohnheit einen Teil ihrer Kleidung. Da ihr der Besucher mit großer Wahrscheinlichkeit bekannt war lässt ihn Ilsa arglos in die Wohnung. Der unbekannte Mann raucht Marlboro. Wie lange er in der Wohnung war blieb unklar. Als Ilsa Soltani dann Telefonieren will sieht der Besucher einen günstigen Moment gekommen. Er schleicht sich von hinten an. Dann schlägt er hinterrücks mit einem schweren Kerzenständer voller Wucht auf die wehrlose Frau ein. Sie muss sofort tot gewesen sein. Der Mörder will danach vermutlich einen Raubmord vortäuschen und durchwühlt einige Schubladen. Er nimmt eine Stereoanlage und einen Schlüssel mit, lässt aber leichter mitzunehmende Beute wie wertvollen Schmuck liegen. Der Täter verliert außerdem einen Knopf am Tatort. Die gestohlene Stereoanlage des Opfers, eine Zigarettenkippe und eben dieser hinterlassene Knopf dienen der Kripo als wichtige Ansatzpunkte für die Suche nach dem unbekannten Mörder der Prostituierten. Für die Polizei ist ein persönliches Motiv wahrscheinlich.

Zunächst bringt die Ausstrahlung des Falles in XY, trotz mehr als 30 Zuschauerhinweisen noch am Tag der Sendung, die Kripo in ihren Ermittlungen nicht entscheidend weiter. Das Verbrechen wird erst am 22. Mai 1980, also knapp zwei Wochen nach dem Mord, entdeckt. Außer einem überquellenden Briefkasten und Zeitungen vor der Haustür bemerkten die Nachbarn einen eigenartigen Geruch aus der Wohnung der Prostituierten. Dazu kam auch noch, dass der weiße Peugeot vom 05. bis zum 21. Mai 1980 jetzt ununterbrochen auf dem gewohnten Parkplatz stand. Die Nachbarn verständigen den Hausmeister, der die Polizei anrief und die Wohnung mit einem Generalschlüssel öffnet. Sie entdecken schließlich die Leiche im Wohnzimmer. Das Fehlen der Stereoanlage fällt den Beamten erst auf, nachdem sie später in der Wohnung der Toten Bilder finden, auf denen die Geräte noch in einem Regal standen. Da viele Ihrer Kunden im Adressbuch der Toten standen und andere mit Scheck bezahlt hatten können diese Personen leicht ausgemacht und überprüft werden. Trotz mehr als 270 Anhaltspunkten sowie nach hunderten Befragungen, die Berge von Aktenordnern gefüllt hatten, kristallisiert sich noch immer kein Tatverdächtiger heraus. Auch die Stereoanlage von Dual, bestehend aus einem Radio "CT 17", einem Plattenspieler "1219", einem Verstärker "CV 120" und zwei 60-Watt Lautsprecherboxen, bleibt spurlos verschwunden. Die letzte Hoffnung der Beamten der Sonderkommission des LKA Hessen ruht jetzt auf den vom Täter am Tatort hinterlassenen Knopf. Zunächst aber wieder vergeblich.

Dann kommt es 05. Januar 1981 in Darmstadt zu einem weiteren tätlichen Angriff auf eine Prostituierte. Dabei kann der Täter von einem Zeugen, der die Hilfeschreie des Opfers gehört hatte, überwältigt und von der alarmierten Polizei festgenommen werden. Während der Mann in Frankfurt am Main in Untersuchungshaft sitzt durchsuchen die Kripobeamten seine Wohnung. Sie finden eine Stereoanlage des gleichen Typs der Marke Dual, wie sie nach dem Mord an Ilsa Soltani gestohlen wurde. In ihrer Wohnung stoßen die Beamten wiederum auf einen Beleg einer Dietzenbacher Firma über Reparaturarbeiten an der Stereoanlage. Ein Mechaniker hat damals drei Kondensatoren ausgewechselt. Und an diesen Kondensatoren können sich noch genau die Fingerabdrücke des Mechanikers feststellen lassen, der die Reparatur gemacht hatte. Damit hat die Kripo zumindest den Beweis, dass es die Stereoanlage von Ilsa Soltani war. Der Mann in Untersuchungshaft schweigt zu den Mordvorwürfen und leugnet den Diebstahl der Stereoanlage. Er will sie bei einem seiner Besuche in Dietzenbach gekauft haben. Er habe Probleme mit seiner Familie gehabt und deshalb vermutlich zeitweise mit einer anderen Prostituierten zusammengelebt, allerdings ohne von seiner Familie ganz getrennt zu sein.

Nachdem der Mann sich in der Untersuchungshaft zu den Mordvorwürfen weiterhin nicht äußern will, wird noch einmal seine Wohnung durchsucht. Die Ermittler finden dabei auch eine Hose, an der ein Knopf fehlt. Sie besuchen die Firma, von der die Hose stammt und stellen jede Menge Knöpfe sicher. Es folgen stundenlange mühsame Untersuchungen, aber die Mühe der Sonderkommission des LKA Hessen lohnt sich. Sie findet unter Unmengen von Knöpfen tatsächlich einen einen Identischen wie den am Tatort hinterlassenen. Jetzt können die Beamten zwar auch beweisen, dass der Mann bei Ilsa gewesen sein muss. Der Tatverdächtige aber schweigt weiter. Er verweigert die Aussage und behauptet, ein anderer Mann sei nach ihm noch bei der 39-Jährigen in der Wohnung gewesen. Die Indizien reichen noch nicht für eine Anklage. Aber es gibt noch eine weitere Spur, die ihm letztendlich zum Verhängnis werden.

Wie aus dem XY-Film bekannt raucht der Mann, den Ilsa Soltani am Tattag selber in ihre Wohnung hineinließ, Zigaretten der Marke Marlboro. Er hat nach dem Mord eine Zigarettenkippe mit Speichelanhaftungen hinterlassen. Die vom Tatverdächtigen in der Untersuchungshaft gerauchten Zigaretten haben die gleichen Merkmale wie die zurückgelassene Zigarettenkippe. Außerdem sind seine Fingerabdrücke auf einem kleinen bemalten Kästchen aus der Wohnung in Dietzenbach. Jetzt können die Beamten der Sonderkommission des LKA Hessen genügend Indizien vorweisen und Ede berichtet in der Sendung vom 24.04.1981 über die Festnahme. Der 22-jährige Familienvater und Vater von zwei Kindern wird angeklagt. Wegen der beiden Verbrechen verurteilt ihn später das Landgericht Damstadt in einem Indizienprozess rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Er hatte weiter den Mord an Ilsa Soltsn in Dietzenbach geleugnet aber vor Gericht inzwischen den Angriff auf die Prostituierte in Darmstadt zugegeben. Der Bundesgerichtshof bestätigt in der Revision das Urteil.

Ob der Mord an Ilsa Soltani letztendlich tatsächlich mit ihren Plänen zum Ausstieg aus dem Milieu zusammenhing, ist nicht bekannt. Hier noch der Link zum Bericht aus "hallo deutschland" Das Video ist noch bis 10. November 2021 verfügbar.

* Kommissar Rüppel und der Prostituiertenmord von Dietzenbach - ZDF, "hallo deutschland" vom 20. November 2020.

Liebe Grüße und schönes Wochenende, Uli.


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„Das ist der Rollstuhl, meine Damen und Herren, den die Täter in Neckargemünd benutzt haben“.

Eduard Zimmermann am Schluss eines sehr kurzren Filmfalles, nachdem einer der beiden Täter nach seiner „Wunderheilung“ den nicht mehr benötigten Rolli aus dem Film direkt ins XY-Studio geschoben hatte. Ede fing ihn schließlich äußerst elegant auf.

XY 181 vom 29.11.1985; FF 3; Kripo Heidelberg: Raubüberfall mit Rollstuhl.

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