#1

01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) "Hertha-See" (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 09.01.2013 07:45
von uschi • 132 Beiträge
Hallo zusammen,

Da ich seit ca. einem Jahr in unmittelbarer Nähe der Normannenstrasse wohne, sei mir dieser Vergleich erlaubt: Ich habe wohl die richtige Quelle angebohrt:

Nach vierjähriger Ermittlungsarbeit kann die Polizei im September 1980 den 40-jährigen Schuhmacher Ludger S. aus Rheine als Täter ermitteln. Dieser gesteht die Tat. Die im FF gezeigte Brille trug zur Ermittlung des Täters bei.

Wieder ein herzliches Dankeschön an Herrn W. von der Ahlener Zeitung.

@Heimo, Bastian: Kopie des Artikels ist auf dem Weg.

Beste Grüsse
Uschi
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#2

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord

in Filmfälle 09.01.2013 12:26
von bastian2410 • 1.662 Beiträge
hast du noch mehr? Toll. Gehe gleich in meinen E- Mail- Account und stelle den Artikel rein.

Werde mir eine Woche lang aus Dankbarkeit mal die Ahlener Zeitung kaufen.
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#3

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord

in Filmfälle 09.01.2013 12:34
von bastian2410 • 1.662 Beiträge
Rheine- Nach vierjähriger Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei ist jetzt der mutmaßliche Täter doch noch gefasst worden, der am 29. Juni 1976 den damals neunjährigen Jürgen P. (Bild) aus Hörstel (Kreis Steinfurt) erdrosselt hat. Wie Staatsanwältin gestern auf einer Pressekonferenz in Rheine mitteilte, gestand ein 40jähriger Schuhmacher aus Rheine die Tat. Seit vier Wochen lebt Ludger S. in Eschweiler bei Aachen, wo er am Donnerstag auch festgenommen wurde. Nach Angaben der Mordkommission Münster und der Kriminalpolizei Rheine war Jürgen P. auf dem Heimweg vom Freibad Herthasee (zwischen Hörstel und Ibbenbüren) von Ludger S. angesprochen und später erdrosselt worden. Die Leiche des Jungen fand die Kriminalpolizei bei einer Suchaktion einen Tag später entkleidet in einem Waldstück. Wie die Staatsanwältin sagte, gibt es kaum Anhaltspunkte für ein Sexualverbrechen. „Sexuelle Motive waren aber durchaus mit im Spiel." Ludger S. "habe bei einer Vernehmung zugegeben, daß er das Kind unsittlich berührt habe. Als der Junge fliehen wollte, habe er ihn mit bloßen Händen erdrosselt. Wegen Sittlichkeitsdelikten war der zur Tatzeit arbeitslose Schuhmacher schon vorbestraft. Bei allen Taten, auch im Fall von Jürgen P., stand er unter starkem Alkoholeinfluss.
Nicht zuletzt die Fernsehsendung Aktenzeichen XY ungelöst brachte Mitte August dieses Jahres den entscheidenden Hinweis aus der Bevölkerung. Unweit von dem Opfer entfernt hatte damals die Kriminalpolizei eine Brille gefunden, die jetzt zur Ermittlung des Täters beitrug.

Quelle Ahlener Zeitung 20 September 1980
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#4

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 09.01.2013 13:43
von Heimo • 1.534 Beiträge
Hallo.

Super. Wenn Du jetzt jeden Tag eine Fallaufklärung bereit hältst, können wir im Sommer das Forum schließen, weil ja alle Fälle geklärt sind.
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#5

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 09.01.2013 19:45
von Ludwig • 595 Beiträge
Großartig! Jeder geklärte Fall erfreut das Herz eines jeden XY-Fans!
Wir werden wohl die Fallstatistik überarbeiten müssen, wenn das so weitergeht....
Anscheinend sind auch früher etliche geklärte Fälle nicht mehr in einer späteren Sendung vermeldet worden.
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#6

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 09.01.2013 19:51
von Gelöschtes Mitglied
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Hallo!
Gerade dieser Fall hat mich sehr gefreut, das er geklärt wurde. Das passierte zwar schon 1980, aber besser jetzt als gar nicht. Dieser Fall, wie auch schon der Mord an einem 15-jährigen Mädchen(FF 3, 04.06.1971) gehört wohl zu den Fällen, deren Aufklärung nicht in XY bekanntgegeben wurde. Dazu habe ich eine Frage:" Gibt es zu diesem Thema schon einen entsprechenden Thread in diesem Forum?"-so nach dem Motto "Fälle, deren Aufklärung nicht in XY bekanntgegeben wurde"
So denn, einen schönen Gruß von schildi
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#7

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 09.01.2013 22:16
von uschi • 132 Beiträge
@Heimo et al.: ich weiß nicht was Herr W. noch aus den Tiefen des Archivs der Ahlener Zeitung hervor holt - ich hatte ihn neben dem Hertha-See Fall noch auf drei andere Münsteraner Fälle hingewiesen - aber an einen ähnlichen Effekt kann ich mich erinnern, als vor einigen Jahren das Archiv der Hamburger Morgenpost online ging. Auf einmal wurde Licht in das Dunkel einiger Altfälle gestrahlt. Hier haben wir zwar kein Online-Archiv, aber einen interessierten Redakteur

Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn jetzt bzgl. überraschender Aufklärung von Altfällen wieder ein bisschen Ruhe einkehrt - zum einen kommt Bastian sonst nicht mit seinen Reviews nach, zum anderen wird das sonst auch nicht der Sendung und den damit verbundenen Schicksalen gerecht, wenn die Fälle hier nur "abgehakt" würden.
Ihr wisst was ich meine.

Beste Grüsse und bis bald
Eure uschi
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#8

Re: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster) Hertha-See Mord (Mordfall Jürgen P. )

in Filmfälle 22.01.2013 01:25
von bd-vogel • 570 Beiträge
Hallo Uschi,

danke für Deine Posts via Bastian mit der Klärung zum "Herthasee"-Filmfall, der, wie Schildi schon gesagt hat, vielen langjährigen XY-"Followern" hier dank seiner eindringlichen Präsentation in XY durch Grimm und Zimmermann immer im Gedächtnis blieb: und eben auch vorzügliche Nachbereitung im Studiogespräch bot: Dort wurde, wie schon im Film selbst, sehr sehr detailliert die gefundene Brille thematisiert, mit Einblendungen für Fachleute - und genau das hat dann, wie man nun weiß, dazu geführt, daß sich wenige Tage nach der Sendung der entscheidende Zeuge meldete.

"Gute" Nachrichten also. (Aufklärung macht zwar das Verbrechen nicht ungeschehen, aber kann doch auch für die Mitbetroffenen einen gewissen Abschluß darstellen).

Schön auch zu hören, daß da ein Zeitungsredakteur sitzt, den "alte" Fälle interessieren - wozu das im Einzelfall führen kann, hat man ja jüngst in Bonn bei der Aufklärung des Falls Trudel Ulmen gesehen.

Viele Grüße,
Bernhard.
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#9

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 06.09.2020 06:32
von bastian2410 • 1.662 Beiträge

01.07.1977 FF 1 (Kripo Münster)
Mord am Herta-See-Mord (Mordfall Jürgen Plumpe)


Hörstel kennt wahrscheinlich keiner in diesem Forum. Aber der Tatort ist xy- Fans bekannter als das Freibad vor der eigenen Haustür: der Herta- See. 5 Tage nachdem sich der 8jährige Jürgen Plumpe eine Jahreskarte für diesen See gekauft hat, wird er in einem Wald rundum dem Herta- See tot aufgefunden- erdrosselt. Die Trauer und die Bestürzung in der Bevölkerung der Kleinstadt ist groß- es ist der erste Mord in Hörstel nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Täter hinterlässt keine Spuren- nur eine Brille findet die Kripo am Tatort. In akribischer polizeilicher Kleinstarbeit muss die Polizei die Herkunft der Brille klären. Und tatsächlich gelingt durch die Ermittlungen der Durchbruch und der Täter wird gefasst. 4 Jahre nach dem Tod von Jürgen wird endlich der Kindermörder von Hörstel vor Gericht gestellt.

Der Mord am Herta- See- der Mordfall Jürgen Plumpe.
(Anm: die Namen von Prozessbeteiligten und Dritten sind verfremdet, sprich es handelt sich um Alternativnamen. Der Name des Täters ist abgekürzt. Zeitliche und örtliche Angaben sowie die Prozessausführungen entsprechen den wahren Begebenheiten)

Der Fall von Hörstel

Die Kleinstadt Hörstel befindet sich am nordwestlichsten Ausläufer des Teutoburger Waldes und liegt ungefähr 40 km von Münster entfernt im Landkreis Steinfurt. Rund zwei Kilometer südlich von Hörstel zweigt am Nassen Dreieck der Mittellandkanal vom Dortmund-Ems-Kanal ab. In Hörstel wohnen auch Bernhard und Margret Plumpe mit ihrem achtjährigen Sohn Jürgen. Die Familie ist sehr bekannt in der Kleinstadt und beteiligt sich am städtischen Leben in Hörstel. Zudem ist die Familie politisch engagiert und stellte sogar einen Bürgermeister für die Stadt. Der 8jährige Jürgen ist lebensfroh und hat viele Freunde. Er besucht die 2. Klasse einer Grundschule und ist ein leidenschaftlicher Fußballer und Schwimmer. In diesem Sommer- der auch schon vor der Klimaerwärmung ein ziemlich heißer war- steht das Schwimmen für Jürgen an erster Stelle. Regelmäßig besucht er daher mit Freunden den Herta- See, ein Freibad nicht weit entfernt von seinem Wohnort.

Am 25. Juni kauft sich der Achtjährige eine Schülerjahreskarte für 6 DM für den Eintritt ins Privat-Freibad Herthasee zwischen Ibbenbüren und Hörstel. Nur fünf Tage kann er sie benutzen. Dann wird der Hörsteler Schüler Opfer einer grausamen Tat.
Am diesen sehr heißen Dienstagnachmittag- den 29. Juni 1976- radelt Jürgen Plumpe mit seinem neuen, roten Fahrrad zum Hertha-See, um seine Freunde Werner und Helmut zu treffen. Seiner Mutter verspricht er noch, bis halb 6 Uhr wieder zu Hause zu sein, damit die Familie pünktlich zum Abend essen kann. Den Ratschlag von seiner Mutter, ein Hemd mitzunehmen, lehnt Jürgen wegen dem heißen Wetter ab und fährt mit nacktem Oberkörper, nur mit einer Badehose bekleidet, los. Das Ausflugsziel, dem ein großer Campingplatz angeschlossen ist, ist 4 km von Hörstel entfernt und ist an diesen Tagen aufgrund der hohen Sommertemperaturen stark frequentiert.

Am Herta- See trifft Jürgen seine Freunde Helmut und Werner. Seit diesen Sommer werden die Jahreskarten am Eingang abgegeben, damit der Betreiber die Übersicht über die Besucherzahlen behält. Die Kassenfrau kennt den Achtjährigen per Namen und kann sich später daran erinnern, dass Jürgen das Bad mit seinen Freunden betreten hat.

Die Jungs verbringen fröhliche Stunden am See, essen Eis und schwimmen ausgiebig. Der Nachmittag verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Gegen Viertel nach 5 macht sich Jürgen dann auf den Weg nach Hause. Alleine und ohne Freunde- auch daran kann sich die Kassenfrau später erinnern. Vom Freibad aus gibt es eine direkte Straße nach Hörstel, die Jürgen Plumpe benutzt haben muss. Er ist diese Strecke schon oft gefahren und kennt sie gut. Für den Heimweg braucht er idR 15 Minuten.

Als Jürgen am Dienstagabend gegen 18 Uhr noch nicht zu Hause ist, machen sich die Eltern große Sorgen und starten zusammen mit den Nachbarn eine Suchaktion- allerdings ohne Erfolg. Am Herta- See informiert die Kassenfrau die Suchenden, dass Jürgen bereits vor 2 Stunden das Bad verlassen hat, da auch seine Jahreskarte nicht mehr hinterlegt ist. Gegen 20 Uhr verständigt die Familie dann die Polizei und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Die Beamten organisieren noch am Abend mit Hilfe der Einwohner von Hörstel eine zweite, größer angelegte Suchaktion und suchen vor allem die herumliegenden Wälder und Wege ab, die Jürgen mit seinem Fahrrad benutzt haben muss.

Gegen 22.30 Uhr wird zunächst das rote Rad gefunden, kurze Zeit später dann ein Taschentuch des Jungen. Auch die schlimmsten Befürchtungen werden etwas später wahr, denn um kurz vor 4 Uhr wird die nackte Leiche des Jungen nur wenige 100 Meter vom Herta- See entfernt gefunden. Schon bei Auffinden der Leiche wird festgestellt, dass der Junge durch Gewalteinwirkung gegen den Hals gestorben ist.

Es ist seit dem Ende des zweiten Weltkrieges der erste Mord in Hörstel und die Bestürzung in der Bevölkerung ist groß. Sofort übernimmt die Mordkommission aus Münster die Ermittlungen und richtet eine SoKo ein. Aufgrund der ersten Tatortbefragungen gehen auch die ersten Hinweise auf Männer ein, die zur Tatzeit in der Nähe des Hertha-Sees gesehen worden. Auch der Hinweis auf ein orangefarbenes Moped bzw. Kleinkraftrad geht bei der SoKo ein. Die besonderen Kennzeichen des Kraftrades: Ein Windabweiser als Knieschutz und ein auffallend großer Spiegel. Der Fahrer soll zwischen 15 und 17 Jahre alt sein und wurde von einem Zeugen in der Nähe des Tatortes gesehen- dieser Hinweis wird noch eine große Rolle bei der Aufklärung spielen.
Am Morgen lässt die Polizei das Gelände um den Herta- See mit einem Hubschrauber und mit einer Hundertschaft von Polizisten aus dem gesamten Kreis Steinfurt nach vermissten Gegenständen des Jungen absuchen. Mit Erfolg: Gefunden werden die vermisste Fahrradtasche des Jungen, in zwei Stücken zerrissen und ein Handtuch. Bei der Suche wird jedoch nicht die blaue Badehose- bestickt mit bunten Spielzeugmotiven- ein zweites blau-weißes-rotes Handtuch und seine Jahreskarte für den Herta- See gefunden. Einen interessanten Fund machen die Beamten dennoch. In unmittelbarer Nähe des Tatortes- keine 30 Meter vom Fundort der Leiche entfernt und an einer Stelle, an der Gegenstände des Opfers gefunden wurden- entdeckt die Polizei eine Brille Modell SA 3- 52/20 mit einer Glasstärke auf beiden Seiten +0,75. Die Nähe zum Tatort lässt den Schluss zu, dass diese Brille entweder dem Opfer oder dem Täter gehört und er diese bei der Tat verloren hat. Nachfragen im Familienkreis des Jungen bestätigen jedoch, dass Jürgen keine Brille getragen hat.

Da ansonsten nur wenige Spuren- u.a. auch ein Zigarettenstummel- gefunden werden, konzentrieren sich die weiteren Ermittlungen zunächst auf die Herkunft der Brille. Die Brille weist ein individuelles Merkmal auf, nämlich Lochbohrungen am Gestell, die von einer Reparatur stammen könnten. Beide Stege sind aus Kunststoff und beweglich, unterhalb der Stege ist die Brille oxydiert. Durch diese Merkmale erhofft sich die Kripo, den Eigentümer der Brille zu identifizieren und veröffentlicht Berichte in speziellen Optikerzeitungen. Tatsächlich melden sich zahlreiche Optiker und machen Angaben zur Herkunft der Brille. So stellt sich heraus, dass die Gestelle in Italien produziert werden und in Deutschland von einem Großhändler in Hamburg vertrieben werden. Die Lochbohrungen wurden von der Firma aus Italien jedoch aus ästhetischen Gründen angebracht und helfen daher nicht weiter. Bei einem Besuch in Hamburg beim Großhändler erfährt die Kripo, dass die Gläser aus einem Werk aus Rio de Janeiro stammen und erst seit Oktober 1974 in Deutschland vertrieben werden. Das Exemplar, welches am Tatort gefunden wurde, wurde ein Jahr getragen und muss daher im Sommer 1975 bei einem Optiker gekauft worden sein. Obwohl der Zeitraum des Brillenkaufs eingegrenzt werden kann, ist es nicht möglich festzustellen, bei welchem Optikerbetrieb die Brille verkauft wurde.
Der Leichnam wird zur weiteren Untersuchung in die Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster gebracht. Die Obduktion ergibt, dass Jürgen Plumpe durch Gewalteinwirkung am Hals gestorben ist und mit einem scharfkantigen Gegenstand erdrosselt wurde. Zwischen dem Verlassen des Freibades und den Todeseintritt sind nach dem Ergebnis der Rechtsmedizin keine zwei Stunden vergangen. Objektive Hinweise für ein Sexualverbrechen werden nicht gefunden.

Neben den Ermittlungen zur Herkunft der Brille verstärkt die Polizei auch die Öffentlichkeitsfahndung. Es gehen auch zahlreiche Hinweise ein. 2 Wochen nach der Tat kommt es zu einer Festnahme aufgrund eines Zeugenhinweises. Ein 17jähriger Hörsteler wird im Zuge der Ermittlungen festgenommen. Zwischen den Festgenommenen und der Brille stellt die Polizei eine Verbindung her. Der junge Mann hatte seine Brille verloren, die große Ähnlichkeit mit der Brille vom Tatort aufweist und zudem mit Lochbohrungen am Gestell versehen ist. Zudem gibt er zu, mehr über den Mord am Herta- See zu wissen. Ein Haftbefehl wegen Mordes lehnt der Untersuchungsrichter jedoch ab, da inzwischen auch Mikrospuren auf der Brille gefunden wurden, die mit den Genmaterial des 17jährigen nicht übereinstimmen. 24 Stunde nach seiner Festnahme wird der Mann wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine weise Entscheidung: Nachdem die Polizei herausgefunden hat, dass die Gestelle aus Italien und die Gläser aus Brasilien stammen, ist der junge Mann rehabilitiert. Seine Brille konnte nicht die vorgefundene Brille sein.

Da die Brille eine entscheidende Bedeutung in diesem Mordfall spielt und die Kripo nach ihren Ermittlungen überzeugt ist, dass diese dem Täter gehört, entschließt sich die Staatsanwaltschaft Münster, den Fall bei Aktenzeichen xy vorzustellen. Auf diesen Weg versucht sie, erneut bundesweit Optiker anzusprechen, um die Herkunft der Brille zu klären. Zudem werden erneut Fahndungsfragen in speziellen Fachzeitschriften des Optikerhandwerks veröffentlich. Im Juli 1977 wird der Fall als erster Filmfall vorgestellt. In Münster und Ibbenbüren werden extra Telefonzentralen zur Ausstrahlung eingerichtet. Eine Sendung, in der drei Monate nach dem Buback- Mord und kurz vor Beginn des deutschen Herbstes erneut die Terrorfahndung am Anfang der Sendung im Vordergrund steht und die Fahndung nach Willy Stoll ausgestrahlt wird.

In der Nachbesprechung werden vor allem Optiker angesprochen und die Brille ausführlich dargestellt. Die Staatsanwaltschaft Münster möchte gerne wissen, wer Angaben zur Brille Modell SA 3- 52/20, rosé getönt, nicht entspiegelt; Gläser Modell Ultrax, Dioptrien auf beiden Seiten+ 0.75 machen kann. Zudem wird nach verschwundenen Gegenständen aus dem Besitz von Jürgen gefragt, die bis heute nicht wieder aufgetaucht sind. Bis zur Ausstrahlung war es nicht gelungen, die Badehose und vor allem die Jahreskarte für den Herta- See zu finden. Das Opfer hatte die Karte in einer selbst zugeschnittenen Klarsichthülle verklebt. Insgesamt sind zur Aufklärung des Verbrechens 5000 DM Belohnung ausgesetzt.

Bis zur Spätsendung gehen über 40 Hinweise ein. Viele Hinweise beziehen sich selbstverständlich auf die Herkunft der Brille. Auch ging ein Anruf eines Zuschauers ein, der Angaben machen wollte, jedoch Angst vor einer Fangschaltung hatte und auflegte. In der Spätsendung bittet der Staatsanwalt im Studio, dass sich der Anrufer nochmal melden soll und versichert, dass es keine Fangschaltung gibt.

Innerhalb einer Woche nach der Sendung verfolgt die Kripo Münster über 100 Spuren. Trotz der Ausstrahlung des Falles im ZDF ist jedoch keine heiße Spur dabei. Die Kripo ist in der nächsten Zeit vor allem damit beschäftigt, die Personen zu überprüfen, die zum Tatzeitpunkt ihre Brille verloren haben und die zudem eine Ähnlichkeit mit der am Tatort vorgefundenen Brille aufweisen. Um diese Frage zu klären, werden viele Fotos der entsprechenden Personen abgeglichen.

Zudem erhalten die Beamten in Münster zusätzliche Arbeit. Gut 10 Tage nach der Ausstrahlung nimmt die Polizei in Hiltrup einen Mann fest, der per Haftbefehl gesucht wird. Er hatte noch eine Reststrafe zu verbüßen und wird in die JVA Münster gebracht. Dort gesteht der 51jährige, dass er die xy-Sendung gesehen hat und der Mörder des Jungen aus Hörstel ist. Schnell stellte sich dieses Geständnis jedoch als Schwindel heraus. Bei Detailfragen verwickelt sich der Mann sehr schnell in Widersprüche. Weitere Ermittlungen ergeben, dass er als Täter mit Sicherheit ausscheidet, da er zur fraglichen Zeit eine Gefängnisstrafe verbüßte.

Im zweiten Teil: die weiteren Ermittlungen führen tatsächlich zum Täter. Die Brille bleibt das wichtigste Indiz. Und die Antwort auf die Frage, warum der Junge sterben musste.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 06.09.2020 06:47 | nach oben springen

#10

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 08.09.2020 01:17
von bastian2410 • 1.662 Beiträge

[b]01.07.1977 FF 1 (Kripo Münster)
Mord am Herta-See-Mord (Mordfall Jürgen Plumpe)
Teil 2

1978 wird die SoKo aufgelöst. Der Fall wird jedoch nicht zu den Akten gelegt, sondern weiter von 5 Kriminalbeamten weiterbearbeitet. Neue Erkenntnisse ergeben sich in den nächsten Jahren jedoch nicht.

Die Zeit vergeht, ohne das sich etwas in dem Fall tut. Über vier Jahre nach dem Mord erhalten die Beamten im August 1980 einen Anruf- es ist Spur 213 im Mordfall Jürgen Plumpe. Eine Frau meldet sich und berichtet, dass sie im Frühjahr im Krankenhaus in Rheine lag, weil sie ein Kind entbunden hat. Während des Aufenthalts in der Klinik habe sie eine ältere, inzwischen verstorbene Frau kennen- und schätzengelernt. Die alte Dame hatte der jungen Mutter anvertraut: „Ich glaube, den Täter vom Herthasee zu kennen." Sie berichtet, dass diese Person immer die gleiche Brille getragen hatte wie sie in Hörstel gefunden wurde. Im Sommer 1976 war die Brille auf einmal verschwunden und er trug eine andere. Durch die Berichterstattung in der Öffentlichkeit und der Ausstrahlung in Aktenzeichen xy habe sie dann mehr über den Fall erfahren und sich Gedanken gemacht. Allerdings hatte sie keinen Namen genannt. Aus verschiedenen Andeutungen aber lässt sich rekonstruieren: der Mann hatte in Rheine gewohnt und hatte dort als Schuhmacher auch gearbeitet. Er war inzwischen jedoch verzogen. Die Kripo weiß zwar nicht den Namen der Person, stellt aber fest, dass der mögliche Täter aus dem Bekanntenkreis der älteren Dame kommt. Die Kripo durchsucht die Polizeikarteien nach Verdächtigen, auf denen die Beschreibung aufgrund der Aussagen der Familie der Verstorbenen passt und der als Schuhmacher in Rheine gearbeitet hat. Es ist erneut Kleinstarbeit, aber dann finden sie ihn in den Karteien. Es wird noch besser: den Beamten fällt beim Durchsuchen der Karteien ein Foto von der möglichen Person in die Hand. Auf dem Foto trägt der Gesuchte eine Brille, die sehr große Ähnlichkeit mit der am Tatort in Hörstel gefundenen Brille aufweist.

Ludger S. lebte zum Tatzeitpunkt in Rheine und war nach der Tat nach Eschweiler gezogen. Die Kripo Münster besucht ihn und fragt ihn nach der Brille. Vorzeigen kann er die Brille nicht, da er sie irgendwann im letzten Jahr verloren hat. Was den Beamten aber auch noch auffällt: S. besitzt so ein Moped, welches am Tattag in Nähe des Leichenfundes von einem Zeugen beobachtet wurde.

Am 18. September 1980 wird Ludger S. in Eschweiler festgenommen und nach Münster gebracht. S. schweigt zunächst in den Vernehmungen zu den Tatvorwürfen. Einen Tag später erlässt der Untersuchungsrichter in Münster Haftbefehl wegen dem dringenden Tatverdacht des Mordes. S. wird in der JVA Münster in Untersuchungshaft genommen.

S. wird auch nach Erlass des Haftbefehls weiter verhört. Als ihm die Aussage eines Zeugen vorgetragen wird, dass sein Moped zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes gesehen wurde, räumt er ein, am 29. Juni 1976 am Herta- See gewesen zu sein, bestreitet aber den Mord an Jürgen Plumpe.
In weiteren Vernehmungen gibt der Beschuldigte jedoch immer mehr zu und gesteht schließlich nach 10 Tagen Verhör den Mord. Er habe damals Jürgen angesprochen und ist mit dem Jungen ins Gespräch gekommen. Da Jürgen nur mit einer Badehose bekleidet war, fühlte er sich von ihm angezogen. Er fragte, ob er vielleicht Lust hätte, mit ihm eine Runde auf seinem Moped zu drehen. Der Junge lehnte jedoch ab und wollte nach Hause. Das wollte er verhindern und hielt ihn fest. Jürgen konnte sich jedoch losreißen und versuchte zu fliehen. Da habe er Panik bekommen und sei hinterhergelaufen. Als er den Jungen einholte und er geschrien habe, habe er erst den Jungen gewürgt, damit er ruhig ist. Als er bewusstlos war, habe er ihn mit einem Strick von seiner Fahrradtasche getötet. Allerdings sagt er aus, bei der Tatausführung unter starkem Alkoholeinfluss gestanden zu haben und sei daher nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen.

Aufgrund dieser Ausführungen von Ludger S. erhebt die Staatanwaltschaft im August 1981 Anklage wegen Mordes. Der Anklage wird stattgegeben und der Termin für Ende September festgesetzt.

Der Prozess beginnt bei der Großen Strafkammer des Landgerichtes Münster am 21. September 1981. Die Anklage wirft dem heute 41jährigen zur Last, am 29. Juni 1976 den achtjährigen Schüler Jürgen Plumpe aus Hörstel bei Ibbenbüren gewürgt und ermordet zu haben. Der Junge war an diesem Abend nicht von einem Besuch des Herthasees nach Hause zurückgekehrt. Nach einer umfangreichen privaten und polizeilichen Suchaktion wurde der Schüler am nächsten Morgen in unmittelbarer Nähe des Sees tot aufgefunden. Der damals 38jährige soll sein Opfer mit einem Mofa in das Waldstück gelockt haben, um sich an ihm zu vergehen. Als der Schüler davonlaufen wollte, habe ihn Ludger S. eingeholt und dann erwürgt. S. hatte Angst, aufgrund seiner Vorstrafen erneut als Sexualstraftäter verurteilt zu werden. Er würgte daher erst sein Opfer, um es ruhig zu stellen. Nachdem er einen passenden Ablegeort gefunden hatte, erdrosselte er Jürgen mit einem Riemen von der Fahrradtasche seines Opfers. Der entscheidende Tipp kam erst vier Jahre später, als sich eine Zeugin meldete und aussagte, dass der Angeklagte seine Brille nach der Tat nicht mehr trug und diese mit der vorgefundenen Brille am Tatort in Hörstel nahezu identisch war und auch dieselben individuellen Merkmale aufwies. Die Tat habe er bei seiner Vernehmung gestanden. S. habe zur Verdeckung einer Straftat gehandelt und ist somit wegen Mordes anzuklagen.

Der Angeklagte verweigert Angaben zur Person und will auch nicht zur Sache aussagen. Er sei zur Zeit nicht in der Lage, auszusagen.
Zunächst werden die Eltern gehört. Für sie ist es auch jetzt immer noch unverständlich, dass sich ihr Kind von einem Fremden hat in den Wald locken lassen. Der Vater sagt aus, sein Sohn sei nie mit Fremden mitgegangen. Auch die Mutter schließt das aus. Man habe Jürgen immer vor Fremden gewarnt. Ansonsten sei dieser Dienstag normal verlaufen. Jürgen habe vormittags das Elternhaus verlassen, um am Herta- See seine Freunde zu treffen. Zwar sei ihr Sohn nur mit einer Badehose bekleidet gewesen, aber Sorgen habe sie sich nicht gemacht. Jürgen sei an heißen Tagen immer mit freiem Oberkörper herumgelaufen. Nicht ausgeschlossen ist es nach Ansicht der Mutter, dass es in dem Waldstück zwischen dem Täter und ihrem Sohn zu einem Handgemenge gekommen ist. Jürgen sei nämlich körperlich sehr geschickt gewesen und wusste sich zu wehren.

Die Verteidigung stellt den Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, ist sein Mandant bereit auszusagen. Das Gericht gibt dem Antrag statt, um die Einlassungen des Angeklagten zu hören. S. ist in Ibbenbüren geboren, zog jedoch nach der Schule nach Rheine und machte dort seine Ausbildung zum Handwerker. Danach habe er nach seiner Heirat eine Anstellung in einem Schuhgeschäft gefunden. Bei seinen Aussagen zum Tathergang weicht Ludger S. jetzt jedoch erheblich ab und stellt diesen anders dar als noch in seinen Vernehmungen. So sei sein Opfer ihm zunächst noch wohlgesinnt entgegengetreten und habe auch körperliche Nähe zugelassen. Erst später hätte sich das Verhalten von Jürgen geändert und er sei gegenüber ihn aggressiv geworden. Das weitere Geschehen sei daher mehr ein Unfall gewesen. Zudem sei er an diesem Tag ziemlich betrunken gewesen. Bereits morgens nach dem Aufstehen habe er zum Alkohol gegriffen. Nachmittags habe er verschiedene Gaststätten aufgesucht und weiter Bier und Korn getrunken. Den Nachfragen der Anklage und des Richters weicht er aus und bleibt bei seiner Version des Tatherganges.
(Anm: die Aussage ist nur in Auszügen vorhanden, da die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Da mehrmals auf diese Aussage im weiteren Verlauf der Verhandlung Bezug genommen wurde, konnte ich ein Teil der Einlassungen rekonstruieren. Auszüge, die ich nicht belegen kann, aber mir bekannt sind, habe ich in diesem Review weggelassen)

Am nächsten Verhandlungstag sagen viele Freunde von Jürgen aus. Auch die beiden Freunde, mit denen sich Jürgen am Herta- See getroffen hat. Sie erzählen, dass Jürgen ein begeisterter Schwimmer war und in den Sommermonaten jede freie Minute im Freibad verbracht hat. An diesem Tag habe man sich am Eingang des Bades getroffen. Dies sei eine Ausnahme gewesen, denn in der Regel fahre man zusammen zum See. Der Tag im Freibad sei dann normal verlaufen. Gegen Viertel nach 5 habe Jürgen sich dann verabschiedet, da er pünktlich zu Hause sein wollte. Er sei dann alleine nach Hause gefahren. Auch das sei eine Ausnahme gewesen, denn man sei eigentlich immer zusammengefahren. Da es an diesem Tag aber noch hell war und auch noch sehr warm, wollte man noch am See bleiben und schwimmen.

Auch die Kassenfrau vom Herta- See bestätigt, dass Jürgen das Bad gegen Viertel nach 5 allein verlassen hat. Sie kenne den Jungen und habe ihm noch seine Jahreskarte ausgehändigt. Ob Jürgen bereits unmittelbar nach dem Verlassen eine Person getroffen hat, könne sie nicht sagen. Das Bad war an diesem Tag mit Temperaturen über 30 Grad sehr gut besucht, daher habe sie darauf nicht geachtet.

Dann sagen Beamte der Kripo Münster, Rheine und Ibbenbüren aus. Wichtige Indizien bei den Ermittlungen waren vor allem die Brille, die unmittelbar bei der Leiche gefunden wurde und eine harte, filterlose Zigarette. Die Herkunft der Brille hatte bei der Tätersuche Priorität. Alle Ermittler waren der Meinung, dass die Brille dem Täter gehört. Sie wurde im zusammengeklappten Zustand gefunden. Dies ließ den Schluss zu, dass der Täter die Brille- evtl. aus der Jacken- oder Hosentasche- verloren hat. Die Gestelle wurden von Italien aus vertrieben und in Taiwan hergestellt. Es war ein Massenprodukt, nachdem sich herausstellte, dass die Lochbohrungen auf jeder Brille vorhanden waren. Die Fahrt zu dem deutschen Großhändler und weitere Ermittlungen bei Optikern führten zu neuen Erkenntnissen. Die Vertriebswege konnten rekonstruiert werden. Im Raum Rheine-Ibbenbüren-Münster wurden die Optiker abgeklappert, die von der Firma in der Alsterstadt beliefert worden waren. Das besondere Merkmal der Sehhilfe: Die Gläser waren auf eine spezielle Art handgeschliffen. Dies ergab eine neue Spur, die nachgegangen wurde. In Rheine fand sich ein Brillenspezialist, der Gläser für das gesuchte Gestell entsprechend angefertigt hatte. Die Verkaufsunterlagen waren allerdings einem Ems-Hochwasser zum Opfer gefallen. Das hieß, wir mussten von vorne anfangen und verstärkten die Öffentlichkeitsfahndung. Den entscheidenden Hinweis erhielt die Kripo erst im August 1980. Eine Frau hatte nach ihrer Entbindung im Krankenhaus eine ältere, inzwischen verstorbene Frau kennengelernt. Die alte Dame hatte der jungen Mutter anvertraut: „Ich glaube, den Täter vom Herthasee zu kennen." Sie hatte jedoch keinen Namen genannt. Die Polizeiakten wurden durchgesehen und führten aufgrund eines Fotos nach Eschweiler.

Nach Ermittlungen im Bekanntenkreis der älteren Dame fiel der Verdacht auf den Angeklagten. Mehrere Ermittler suchten den Angeklagten auf und befragten ihn. Er wurde nach dem Verbleib der Brille gefragt, die er gewöhnlich trug. Er konnte keine plausible Erklärung abgeben, warum diese Brille nicht mehr in seinem Besitz war. Zudem fiel den Beamten auf, dass S. Fahrer eines orangefarbenen Mopeds war. Dieses Moped wurde von einem Zeugen zur Tatzeit am Herta- See gesehen. Daraufhin wurde S. festgenommen.

Die Rechtsmedizin trägt ihren Obduktionsbericht vor. Der Junge starb durch Gewalteinwirkung gegen den Hals. Dabei wurden auch Würgemerkmale festgestellt. Todesursache war jedoch die Gewalteinwirkung mit einem Werkzeug. Durch das Erdrosseln brach bei Jürgen das Zungenbein und führte schließlich zum Atemstillstand. Als Tatwerkzeug kommt der Lederriemen von Jürgens Fahrradtasche in Betracht. Das Opfer ist an diesem 29. Juni nicht nach 20 Uhr gestorben, zwischen dem Verlassen des Freibades und dem Todeseintritt lagen nicht mehr als 2 Stunden. Jürgen muss daher unmittelbar nach dem Verlassen des Sees von seinem Mörder abgefangen worden sein. Hinweise auf ein Sexualverbrechen werden bei der Untersuchung jedoch nicht festgestellt.
Im Mittelpunkt des 5. Prozesstages steht die Aussage eines inzwischen 21jährigen Mannes aus Hörstel, der vor fünf Jahren in den Verdacht geraten war, zumindest nähere Kenntnisse über den Tod des Schülers gehabt zu haben. Der Uhrmachergeselle, damals ganze 17 Jahre alt, sagt aus, dass er Jürgen Plumpe an diesem 29. Juni 1976 nicht gesehen habe und er über keine weiteren Kenntnisse über den Mordfall verfüge. Bei seinen Vernehmungen, die auch zur Festnahme des Hörstelers geführt hatten, will der Zeuge „unter Druck" gestanden haben. Deshalb habe er den vernehmenden Polizeibeamten auch gestanden, Kenntnisse über den Tod des Schülers zu haben. Vor Gericht bezeichnet der Uhrmachergeselle seine damaligen Geständnisse als reine Phantasie. Er habe nur das erzählt, was er aus Erzählungen und aus der Presse entnommen habe. Trotz einer vom Gericht eingeräumten Bedenkzeit bleibt der 21jährige Hörsteler dabei, dass er keine Kenntnisse über den Tod von Jürgen Plumpe habe.

Die geschiedene Ehefrau sagt aus und berichtet von Auseinandersetzungen in der Ehe. Beide hatten sich in Rheine kennengelernt und ineinander verliebt. Am Anfang war die Beziehung glücklich, dann wandte sich ihr Ex-Mann immer mehr dem Alkohol zu. In der Ehe kam es immer mehr zum Streit und sie wurde auch Opfer von Gewalt. Nachdem ihr Ex- Mann zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt wurde, trennte sie sich von ihm noch vor der Tat in Hörstel und reichte die Scheidung ein.

Der Bewährungshelfer des Angeklagten sagt aus, dass er bereits mehrmals den 41jährigen nach Verurteilungen und Gefängnisaufenthalten betreut habe. Dies habe am Anfang immer gut funktioniert, jedoch wurde der Angeklagte durch seine Alkoholsucht dann wieder straffällig.
Um sich ein Bild von dem Geisteszustand des Angeklagten zu machen und um die Frage zu beantworten, ob eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegt, hört das Gericht eine Psychologin und ein Psychiater als Gutachter. Der Alkohol wurde zum Lebenspartner des Angeklagten, mit zunehmendem Alter steigerte sich auch seine Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft. Diese Entwicklungen zeigen auch seine Vorstrafen, bereits vor der Tat an den Jungen hatte er seine Opfer gewürgt. Ludger S. ist bereits mehrmals in Zusammenhang mit anderen Straftaten psychiatrisch untersucht worden. Dabei wurde auch festgestellt, dass er als sogenanntes blausüchtiges Kind zur Welt kam, da er in den ersten Minuten seines Lebens nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurde. Bei der Geburt wurde somit ein Teil der Hirnsubstanz zerstört. Im Laufe seines Lebens baute daher seine Intelligenz immer mehr ab. Der festgestellte Intelligenzabbau wirkt sich nach Meinungen der Sachverständigen immer mehr verhängnisvoller aus. wenn der Angeklagte Alkohol genießt. Bei einer Verurteilung sollte der Angeklagte daher psychologisch und psychiatrisch weiter untersucht werden und unter Beobachtung gestellt werden.

Danach werden Gutachter der KTU gehört. Sie haben die Gegenstände vom Tatort auf Mikrospuren untersucht. Die Brille wurde auf Genmaterial untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass das vorgefundene Material mit der Blutgruppe des Angeklagten übereinstimmt. Auch wurde in unmittelbarer Nähe zum Tatort eine Zigarettenkippe gefunden. Auch hier wurden Spuren gefunden, die mit dem Genmaterial des Angeklagten übereinstimmen. An der Leiche wurden keine Spuren gefunden, weder Sperma noch andere Verletzungen, die auf ein sexuelles Motiv hindeuten.

Teil 3: Das Urteil vom Schwurgericht Münster. Wie lange muss der Angeklagte in Haft? Und eine Schlußbetrachtung über den Mordfall Plumpe


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 08.09.2020 01:20 | nach oben springen

#11

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 09.09.2020 14:35
von Jiri Brei • 602 Beiträge

Hallo Bastian!
Habe erst eben gesehen, dass Du nach langer Abwesenheit wieder dabei bist (ok, schon seit Mai). Willkommen zurück! Schön, dass Deine "gehaltvollen" Beiträge wieder zu lesen sind! :-)

JB


Mord verjährt nicht.
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#12

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 10.09.2020 00:23
von bastian2410 • 1.662 Beiträge

danke, Jiri, für die netten Worte.
Ich hoffe aber, die Gänsefüßchen bzgl. "gehaltvoll" waren nicht ironisch gemeint. ;) Schließlich hatten wir auch mal die eine oder andere Diskussion hier im Forum. Kleiner Spaß, hoffe weiter auf eine rege Diskussion hier im Forum, mein Freund.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)
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#13

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 10.09.2020 02:45
von bastian2410 • 1.662 Beiträge

01.07.1977 FF 1 (Kripo Münster)
Mord am Herta-See (Mordfall Jürgen Plumpe)
Teil 3

Am 7. Verhandlungstag werden die Plädoyers gehalten. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft gilt es nach der Beweisaufnahme als erwiesen, dass der Angeklagte am 29. Juni 1976 den achtjährigen Schüler Jürgen Plumpe in einem Waldstück beim Herthasee in Hörstel getötet hat. Ludger S. soll den Schüler erdrosselt haben, nachdem er vorher versucht habe, ihn sexuell zu missbrauchen. Der Junge sei daraufhin geflohen. Ludger S. habe den Schüler eingeholt und dann zuerst gewürgt und später mit einem Lederriemen erdrosselt. Die Anklage billigt den Angeklagten S. zwar krankhafte seelische Störungen zu, die Einsichtsfähigkeit zur Tatzeit aber sei trotz reichlichen Alkoholgenusses gegeben gewesen. S. habe das Verbrechen selbst eingestanden, allerdings gebe es eine Reihe von Widersprüchen in seinen Aussagen vor Gericht und seinem Geständnis nach seiner Festnahme im September 1980. Die Aussagen vor der Polizei decken sich jedoch mit Tatortspuren und den Ermittlungsergebnissen. Das S. seine Aussage im Prozess abgeändert hat, ist als Schutzbehauptung zu werten, um die mögliche Verurteilung wegen Mordes zu verhindern. Es ist jedoch eindeutig, dass die Aussagen des Angeklagten vor Gericht den Tatablauf nicht wiederspiegeln- die Tötung kann so nicht abgelaufen sein. Die Aussagen in den Vernehmungen jedoch weisen Täterwissen auf. Insgesamt sei das Verbrechen als Mord zu werten, da S. zur Verdeckung einer Straftat getötet hat, um seine Strafverfolgung zu verhindern.

Von einer grausamen und abschreckenden Tat spricht die Verteidigung, sieht den Mordvorwurf jedoch nicht als erwiesen an. Trotz des Geständnisses seines Mandanten reichen die vorgelegten Beweise für eine Verurteilung nicht aus. Es wird zwar eingeräumt, dass die in der Nähe des Tatortes gefundene Brille zwar dem Angeklagten gehöre, doch sei es auch möglich, dass der Schüler die Brille selbst gefunden und mitgenommen habe. Auch die von Ludger S. bei seiner Vernehmung vor einem Jahr angefertigte Tatortskizze reiche als Beweis nicht aus., denn er kannte die Gegend rundum den Herta- See. Im Ergebnis kann nicht stimmen, was S. auch bei seiner Vernehmung gestanden hat, da die Beweisaufnahme einen anderen Tatablauf hervorgebracht hat.
Die Verteidigung stellt jedoch keinen Antrag und auch der Angeklagte verzichtet auf sein Schlusswort.

Am 21. Oktober 1981 spricht die II. Große Strafkammer beim Landgericht Münster das Urteil und verhängt gegen den Angeklagten S. eine lebenslange Haft wegen Mordes. Das Schwurgericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte am Abend des 29. Juni 1976 den achtjährigen Schüler Jürgen Plumpe aus Hörstel bei Ibbenbüren gegen 19 Uhr zuerst erwürgt und dann erdrosselt hat, um zu verdecken, dass er den Jungen sexuell missbraucht hatte. Grundlage für dieses Urteil ist das eigene Geständnis des Angeklagten vor der Polizei bei seiner Festnahme im September 1980, die in der Nähe des Tatortes vorgefundene Brille, eine Zigarettenkippe und das Teilgeständnis während des Prozesses. Die Untersuchung der Kriminaltechnik hat eindeutig ergeben, dass Brille und Zigarette vom Angeklagten stammen. Auch die Bereitschaft zu Gewalttaten ist durch seine Vorstrafen bewiesen. Bei drei vorhergegangenen, einschlägigen Delikten hat der Angeklagte seine Opfer ebenfalls gewürgt, daher sei ihm die Tat auch zuzutrauen. Trotz Widersprüchen in den beiden Geständnissen geht das Schwurgericht davon aus, dass die Tat so begangen wurde, wie Ludger S. sie in Umrissen geschildert hat. Aufgrund der weiteren Beweise gegen den Angeklagten, ist es für eine Verurteilung nicht nötig, den genauen Tatablauf zu rekonstruieren. Durch eine Hirnschädigung bei der Geburt und durch erheblichen Alkoholgenuss sei zwar die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich eingeschränkt gewesen. Diese Schuldunfähigkeit aber habe Ludger S. durch den Alkoholgenuss selbst herbeigeführt. Der Angeklagte ist für die Allgemeinheit gefährlich und neigt zu weiteren Straftaten. Daher ordnet das Gericht neben der lebenslangen Haft auch die gleichzeitige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Mitte 1982 wird das Urteil des Schwurgerichts Münster rechtskräftig und die lebenslange Haft gegen Ludger S. bestätigt.

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Diesmal ein etwas unspektakulärer Prozess, die Beweise waren doch zu eindeutig. Ein Prozess, der aber zeigt, wie wichtig der Fortschritt in der Kriminaltechnik ist. Die Suche nach dem Täter wäre heute einfacher mit Hilfe der DNA- Analyse und hätte keine vier Jahre gedauert. Diese Analyse stand damals leider noch nicht zur Verfügung, man musste auf das sogenannte Täterausschlussverfahren zurückgreifen. Dieses Verfahren habe ich bereits in anderen Reviews erklärt und auf die Unterschiede zur DNA- Analyse hingewiesen. Hier seht ihr mal einen typischen Prozess aus den 70/80en. Es liegen objektive Beweise vor, die eindeutig für die Schuld des Täters sprechen und trotzdem ist es ein hartes Stück Arbeit der Anklage, diese Schuld nachzuweisen, weil kein eindeutiges Motiv bzw. widersprüchliches Geständnis des Täters vorliegt. Damals übrigens eine beliebte Methode der Verteidigung bei Vorliegen einer Aussage oder Geständnis des Täters, durch Abwandelungen im Prozess Widersprüche im Tatablauf zu erzeugen. Das hat in diesem Mordfall nicht funktioniert. Aber nicht nur die Ermittlung eines Verdächtigen oder die Überprüfung eines Täters vor Gericht ist dank der DNA- Analyse einfacher geworden. Diese Analyse verhindert auch weitere Straftaten durch den gleichen Täter, weil diese Täter ganz einfach früher gefasst werden. Ludger S. ist auch nach dieser Tat kriminell in Erscheinung getreten und hatte ein Opfer gewürgt. Zum Glück hat sie überlebt, jedoch wäre dieses Verbrechen heute wahrscheinlich nicht passiert. Daher sollten wir dankbar sein, dass wir solch eine Methode haben, um Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen und weitere Verbrechen verhindern, weil diese gefährlichen Verbrecher früher dingfest gemacht werden.

Das Urteil ist absolut gerechtfertigt, daher gibt es diesmal auch keine juristische Auseinandersetzung meinerseits- da gab es durchaus auch schon andere Reviews. Und Alkoholkonsum als Entschuldigung für Straftaten gelten zu lassen, lehne ich persönlich auch als Jurist ab. Bemerkenswert ist in diesem Fall jedoch die Ermittlungsarbeit durch die Polizei, um die Herkunft der Brille zu klären. Da war eine Sisyphusarbeit damals, die dann doch zum Erfolg geführt hat. Ohne die Hartnäckigkeit der Beamten wäre dieser Fall nicht Anfang der 80er geklärt wurden, sondern erst Ende der 90er, als die DNA- Analyse auch in Deutschland angewandt wurde.

Über den weiteren Verbleib von Ludger S. ist heute nichts bekannt. Er dürfte jedoch seit mindestens 15 Jahren wieder auf freien Fuß sein. Er ist heute etwa 80 Jahre alt, Jürgen durfte noch nicht mal seinen 9. Geburtstag feiern.

Das nächste Mal: nur ein Studiofall aus den 70er. Es gab viele bekannte Kriminalfälle in Aktenzeichen xy: Morde, Entführungen oder Erpressungen. Diesen Fall dürften jedoch nur wenige kennen. Zwei Frauen bringen einen Mann um, der ihre Liebe im Weg steht. Bitte beachten: Anfang der 70er. Der Fall wird in der Boulevardpresse ausgeschlachtet. Im Vordergrund steht nicht die Tat der Frauen, sondern ihre sexuelle Orientierung. Frauen-Organisationen werden auf den Plan gerufen und stören den Prozeß. Es beginnt eine Hexenjagd- der Lesbenmord von Schenefeld.


Zwei Fälle, die wieder einmal nachdenklich machen, gerade im Hinblick auf das Anhalterunwesen." (Zitat Zimmermann FF 3 17.01.1986)

zuletzt bearbeitet 10.09.2020 02:46 | nach oben springen

#14

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 10.09.2020 09:29
von Jiri Brei • 602 Beiträge

Zitat von bastian2410 im Beitrag #12
Ich hoffe aber, die Gänsefüßchen bzgl. "gehaltvoll" waren nicht ironisch gemeint. ;)


Nein, natürlich nicht.
Die Anführungszeichen stehen da, weil "gehaltvoll" normalerweise ehe im Kontext mit Essen & Trinken verwendet wird. Mir ist aber auf die Schnelle kein besseres Wort eingefallen...

Gruß
JB

PS: Du kriegst noch eine PN von mir.


Mord verjährt nicht.
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#15

RE: 01.07.1977 FF1 (Kripo Münster)

in Filmfälle 16.09.2020 09:31
von ibbed • 26 Beiträge

Ich liebe Bastians sehr ausführlichen Fallbesprechungen. Bitte weitermachen :-)

Die Tatsache, dass eine ältere Dame am Ende ihres Lebens den entscheidenden Hinweis auf den Täter gab, ist außerordentlich bemerkenswert. Fraglich, ob der Fall sonst je hätte geklärt werden können.

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