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3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 10.11.2010 01:55von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Artikel
http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1288741324171.shtml
Fernsehbeitrag
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1047988/1981%3A+Entf%C3%BChrungsfall+Nina+von+Gallwitz#/beitrag/video/1047988/1981-Entfuehrungsfall-Nina-von-Gallwitz
Review folgt die Tage
Re: 3.9.1982 SF 6 (Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 10.11.2010 02:36von bd-vogel • 570 Beiträge
Noch ein etwas längerer Artikel aus dem "Kölner Stadtanzeiger":
Walter Volmer: Ein stiller Menschenfreund (Kölner Stadtanzeiger vom 9. November 2010
Bernhard.
PS: In dem oben von Basti verlinkten ZDF-Mediathekbeitrag zum Fall ist auch ein kurzer Ausschnitt aus der XY-Sendung (mit Ede) zu sehen.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 18.12.2010 13:17von xyzuschauerseit72 • 1.079 Beiträge
http://de.wikipedia.org/wiki/Entf%C3%BChrung_von_Nina_von_Gallwitz
Besonders interessant macht den Fall - neben der langen Entführungszeit des Opfers - der Umstand, dass ein Journalist als Vermittler auftrat und dass nach der Freilassung eine Illustrierte "exklusiv" berichten konnte (vermutlich hat die Familie sich darauf eingelassen, um einen Teil der Entführungskosten wieder hereinzubekommen).
Auch wenn die Tat wohl verjährt sein dürfte, wäre es interessant, wenn irgendwann doch mal die näheren Hintergründe ans Licht kommen würden.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 23.12.2010 02:32von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Eine Notiz zum Posting xyZS72: Die Exklusivrechte wurden zwar wirklich an die Illustrierte " Quick" verkauft, jedoch wurde nur die Heimkehr von Nina dokumentiert, in dieser Zeitschrift wurde kein Detail aus der Entführung preisgegeben. Profit steckte mE nicht hinter dieser Taktik.
Die Einschaltung eines privatem Vermittlers ist jedoch ungewöhnlich, aber auch verständlich nach der Serie von Polizeipannen im Fall von Gallwitz. Mehr dazu im Review.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 18.01.2011 17:31von bastian2410 • 1.678 Beiträge
„Herr Tartarotti, bringen Sie meine Tochter zurück“/ Die heißen Monate von Köln Hahnwald Teil 2
3.9.1982 Studiofall 6 (Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
TEIL 1
Er gehört zu den großen Kriminalfällen. Es ist der spektakulärste Entführungsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wieder ist Köln Hahnwald Schauplatz einer Kindesentführung. Wieder bewegt ein Fall ganz Deutschland. Und dieser Fall wird Rechtsgeschichte schreiben. 149 Tage wird ein damals 8 Jahre altes Mädchen gefangen gehalten. Es ist die längste Entführung mit Lösegeldforderung der deutschen Kriminalgeschichte. Bis heute sind die Motive der Tat nicht aufgeklärt, die Täter konnten nicht gefasst werden. Warum entführen die Täter ein Kind? Habgier? Aus Rache oder Hass gegen die Familie? Diese Fragen sind auch 30 Jahre nach dem Verbrechen unbeantwortet. Viele Polizei- Pannen begleiten den Fall. Erst als die Familie auf private Vermittler setzt, gelingt eine Lösegeldübergabe und das Mädchen wird freigelassen. Der Entführungsfall Nina von Gallwitz- ein Stück deutscher Kriminalgeschichte.
Der Fall:
6 Tage vor Weihnachten 1981 im Nobelstadtteil Hahnwald in Köln. Vor zwei Monaten wurden die Erlemann- Entführer in Köln verurteilt, in dem Stadtteil kehrt wieder Ruhe ein. Um halb acht verlässt Nina am 18. Dezember 1981 das Elternhaus und macht sich auf den Weg zur Grüngürtelschule im Stadtteil Rodenkirchen. Als Nina nicht wie verabredet ihre Freundinnen an der Bushaltestelle trifft, informieren die Kinder die Mutter von Nina. Frau von Gallwitz setzt sich sofort mit der Schulleitung der Grundschule der Grüngürtelschule in Verbindung und erfährt, dass Nina nicht im Schulbus war. Hubertus von Gallwitz, Prokurist einer Kölner Bank, sucht den Weg zur Bushaltestelle nach Hinweisen ab. Den Eltern wird aufgrund der Ereignisse um die Erlemann Entführung sofort klar, dass Nina entführt wurde. Wie sich erst später herausstellt, wurde Nina bereits bei Verlassen des Elternhauses von einem Mann mit einem braunroten Hut, Mantel und Brille beobachtet und verfolgt. Nina bemerkte den Mann schon an der Haustür. Der Mann drückt dem Kind einen offensichtlich mit einem narkotisierenden Mittel getränkten Lappen aufs Gesicht. Das Mädchen verliert sofort das Bewusstsein. Nur zwei Straßen weiter liegt jener Wald, in den Johannes Erlemann kurz vorher entführt wurde. Erst im einen Auto kommt das Mädchen wieder zu sich. Die Täter haben das Mädchen mit einer Decke über den Kopf zugedeckt, aber darauf verzichtet, Nina in den Kofferraum einzusperren. Erst im Versteck nehmen die Entführer Nina den Schulranzen weg. Einen Tag nach der Entführung kehrt mindestens ein Täter nach Hahnwald zurück und entsorgt den Ranzen einige hundert Meter weit vom Haus Gallwitz entfernt in einen Vorgarten. Wahrscheinlich ein Ablenkungsmanöver der Täter.
Zwei weitere Entführungsfälle beschäftigen zu jener Zeit die Boulevardpresse in der BRD. Zunächst der Entführungsfall Cornelia Becker, die ein Jahr zuvor in Karlsruhe entführt und ermordet wurde. Der Prozeß gegen den Täter Günther Adler findet in dieser Zeit in Karlsruhe statt. Zudem der Entführungsfall Julio Iglesias Puga, dem Vater von Julio Iglesias, der in Madrid Ende 1981 von Terroristen der baskischen Untergrundorganisation ETA entführt und erst drei Monate durch Polizeigewalt befreit wurde.
Die Eltern entschließen sich dazu, weder die Polizei noch die Öffentlichkeit einzuschalten. 6 Stunden nach der Entführung melden sich die Entführer dann das erste Mal per Telefon bei Familie. Um 13.30 Uhr geht der Anruf in Hahnwald ein und die Täter spielen ein Tonband mit der Stimme von Nina ab. Der Inhalt: "Ich bin von zwei Männern entführt worden, sie werden sich schriftlich bei euch melden." Jetzt wird die Polizei eingeschaltet, in Abstimmung mit den Eltern werden die Öffentlichkeit und die Presse zum Wohl von Nina jedoch nicht informiert.
Am Abend des nächsten Tages kommt der erste Erpresserbrief, dem als Erkennungszeichen eine Haarspange Ninas beigefügt ist. Die Täter ordnen an, daß Vater Hubertus von Gallwitz täglich von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr auf einer Betriebsfunkfrequenz, wie sie große Bauunternehmen für ihren Fahrzeugpark benutzen, mit jeweils einstündigem Abstand auf die Anweisungen der Erpresser antworten solle. Ungewöhnlich ist, dass die Entführer keine Lösegeldsumme fordern, sondern von den Eltern ein Geldangebot verlangen. Dieses Verhalten der Täter führt später nach Ende der Geiselnahme zu der Annahme, dass Habgier für die Täter bei dieser Tat nicht im Vordergrund steht. Die Familie von Gallwitz ist bereit, für die Freilassung von Nina 800000 DM zu zahlen. Dieses Angebot wird von Tätern ein Tag vor Weihnachten angenommen. Das Lösegeld soll in gebrauchten Noten übergeben werden. Für jeden fehlgeschlagenen Übergabeversuch sollen 50000 DM Aufschlag gezahlt werden. Zudem erhält die Familie ein neues Lebenszeichen von Nina, welches von der Familie vor der Geldübergabe gefordert wurde. Auf einer Tonbandkassette beantwortet das Mädchen die von der Familie von Gallwitz übersandten Fragen, welches Teil an ihrem Fahrrad defekt sei (Antwort Sattel) und welche Farbe ihr Bett habe (Antwort Blau).
Am 24. Dezember kommt es zum ersten Versuch der Geldübergabe. Die Erpresser fordern von Hubertus von Gallwitz, den D- Zug 720 von Köln nach Dortmund zu besteigen und das Lösegeld auf ein Funksignal hin auf der Strecke abzuwerfen. Ein solches Funksignal erfolgt jedoch nicht. Herr von Gallwitz wird von mehreren Polizeibeamten begleitet. Obwohl die Öffentlichkeit auch 6 Tage nach der Entführung nichts von der Entführung wusste und die Familie zugesichert hatte, dass die Polizei nicht eingeschaltet wird, ist anzunehmen, dass die Erpresser merkten, dass Polizei im Zug anwesend war.
Am 29.12. melden sich die Entführer erneut schriftlich und vereinbaren mit der Familie eine neue Lösegeldübergabe. Dem Schreiben beigefügt ist eine Landkarte mit einer aufgezeichneten Strecke von Köln über das Ruhrgebiet und wieder zurück. Über diese Route soll ein zwei Personen Hubschrauber mit Hubertus v. Gallwitz am Bord fliegen und auf ein Autoblinkzeichen hin das Geld abwerfen. Die Täter fordern jetzt 850000 DM. In die Luft steigt jedoch am 30. Dezember ein mit Spezialgeräten bestückter Vier-Mann-Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes, zudem bricht der Funk über dem Autobahnkreuz Breitscheid wegen Störungen in der Funkfrequenz ab. Erneut scheitert eine Lösegeldübergabe.
Jetzt entschließt sich die Familie die Öffentlichkeit einzuschalten. Am 1.1.1982, 13 Tage nach der Entführung, erfährt die Bevölkerung auf einer Pressekonferenz, welche live im Radio ausgestrahlt wird, von dem Schicksal der kleinen Nina. Hubertus von Gallwitz fordert ein neues Lebenszeichen von Nina und droht, die Polizei einzuschalten. (diese war zu diesem Zeitpunkt bereits involviert, große Fahndungsmaßnahmen wurden aber zurückgehalten). Einen Tag später erhält die Mutter von Nina das Lebenszeichen. Jetzt erhöhen die Erpresser das Lösegeld auf 1,2 Millionen DM. Da Funkstörungen für das Scheitern der letzten Geldübergabe verantwortlich waren, kommunizieren die Entführer jetzt über Zeitungsanzeigen in Kölner Tageszeitungen mit der Familie.
Nachdem zwei Lösegeldübergaben gescheitert waren, verlangen die Täter jetzt die Einschaltung eines privaten Vermittlers und schlagen der Familie den Kölner Dompropst Heinz Werner Ketzer vor. In der ARD- Nachrichtensendung "Tagesthemen" akzeptieren Beatrice und Hubertus von Gallwitz diesen Vorschlag. Am 8.1.1982 heißt es den Tagesthemen: "Auch im Fall der Kölner Schülerin Nina von Gallwitz wartet der vorgeschlagene Vermittler auf eine Nachricht."
Am 19.1. 1982 geht dann erneut ein Lebenszeichen von Nina ein. Die Entführer schicken eine Tonband-Kassette, auf die das Kind die Forderungen der Kidnapper gesprochen hatte. Sie verlangen unter anderem, daß sich Ketzer in beiden Fernsehprogrammen an sie wende. Noch am gleichen Tag gibt der Dompropst in der Hauptnachrichtensendung des ZDF (heute um 19h) und der ARD (Tagesschau 20h) die gewünschte Erklärung ab. Modalitäten der Geldübergabe werden jetzt per Zeitungsanzeigen vereinbart. Als neuer Termin wird der 5 Februar abgemacht. Am 30.1 erhält die Familie v. Gallwitz erneut eine Tonbandkassette mit der Stimme ihrer Tochter, auf der Nina ein Leitartikel der Frankfurter Rundschau vorliest. Auch bei dieser Übergabe soll mit einem Zwei- Personen Hubschrauber eine bestimmte Route zwischen Köln und Frankfurt abgeflogen werden und auf ein Zeichen hin das Lösegeld abgeworfen werden. Auch diese Geldübergabe scheitert wegen der Unbeholfenheit der Polizei. Der Hubschrauber mit von Gallwitz am Board musste nämlich solange warten, bis von der Polizei angeforderte "Phantom"-Flugzeuge gestartet waren, die Wärmebilder machen sollten, und auf der Autobahn polizeiliche Funkverstärkung stationiert war. Der Hubschrauber erreichte den Frankfurter Luftraum mit gut einer Stunde Verspätung, die Entführer waren bereits abgezogen. Der Hubschrauber geriet dabei zudem in den Bereich des Frankfurter Flughafens und in die militärische Luftraum-Sperrzone.
Wenige Tage nach der gescheiterten Geldübergabe erhält der Vater von Nina einen Brief der Erpresser. Der Inhalt: „Alles kaputtgemacht, es handelt sich nur um Lügen. Wir haben kein Vertrauen mehr, der Hubschrauber ist nicht gekommen. Wir haben 15 Minuten gewartet. Wir haben keine Angst vor der Fahndung, die ist uns egal. Es werde nun noch lange dauern, bevor Nina freikomme. “
Auch der private Vermittler Ketzer wendet sich via Rundfunk und TV an die Entführer und gibt diesen zum letzten Mal die Chance der Vermittlung. In der Tagesschau gibt er folgende Erklärung ab: „Der Übergabeversuch ist in dieser Form nicht wiederholbar. Er gefährdete das Leben meines Vertrauten und stellte auch für Sie Gefahr dar, weil er für Behörden und Öffentlichkeit nicht unbemerkt bleibe. Deshalb appelliere ich im Interesse des Kindes erneut und eindringlich an Sie. Noch stehe ich Ihnen als Vermittler zur Verfügung nehmen Sie diese Chance endlich wahr!“ Die Entführer reagieren nicht auf diesen Appell. Auch Bundestagspräsident Richard Stücklen bietet sich als Vermittler in den Entführungsfall an. Vergeblich, die Entführer reagieren erneut nicht.
Nachdem die Familie von Gallwitz eine Woche kein Lebenszeichen von Nina erhalten hat, stimmen die Eltern einer öffentlichen Großfahndung der Polizei nach den Tätern und nach Nina zu. Beatrice von Gallwitz setzt zudem für Hinweise eine Belohnung von 250.000 DM aus. Innerhalb 48 Stunden gehen gut 250 Hinweise ein, die SoKo Nina wird auf 45 Beamte vergrößert.
Hubertus v. Gallwitz gelingt es Stimmfetzen eines männlichen Täters auf einen Tonbandgerät aufzunehmen. Während der zweiten Geldübergabe konnte er teilweise den Funkverkehr auf einer Kassette festhalten. Nach einer technischen Aufbereitung veröffentlicht die Polizei die Stimme des Täters (Zitat:…er hat die Scheißbullen bei sich“) am 24. Februar 1982 über den Ansagedienst der deutschen Post und via Rundfunk. Warum Aktenzeichen xy 2 Tage später am 26.2. nicht über den Fall berichtet, ist unklar. Spekuliert wird, dass die Polizei der Meinung war, kurz nach Veröffentlichung die Stimme bereits identifiziert zu haben. Eine Ausstrahlung in xy also nicht mehr für nötig ansah. Identifiziert wurde diese Stimme nicht, auch nach Ende der Entführung wurde die Stimme nicht mehr veröffentlicht.
Über 4 Wochen melden sich die Entführer nicht bei der Familie. Um wieder in Kontakt mit den Entführer treten zu können, zieht die Familie die ausgesetzte Belohnung von 250000 DM Ende März zurück und bittet die Polizei, die Fahndung nach den Tätern einzustellen. Die Polizei bzw. StA verweigert jedoch diese Zustimmung und setzt ihrerseits eine Belohnung von 50000 DM für Hinweise auf die Täter aus. Erst als die Familie in einem offenen Brief bzw. mit Hilfe der Presse Druck auf die Polizei ausübt, wird öffentlich seitens der Polizei von jeder weiteren fahndungsrechtlichen Aktivität Abstand genommen und die Belohnung von 50000 DM zurückgezogen. Das sich die Familie v. Gallwitz zu diesen Schritt entschließt, geschieht hauptsächlich auf Initiative eines neuen Vermittlers. Der Vater hatte kurz vorher den ZDF- Journalisten Franz Tartarotti gebeten, die Vermittlerrolle zum Wohl seiner Tochter in diesen Fall zu übernehmen.
Franz Tartarotti hatte sich zwei Jahre vorher bereits als Privatvermittler in Entführungsfällen einen Namen gemacht. Er bewerkstelligte 1980 die Freilassung der Kinder seines Freundes und ZDF Kollegen (damals Moderator des Heute Journal) Dieter Kronzucker. Seine Töchter Susanne und Sabine sowie sein Neffe Martin Wächtler wurden im Juli 1980 in der Toskana entführt. Drei maskierte und bewaffnete Banditen überwältigten zunächst die Erwachsenen, bevor sie die drei Kinder verschleppten. Die drei Kinder wurden 68 Tage nach ihrer Entführung gegen ein Lösegeld von 4,3 Millionen DM unter Vermittelung von Tartarotti freigelassen. Tartarotti schmuggelte u.a. das Lösegeld nach Italien, da damals Lösegeldzahlungen in Italien unter Strafe gestellt waren und die Konten der Familie Kronzucker gesperrt waren.
Insgesamt 9 Wochen kommunizieren die Vermittler und die Entführer via Zeitungsanzeigen. Tartarotti, der sich für die Verhandlungen Hans Fernstädt an die Seite holt, wird ab Bekanntwerden seiner Vermittlerrolle von der Polizei beschattet und bis zum Ende der Entführung, wahrscheinlich ohne Wissen der Eltern abgehört. Hans Fernstädt war zur damaligen Zeit Sicherheitsbeauftragter eines Elektrokonzerns in Mannheim und davor Sprengstoff-Experte beim Bundeskriminalamt. Trotz der Überwachung gelingt es den Vermittlern, sowohl die Polizei als auch die Presse über den Kontaktaustausch auszuschalten. Sämtliche Informationen der Entführung zwischen März und Mai basieren lediglich auf Aussagen von Tartarotti und Fernstädt. Fernstädt hatte einen Fünf Zeilen Caesar als Code mit den Erpressern vereinbart, einen Diplomaten- Code aus der Weimarer Republik.
Beide Parteien vermitteln eine neue Lösegeldforderung. Jetzt treffen auch wieder neue Lebenszeichen via Kassette bei der Familie ein. Als neue Übergabe wird der 12. Mai vereinbart. Die Modalitäten für die Übergabe werden per Kassette mit der Stimme von Nina übersendet. Familie v. Gallwitz und die Vermittler können somit davon ausgehen, dass Nina trotz 5 monatiger Gefangenschaft noch lebt. Allerdings erhöhen die Entführer jetzt ihre Forderung auf 1, 5 Millionen DM. Über den 5 Zeilen Caesar signalisiert die Familie ihre Zustimmung.
Am Tage der neuen Geldübergabe soll Franz Tartarotti kurz vor Mitternacht den Nachtzug Dortmund –Basel besteigen. Mit 1,5 Millionen DM im Gepäck, eingenäht in einem Segeltuch. Auf ein Funksignal soll das Lösegeld während der Fahrt aus dem Nachtzug werfen. Tartarotti besteigt am 12. Mai pünktlich den Nachtzug und setzt sich wie von den Entführern verlangt, in das letzte Abteil. Zudem verlangen die Täter, dass während der ganzen Fahrt das Licht im Waggon eingeschaltet ist. Gut 40 Minuten nach Abfahrt des Zuges vom Hauptbahnhof Dortmund empfängt Tartarotti das Signal zum Bereithalten für den Abwurf. Er reißt das Gangfenster runter und wirft das Lösegeld nach einem weiteren Funksignal um 0.38 Uhr kurz vor Andernach am Rhein aus dem Zug. 20 Sekunden später signalisieren die Täter per Funksignal, dass sie das Lösegeld erhalten haben. Die Entführer hatten versprochen, bei einer geglückten Geldübergabe Nina innerhalb von 72 Stunden freizulassen.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 18.01.2011 17:44von bastian2410 • 1.678 Beiträge
„Herr Tartarotti, bringen Sie meine Tochter zurück“/ Die heißen Monate von Köln Hahnwald Teil 2
3.9.1982 Studiofall 6 (Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
TEIL 2
Samstag, 15. Mai 1982, 23.30 Uhr an der Autobahn A 3 Düsseldorf- Leverkusen, kurz vor Solingen auf dem Rastplatz Ohligser Heide. Ein Angestellter des Rasthofes will frische Luft schnappen in dieser schwülen Mai- Nacht. Am Seiteneingang der Raststätte findet der Pakistani ein ängstliches Mädchen, das wie gebannt auf eine rote Tasche starrt. Auf Fragen des Angestellten antwortet das Mädchen nicht, da jemand ihr gesagt hatte, sie dürfe nichts sagen. Der Pakistani beruhigt das Mädchen und sagt zu ihr, sie brauche keine Angst zu haben, sie sei für ihn wie eine kleine Schwester. Das Mädchen bricht in Tränen aus. Er führt das Mädchen in die Raststätte. Als der Angestellte nach der Telefonnummer der Eltern fragt, übergibt ihm das Mädchen einen Zettel mit einer Telefonnummer. Diese Nummer, geschrieben auf einem abgerissenen Fetzen einer griechischen Zeitung, führt zu einem Anschluss nach Bornheim bei Bonn. Es ist der Anschluss von Franz Tartarotti. Allerdings meldet sich unter dieser Telefonnummer niemand, infolgedessen informiert der Angestellte des Rasthofes die Polizei. Nach dem Telefonat mit der Polizei, wählt der Angestellte noch mal die Telfonnummer in Bornheim und erreicht jetzt Tartarotti. Tartarotti bittet den Mann, nicht gleich die Polizei einzuschalten, er sei in 20 Minuten an der Raststätte.
Jedoch treffen die Polizisten vor Tartarotti an der Raststätte ein. Jetzt nennt das Mädchen endlich seinen Namen: Es ist Nina von Gallwitz. Um 0.13 Uhr am 16. Mai steht fest: Das Entführungsdrama, das 5 Monate lang die Öffentlichkeit in Deutschland bewegt hatte, endet glücklich. Nina wird von einem Polizeibeamten auf das Polizeistation Solingen Ohligs gebracht. 5 Minuten später treffen auch Franz Tartarotti und Hubertus von Gallwitz an der Ohligser Heide ein. Dort kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Hubertus von Gallwitz mit einem Polizeibeamten. Herr von Gallwitz hatte seinen Ausweis vergessen und konnte seine Identität nicht nachweisen, so wurde zunächst eine Auskunft über den Zustand von Nina verweigert. Erst auf der Polizeistation Solingen Ohligs kann die Identität durch die Mutter von Nina geklärt werden. Nach 149 Tagen Gefangenschaft schließen Hubertus und Beatrice v. Gallwitz ihre Tochter wieder in die Arme.
Nina berichtet, dass sie mit verbundenen Augen in einem Kofferraum zur Raststätte gebracht wurde. Dort hätten die Entführer befohlen, an der Wand stehenzubleiben und auf das Klingeln eines Weckers in der roten Tasche zu warten. Erst dann sollte das Mädchen die Telefonnummer auf dem Fetzen Papier anrufen. Gut 30 Minuten vor dem Klingeln des Weckers (auf 0 Uhr eingestellt) wurde Nina jedoch gefunden. Das Mädchen ist unverletzt, klagt lediglich über Schmerzen im rechten Bein, hervorgerufen durch die Fesselung während des Transportes zur Autobahnraststätte.
In Deutschland herrscht nach dem Bekanntwerden der Freilassung große Freude in der Bevölkerung. ARD und ZDF unterbrechen die laufenden Programme und berichten in Sondersendungen über die Heimkehr von Nina. Die Boulevardpresse druckt Sonderausgaben, das Haus der Familie von Gallwitz wird belagert von Presseleuten. In Köln Hahnwald läuten einen ganzen Mittag lang die Kirchenglocken, dies passierte zuletzt am Sterbetag von Konrad Adenauer am 19 April 1967. Papst Johannes Paul II schickt einen Rosenkranz für Nina aus dem Vatikan. Die Zeitschrift „Quick“ berichtet exklusiv über die Rückkehr von Nina und druckt Fotos des spielenden Mädchens im Garten ihres Elternhauses.
3 Tage nach der Freilassung feiert die Familie v. Gallwitz Weihnachten. Nina erhält ihre Weihnachtsgeschenke nachträglich, und erfreut sich an den Christsternen, die sie selbst vor ihrer Entführung gebastelt hatte und die an den Fenstern hängen. In der Pfarrkirche steht noch immer die Weihnachtskrippe aufgebaut, seit Nina kurz vor dem Christfest entführt worden war. Hunderte von Kerzen, von Gläubigen für Nina aufgestellt, erleuchteten die Krippe. Der Stacheldraht rund um die Krippe - Symbol der Gefangenschaft – wird entfernt.
Jetzt fahndet die Kripo, die zuvor 10 Wochen von der Familie von Gallwitz nicht über die Details der Entführung unterrichtet wurde, international nach den Tätern. Auch Interpol wird eingeschaltet. Auch nach der Entführung verweigert die Familie der Polizei, Nina bzgl. der Entführung zu vernehmen, versichern jedoch, die Gespräche mit Nina auf einer Kassette aufzunehmen und für die Fahndung zur Verfügung zu stellen. Auch die Vermittler Tartarotti und Fernstädt übergeben der Polizei Beweismaterial. Nina wird rund um die Uhr von Psychologen und Ärzten betreut. Zum Wohl von Nina verzichtet die Polizei auf Befragungen und akzeptiert die Entscheidung der Eltern.
Um Hinweise aus der Bevölkerung zu erlangen, gibt die Kripo Kartenmaterial zur Lage der Geldabwurfstelle unweit des Bahnhofs Andernach und der Autobahn-Raststätte Ohligser Heide heraus. Als wichtiges Fahndungsmittel betrachten die Fahnder auch die rote Sporttasche in der Größe von 40 x 20 x 15 Zentimeter, die Nina mitgegeben wurde und in der sich ein grüner Plastikwecker und ein Plüschtier, das die Entführer ihr geschenkt hatten, befinden. Ein großes Fahndungsziel der Soko ist es, den Aufenthaltsort des Opfers während der Gefangenschaft herauszufinden. Aufgrund der ersten Informationen von Nina steht schnell fest, dass das Mädchen während der Entführung nur an einem Ort festgehalten wurde. Tartarotti stellt der Kripo unter anderem mehrere Briefe der Entführer zur Verfügung, an denen Speichelspuren gefunden werden. Die festgestellte Blutgruppe hilft den Beamten wegen der Häufigkeit der Blutgruppe in der Bevölkerung nicht weiter.
Nina konnte sich viele Details ihres „Gefängnisses“ einprägen, obwohl das Mädchen immer eine Augenbinde aufsetzen musste, wenn einer der Täter den Raum betrat. An der Entführung waren mindestens zwei Personen beteiligt, die sich „Peter“ und „Paul“ nannten. An einem der Täter konnte Nina jedoch den Ansatz eines Busens erkennen, sowie einen roten Damenrock, schmale weiße Hände, blaukarierte Damenpantoffeln etwa der Größe 37 bis 38. Die Kripo ist daher nahezu überzeugt, dass der Erpresser "Paul" eine Frau sein muss. Zudem fiel in Gesprächen mit den Entführern der Name „Ali“. Die Polizei hält dies für eine Trugspur.
Nina berichtet in den Gesprächen mit ihren Eltern, eines Tages habe sie eine Kinderstimme rufen hören: "Nein, Mami, nein!" Und eine Frau habe geantwortet: "Du hast es schwer mit deiner Mami." Auch das Bellen eines Hundes wurde wahrgenommen. Auch hier schießt die Kripo nicht aus, daß dieser Dialog von den Tätern inszeniert worden sein könnte, wiederum um Nina und später die Polizei hinters Licht zu führen. In ihrem abgedunkelten Zimmer hatte Nina nur eine Taschenlampe als Lichtquelle. Das Entführerpaar versorgte Nina mit Comics und Büchern. Dabei gaben sie ihr das zu lesen, was nach ihrer Meinung für ein Kind interessant sein könnte. (Biene Maja, Bussi-Bär, das Bastelheft Bimbo). Auch Märchenkassetten durfte Nina hören.
Nina malt Skizzen von den Räumen ihrer Gefangenschaft sowie von der Taschenlampe, dessen Herstellerstempel von den Entführern entfernt wurde. Gewärmt wurde das Zimmer von einem Heizgerät mit Ventilator. Sie zählte genau 8 Treppenstufen, über die Entführer "Paul" sie aus ihrem Zimmer stets zum Bad und zur Toilette trug. Das Badezimmer hatte eine Duschwanne, ein Klo, Anbauschränke und ein Doppelwaschbecken. Ausgelegt war das Bad mit einem blauen Teppich. Der Aufenthaltsraum von Nina während der Entführung war mit braunen Anbauschränken aus Kiefer, einem großen Schrank und einem weiteren kleinen Schrank ausgestattet, sowie mit einem Schreibtisch, einer Liege und einem Stuhl. Der Boden des Raums war bedeckt mit einem gelbbraun gemusterten Teppich- nicht sehr weich. Von der Liege aus, auf der Nina die meiste Zeit ihrer Gefangenschaft verbringen musste, konnte das Mädchen hin und wieder durch einen Vorhang Sträucher und Baumwipfel sehen.
Insgesamt 6 Wochen unterlässt es die Polizei, Nina zu vernehmen. Am 11. 6.1982 besucht das achtjährige Mädchen zum ersten Mal nach der Freilassung die Klasse 2a der Grüngürtel-Grundschule, Trotz der langen Abwesenheit schafft Nina die Versetzung in die dritte Klasse.
Insgesamt gehen bis zur Fernsehfahndung bei der Soko über 3000 Hinweise ein. Auch der erste Tausender aus dem Lösegeld taucht auf. Der Schein wird in einer Wechselstube am Essener Hauptbahnhof eingetauscht. In der Folgezeit werden in Dortmund, Lübeck, Dingolfing (Bayern) und in der Türkei weitere sechs Tausendmarkscheine sichergestellt. Auf die Spur der Täter führt diese Tatsache jedoch nicht.
Nach 6 Wochen gibt die Polizei auch die ersten Erkenntnisse über die Täter bekannt. Nina beschreibt den männlichen Täter als groß und kräftig mit einer breiten Schulter. Er soll normal groß gewesen sein und Ansätze von grauen Haaren gehabt haben. Auffällig sei die tiefe Stimme gewesen sein. Die Frau sei schlank gewesen und hätte kurzes schwarzes Haar gehabt. Beide Täter erwähnten Nina gegenüber, sie seien Griechen und hätten als Kinder Zwillinge. Nina wurde während ihrer langen Haft nie bedroht, misshandelt und auch nicht gefesselt. Beide Täter hätten versucht, einen freundschaftlichen Kontakt zum Opfer aufzubauen. Das Nina in eine Kiste eingesperrt wurde, wie in anderen Quellen genannt wird (zB wikipedia), ist falsch, lediglich am Entführungstag beim Transport musste sich das Mädchen in eine Holzkiste quetschen.
Trotz des hohen Fahndungsaufkommens kommt die Kripo nicht weiter, es gelingt vor allem nicht, den Aufenthaltsort von Nina während der Entführung zu ermitteln. Am 3.9.1982 wendet sich die Kripo Köln über Aktenzeichen xy erneut an die Bevölkerung. Die Kripo erhofft sich, Erkenntnisse über den Aufenthaltsort zu gewinnen.
Es gehen über 50 Hinweise über Häuser bzw. Gebäude ein, die in diesem Fall in frage kommen. Der richtige Hinweis ist nicht dabei.
Ende 1982 kommt wieder Bewegung in den Fall. Im Sauerland werden vier Männer türkischer Abstammung festgenommen. Sie hatten versucht, in der Türkei insgesamt 400000 DM aus dem Lösegeld einzutauschen. Da die Seriennummern von der Familie v. Gallwitz registriert wurden, hatte das BKA die Nummern über Interpol auch an ausländische Dienststellen weitergeleitet. Die festgenommenen Täter sagen aus, dass Geld in einem Waldstück namens „Am Schnüffel“ bei Meinerzhagen ausgebuddelt zu haben. In Meinerzhagen werden Anfang des Jahres 1983 mehrere Wohnungen durchsucht. Schnell steht jedoch fest, dass die festgenommenen Täter nicht die Entführer sein können. Die Polizei traut solch ein Verbrechen diesen Männern nicht zu. Ninas Entführer hätten sich als intelligente, technisch versierte Täter bewiesen. Sie konnten perfekt funken, beherrschten den aus Zahlen bestehenden Diplomaten-Geheimcode „5-Zellen-Caesar" mühelos, sie kannten sich im Bahn- Schienennetz, in Fahrplänen und im Autobahnsystem genauestens aus, sie verfügten über Hubschrauber-Kenntnisse. Über diese Fähigkeiten würden die Männer nicht verfügen. Alle vier werden schließlich wegen Fundunterschlagung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es war über 30 Jahre die letzte Spur im Fall v. Gallwitz. Da die Höchststrafe für einen erpresserischen Menschenraub bei 15 Jahre liegt, ist dieses Verbrechen seit dem 15. Mai 2002 um 0.00 Uhr verjährt.
„Wunder gibt es immer wieder“, dieser Song von Katja Ebstein aus dem Jahre 1970 passt auf diesen Fall. Nina war insgesamt das 23. Entführungsopfer in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Jahre 1981 bzw. 1982 waren insgesamt 6 Fälle. Viele dieser Fälle enden tödlich für das Opfer. Viele Täter sehen hier die Möglichkeit schnell an Geld zu kommen und benutzen für die Erreichung dieses Ziels wehrlose Menschen, meistens Kinder. Und meistens sind es Verbrecher- Laien, Kleinkriminelle, die sich mit dieser Art von Verbrechen überfordern. Folge dieser Überforderung ist dann meistens der Tod des Opfers. In diesem Fall war das anders. Eine Entführung über diesen langen Zeitraum durchzuziehen, erfordert Planungsgeschick, Teamarbeit und ein hohes Maß an Intelligenz. Es war die erste (bis jetzt auch die letzte) Kindesentführung, die italienische oder südamerikanische Dimensionen annahm. In diesen Ländern waren Entführungen über diesen Zeitraum normal gewesen,
Über das Motiv der Täter wird heute noch spekuliert. War es Habgier? Dies wird heute eigentlich verneint. Ungewöhnlich war, dass die Täter bei der ersten Kontaktaufnahme keine konkrete Lösegeldforderung stellten, sie überließen es den Eltern, welche Summe ihnen die Freiheit von Nina wert sei. Gegen die Annahme, dass die Täter es auf Geld abgesehen haben, spricht auch, dass bis auf 6 Scheine und die 400000 DM, die allerdings vergraben waren, nie wieder Scheine aus dem Lösegeld aufgetaucht sind.
Spielte eventuell Hass oder Eifersucht eine Rolle? Für diese Motive fand die Polizei all die Jahre keine Anhaltspunkte. Wollten die Täter Nina durch diese Entführung quasi als ihre Tochter „adoptieren?“ Gerade die weibliche Entführerin hatte versucht, zu Nina ein Mutter- Tochter- Verhältnis aufzubauen. Auch das Vortäuschen einer Unterhaltung mit einem Kind während der Entführung durch die Täter, die Nina in ihrem Versteck hören konnte, könnte diese Annahme bestätigen. Belegt ist die Vermutung jedoch nicht. Auch jetzt, nach 30 Jahren, kann niemand diese Frage beantworten.
Eine Frage muss im Fall von Gallwitz noch erörtert werden. Wie weit darf eine Opferfamilie die Arbeit der Polizei diktieren, um das Wohl ihrer Tochter zu schützen? Darf eine Familie die Polizei quasi ausschalten von den Verhandlungen mit den Tätern? Diese Frage stand damals nach der Freilassung im Mittelpunkt vieler Diskussionen in Medien und unter Fachleuten. Viele sehen in diesem Vorgehen eine Entmachtung der Polizei. Wenn der Täter ohne Risiko die Vorteile der Tat behalten darf, wird das polizeiliche Monopol, für Sicherheit und Strafverfolgung zu sorgen, und damit auch sogleich unsere Rechtsordnung ausgehöhlt. Grundsätzlich teile ich diese Ansicht, bei einer Entführung muss jedoch eine Ausnahme gemacht werden. Dieser Punkt wurde ja schon mal im Fall Bögerl angesprochen in diesem Forum. Die Strafverfolgung muss hier zurückstehen, dass Wohl des Opfers hat allererste Priorität. Die Polizei kann sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass ihre Maßnahmen uU das Leben des Opfers gefährdet haben. Die Familie hat ja auch zunächst auf die Hilfe der Polizei gesetzt, jedoch begleiteten in dieser Zeit viele Pannen die Polizeiarbeit. Kompetenzgerangel innerhalb der Polizei, schlampige Geldübergaben und kein verdecktes Arbeiten im Hintergrund sorgten nach Ansicht der Rechtsexperten im Endeffekt dafür, dass Nina insgesamt 5 Monate gefangen gehalten wurde. Dass die Eltern private Vermittler zum Wohl ihrer Tochter eingeschaltet haben, verdient mein Respekt, auch wenn diese Vorgehensweise eine Schattenseite hat. Die Fahndungsarbeit und die Suche nach den Tätern wird selbstverständlich erschwert. Denn mit jeden Tag, der ins Land geht, verwischen sich die Spuren der Täter umso stärker. Und das auch der Grund, dass die Täter nie gefasst wurden. Deshalb gibt es heute leider kein Prozeßreview von mir. Aber lieber ein geplatztes Review mit einem lebenden Mädchen, als ein Prozeßreview wegen erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge bzw. Mord.
Nina ist heute 38 Jahre alt und Designerin. Nach der Entführung hat sie die Öffentlichkeit gemieden. Über ihre Erlebnisse hat sie nie wieder gesprochen.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 19.01.2011 10:09von Entlauber • 71 Beiträge
hier auch noch 2 Links zum Fall aus dem Spiegel-Archiv :
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336460.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14336480.html
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 22.01.2011 02:07von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 01.02.2011 04:29von bd-vogel • 570 Beiträge
Vielen Dank dafür!
Wie schon Thread zu 26.6.1981 Studiofall 7 (Kripo Köln) Entführungsfall Johannes Erlemann vermerkt, den Du ebenfalls mit einem umfassenden Fallreview bereichert hast, auch hier als abrundende Ergänzung eine Notiz zu Walter Vollmer, jenem Ermittler der Kölner Kripo, der sowohl den Fall Erlemann als auch den Fall von Gallwitz federführend betreute. Er wurde im Jahr 2001 pensioniert.
Nach seiner Pensionierung ein spannendes (und vor allem schonungsloses, nichtvertuschendes) Buch zur Geschichte der Kölner Polizei in der Nazi-Zeit geschrieben, und machte auch Führungen zur Polizeigeschichte in Köln. Er starb im November 2010.
Eine längere Würdigung aus dem "Kölner Stadtanzeiger":
Walter Volmer: Ein stiller Menschenfreund (Kölner Stadtanzeiger vom 9. November 2010
Bernhard.
Re: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 26.05.2011 23:45von bastian2410 • 1.678 Beiträge
Was jedoch stimmt ist das Posting von max. Nina wurde nicht während der Gefangenschaft in einer Holzkiste eingesperrt. Belegbar ist lediglich, welches auch aus dem Review hervorgeht, dass Nina am Entführungstag für den Transport von Auto in die Wohnung bzw. Haus kurz(!) für wenige Minute eine Kiste besteigen musste. In diesem Punkt ist der wikipedia- Eintrag in der Tat fehlerhaft.
RE: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 15.08.2018 10:34von Spurenleser • 3 Beiträge
Guten Morgen,
der letzte Eintrag ist ja nun schon viele Jahre her; gibt es noch Interesse an diesem Fall?
In den letzten Wochen ist der Wikipedia-Eintrag kräftig überarbeitet worden. Auch ein Foto der Abwurfstelle ist nun vorhanden. Wirklich interessant. Wenn man sich die Karte ansieht, ist das ein geschickt gewählter Ort.
Was wirklich rätselhaft bleibt, ist das Motiv. Geld wird es nicht gewesen sein, denn das ist und bleibt verschwunden. Ob es durch einen Unfall oder ein Versehen vernichtet wurde? Ein Hausbrand? In einen Fluss gefallen? Versehentlich in der Mülltonne gelandet?
Oder war Geld nicht das Thema?
Andererseits: so eine Entführung ist ja nicht ganz billig: da muss ein geeignetes Haus zur Verfügung stehen. Für fünf Monate muß ein Kind versorgt werden, also braucht es Essen, Kleidung, Heizung, etc.
Außerdem kann man in der Zeit nicht wirklich arbeiten, weil man ja das Kind bewachen muss.
Woher kommt das Geld?
Wenn man noch die Aussage von Franz Tartarotti dazunimmt, daß es einen Informanten aus der Umgebung der Familie gab, der die Entführer unterrichtet hat, kommen einem schon Gedanken, daß jemand im Hintergrund die ganze Sache finanziert hat. Jemand mit viel Geld. Jemand aus Adelskreisen, der noch aus der guten alten Zeit sehr begütert ist? Jemand der sich rächen will? Vielleicht eine verflossene und/oder verschmähte Liebe von Vater oder Mutter?
RE: 3.9.1982 Studiofall 6 (Fall 9, Kripo Köln) Entführungsfall Nina von Gallwitz
in Studiofälle 19.08.2018 08:14von Spurenleser • 3 Beiträge
Guten Morgen,
ja entschuldigt bitte. Ich bin noch neu hier und wollte nicht gegen die Forenregeln verstoßen. Wird nicht wieder vorkommen.
Vielmehr war die Absicht, meine Überlegungen zu Hintergründen mit euch zu teilen. Vielleicht hat ja auch trotz der vielen Jahre noch jemand etwas passendes gesehen oder gehört.
Ist dann also aus der Sicht dieses Forums alles zu diesem ungeklärten Fall gesagt worden??
Schöne Grüße vom
Spurenleser
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