Die spektakulärsten Studiofälle in Aktenzeichen xy:
Der Mord im St. Pauli Milieu: Der Fall Claudia Milautzki
(Studiofall 3 vom 27.09.1985 Kripo Hamburg Fahndung nach Karl Berling)
Verbrechen auf St. Pauli waren ja schon öfters Bestandteil in Aktenzeichen xy. Wer kennt nicht die Taten von dem St. Pauli Killer Werner Pinzner, der Mitte der 80er für eine Reihe von Auftragsmorden im Milieu verantwortlich war. Auch wenn die Gewalt auf St. Pauli nachlässt, Verbrechen im Milieu wecken bei mir genauso wie Terroristenfahndungen Erinnerungen an die 80er Zeiten von xy.
Auch dieser Fall aus dem Jahre 1985, als Aktenzeichen xy nach Karl Berling fahndet, der im Verdacht steht, seine Freundin umgebracht zu haben. Alles fängt mit einem Mordanschlag auf den Gesuchten an, geht weiter mit einer Frauenleiche, die aus der Elbe bei Neumühlen geborgen wird und endet mit dem Selbstmord des gesuchten Gastwirts nach zwei Jahren Flucht in Düsseldorf.
Im Juli 1985 wird die Polizei in Eppendorfer Weg gerufen. Eine Nachbarin war aufmerksam geworden, als sich das elektrische Rolltor der Garage quietschend öffnete. Die Frau beobachtete, wie ihr Nachbar einen länglichen Gegenstand, eingewickelt in blaue Müllsäcke, herausschleppte und auf den Beifahrersitz seines Wagens legte. Dabei tropfte etwas Dunkles auf den Bürgersteig. Der Nachbar fuhr dann weg. Die Polizei brach das Garagentor auf: Den Beamten schlug ein starker Verwesungsgeruch entgegen. Auf dem Fußboden waren mehrere dunkle Flecken und Tropfen zu sehen. Eine Kriminal-Biologin stellte fest: Es ist menschliches Blut!
Die Garage gehört Karl Berling, geboren in Düsseldorf, der auf St. Pauli drei Gaststätten ("Käpt'n Morgan", "Ventilator" und "Tenne") in der Friedrichstraße betreibt. Berling ist kein Unbekannter im Milieu. Anfang der 70er überlebte er selbst einen Mordanschlag. Als sein Kellner damals von zwei Brüdern zehn Mark Zechschulden kassieren wollte, gingen diese mit Gewehren auf ihn los. Als Berling den Streit in seiner "Tenne" schlichten wollte, wurde er mit einem Schuss in die Brust lebensgefährlich verletzt. Er verbrachte mehrere Monate im Krankenhaus und lag anfangs im Koma.
Nachdem die Polizisten vor und in der Garage am Eppendorfer Weg Blutspuren entdeckt hatten, drangen sie im ersten Stock des Hauses in die Wohnung des Gastwirts ein. Alles wirkte auffallend sauber, besonders das Schlafzimmer. Das Messingbett, das dort immer stand, ist jedoch verschwunden. Und was noch merkwürdiger ist: Im Wäschekorb lagen zwei blutbeschmierte Kopfkissen-Bezüge. Von Berling und seiner Freundin Claudia, die ebenfalls aus dem St. Pauli- Milieu stammt, fehlt jede Spur.
Einen Tag später wird der Fluchtwagen von Berling, ein roter Opel Commodore, wird verlassen auf St. Pauli vorgefunden. Es wird Haftbefehl gegen Berling vom Amtsgericht erlassen wegen Verdachts eines Tötungsdelikts. Die Polizei geht davon aus, dass der Gastwirt seine Freundin bereits 4 bis 6 Wochen vorher getötet hatte und die Leiche in der Garage versteckte.
Am 16. April, einen Tag nach ihrem Geburtstag, hatte Claudia noch mit ihrer Mutter in Braunschweig telefoniert. Womöglich war sie im Mai auch noch einmal bei ihren Arbeitskolleginnen in der Herbertstraße aufgetaucht, doch ab dann verliert sich ihre Spur. Die Zeugin, die Berling dort am Donnerstag früh gesehen hatte, berichtete der Polizei, er habe insgesamt drei Pakete in ein Auto eingeladen. Möglicherweise war die Leiche also vor dem Abtransport zerstückelt worden. Erinnerungen an den Fall Käthe Rattermann aus dem Oktober 1982 (ebenfalls ein xy- SF) werden wach, die Leiche ist bis heute verschwunden. Dies war der erste „Mord ohne Leiche“ in Hamburg, hatte die Hansestadt jetzt den zweiten?
Zwei Jahre passiert nicht, Berling wird zwar mit Haftbefehl gesucht, aber auch Claudia M. ist zur Fahndung ausgeschrieben. Im Herbst 1987, 26 Monate nach dem angeblichen Mord wird eine Frauenleiche aus Elbe querab Neumühlen geborgen. Die Frau ist schnell identifiziert: es ist die gesuchte Claudia Milautzki, Prostituierte aus der Herbertstraße auf St. Pauli. Die Leiche soll "monate- oder sogar jahrelang" im Wasser gelegen haben, heißt es im Obduktionsbefund des Gerichtsmediziners. Die Tote lag festverschnürt in einer dicken blauen Plane mit Steinen beschwert, als sie von einer Schlepper-Besatzung geborgen wurde.
Jetzt wird intensiv nach Berling gefahndet. Zwei Wochen nach der Identifizierung wird nach Karl Beding in Aktenzeichen xy gefahndet. Schnell führt die Spur zu einer 50jährigen Prostituierten, die Berling "aus alten Zeiten" kannte. Sie wohnt unangemeldet im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. Als die Kripo versucht, mit ihr in Kontakt zu treten und in ihrer Wohnung anruft, meldet sich ein Mann. Die Beamten gehen davon aus, dass dieser Mann Karl Berling sein könnte. Zwei Stunden später suchen drei Kripo- Beamten die Wohnung in Oberbilk auf. Weil niemand öffnet, treten sie die Tür ein. Da hören sie einen Schuss. Im Flur kommt ihnen die Mieterin entgegen. Die Beamten fordern das SEK ein und stürmen die Wohnung….
Doch die Spezialtruppe braucht nicht mehr einzugreifen: Im Wohnzimmer liegt Karl Berling tot. Er hatte sich mit einem 38er Smith & Wesson- Revolver ein Dum-Dum-Geschoß in die Schläfe gejagt.
Das war eine typische St. Pauli Geschichte aus den 80er. Personen aus dem Milieu regeln irgendwie immer als selbst.