Meine Meinung:
Es ist nicht einfach und oft nicht unmißverständlich sich über Filme bzw. Dokumentationen zu äußern, ohne dass dann etwa in einem Forum ungeliebte Diskussionen entstehen.
Als jahrzehntelanger Anhänger des Formats und Eduard Zimmermanns ist man sicherlich geneigt dazu, Eduard Zimmermann zu verteidigen oder zu "vergöttern". Um es anders zu sagen: eine kritische Dokumentation über das Format ist legitim und würde ich auch niemals ablehnen.
Wenn dann die Kritik aber fast gar nichts in mir, einem "Verfallenen" der Sendung bewegt, ist das schon bemerkenswert.
Die gestern gezeigte Dokumentation ist filmisch gut gemacht, das muss ich die Macherin loben.
Auch die Auswahl der Filmfälle aus XY war recht passend zu der Dokumentation. Die Macherin hat sich dabei richtige Mühe gemacht. Das ist in der Vergangenheit nicht immer so der Fall gewesen.
Sie überzeugt mich durch den permanent vorhandenen "Unterstellungston" aber nicht. Zudem ist sie mir zu politisch gefärbt.
Dass die Filmstimme in der Dokumentation weiblich gewählt wurde, kommt daher nicht von ungefähr, ist aber voll in Ordnung und auch passend!
Wenn man aber eine Dokumentation über ein langes und erfolgreiches Format sowie speziell den Erfinder macht, sollte der Macher - im konkreten Fall die Macherin- mit einer gewissen Neutralität ans Werk gehen. Neutralität bedeutet, dass ich ein "Dafür" dem "Dagegen" gegenüberstelle. Gute Dokumentationen leben von Vielseitigkeit; oft habe ich festgestellt, dass Dokumentationen von zwei Beteiligten oft besser Anklang bei mir finden als wenn sie aus der Feder einer Person stammen.
Das war hier -aus meiner Sichtweise- leider nicht der Fall. So ist in meinen Augen die Dokumentation eher wunschdenkend -ablehnend als kritisch -dokumentierend. Ich jedenfalls hatte ständig das Gefühl, dass die Dokumentation eine monotone Anklageschrift an Eduard Zimmermann ist.
Die Macherin arbeitet m. E. auch viel zu oft mit Unterstellungen., was nicht richtig zielführend ist.
Leide fehlen dabei gar ganze Aspekte, wie die Aufklärungsquote, durch die weitere Verbrechen (oft an Frauen!) verhindert wurden. Die spätere Gründung des Weißen Rings wird nicht mal erwähnt, was aber nicht verwundert, kam doch aus der linken Ecke oft der Ruf, sich auch um den Täter zu kümmern. ( Dieser Aspekt dürfte heute eher gegenteilig sein. Die Meinung hat sich hier eher gewandelt, da der Täter in den Augen der Bevölkerung eher oft zu gering bestraft wird.)
Dass die Macherin politisch nicht gerade aus der konservativen Ecke kommt, wird spätestens jedem klar, wie sie Ulrike Meinhof porträtiert oder gar den Regierungswechsel 1982 interpretiert: Dies sei im Sinne von Eduard Zimmermann gewesen. Was sie damit genau meint, bleibt ihr Geheimnis. Helmut Kohl ist nun mal genau wie sein Vorgänger vom Volk gewählt worden.Dabei vergißt sie vielleicht, dass in ihrer Generation fast jeder politisch links war. Links war "in".
(Eine kleine Brücke kann man ja mal bauen: ein Verteidiger der RAF, die den Staat ja bekanntlich beseitigen wollten, war später Schirmherr des XYPreises....)
Politik ist ein gutes Stichwort: die Dokumentation ist wie oben schon erwähnt nicht apolitisch, was sie sicherlich nicht sein muss, aber tatsächlich habe ich Akteneichen XY oder Eduard Zimmermann nie so in politischen Augen gesehen, wie die Macherin offensichtlich. Dass die Nachkriegsgeneration sowie die Überlebenden des Krieges gerade in Deutschland auf XY - in ihren Augen - gewartet haben, ist ebenfalls eine harte und sicherlich widerlegte Unterstellung. Ist das Format als Exportschlager in vielen anderen Ländern der Erde (ohne nationalsozialistische Vergangenheit) doch genauso populär.
Ulrike Meinhof, Atomkraftgegner und die RAF waren Themen bei xy in Zusammenhang mit Straftaten. Der überwiegende Teil der Fälle hatte aber die Bürgerinnen und Bürger als Opfer von Straftaten als Hauptthema. Und da schuf die Politik nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber eher nicht die Motivation zu den Taten.
Diese Sendung ist und war erfolgreich. Schade, dass es so ist und war, denn die Sendung braucht eigentlich keiner, weil sie nur Ängste beim Zuschauen hervorruft. So lässt sich die These der Macherin zusammenfassen.
Aber war die Macherin denn eigentlich wirklich gezwungen worden, XY zu schauen? Warum folgten und folgen dem Format denn so viele? Weil das Format Ängste schüren wollte oder konservative Botschaften rüber bringen wollte? Und wenn sie die Sendung mit ihren filmischer Darstellung als zu brutal empfindet, warum bedient die sich dieser in der Doku am Fließband?
Hier verirrt sich die Macherin in meinen Augen permanent.
Eduard Zimmermann erzählte m. E. keine Stories, die "Stories" wurden im Kern durch die Täter geschrieben.
Dass der Täter aus dem 'Gebüsch" kommt und der Zuschauer nichts über ihn erfährt, das Opfer aber dargestellt wurde, liegt vielleicht auch daran, dass man ihn und seine Geschichte nicht kennt. Man muss ihn ja erst mal finden. Das kann man eben nur durch die vorhandene Aktenlage.
Dass ein homosexueller Mann in den 60er und 70er Jahren noch stigmatisiert wurde und teilweise mit dem Gesetz in Konflikt stand ist doch auch nichts Neues und kann man wohl kaum Eduard Zimmermann anlasten Wenn ich mich nun mal in bestimmten Kreisen bewege, bin ich größeren Gefahren ausgesetzt als wenn ich eher monogam lebe. Das ist heute genauso wie damals.
Das ist für mich jedenfalls keine moralische Bewertung eines Lebensstils oder gar der sexuellen Orientierung sondern nur eine nüchterne Tatsache. So bewerte ich die Ansagen von Zimmermann zu solchen Filmfällen nicht negativ und unterstelle an der Stelle nichts . Sie lassen für mich Freiräume der Interpretation.
Die These, dass die Anhaltermorde eher an den Haaren herbeigezogen waren, stellt meine Kindheitserinnerungen auf den Kopf. Zimmermann als Fälscher der Statistiken? Hier wird die Macherin zwar konkret, aber die zahlreichen Morde aus der Zeit -gerade an Frauen- sprechen Wände.
Zuletzt noch ein Aspekt der gar nicht beleuchtet wurde: die Angehörigen der Opfer. Ihnen wird offensichtlich keinerlei Bedeutung zugemessen. Ihre Ungewissheit wird nicht thematisiert.
Keine Dokumentation, die ich mir ein zweites Mal ansehe. Nicht weil ich anderer Meinung bin, sondern weil die Kritik an der Sendung und an Eduard Zimmermann mich einfach nicht tangiert. Sie wirft bei mir keinerlei kritische Reflexion als Fan des Formates oder ein Fragezeichen zum Lebenswerk von Eduard Zimmermann auf.
VG
P.